Die Grundsteuer ist derzeit in aller Munde und plagt Eigentümer, die nun eine weitere Erklärung beim Finanzamt abgeben müssen. Viele Konstanzer sind unsicher: Muss ich nach der Reform 2025 mehr oder weniger Grundsteuer bezahlen als vorher? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die Bodenrichtwerte der Kommune. Denn sie sind wichtig für die Berechnung der Steuer.
Wer auf die Karte für Konstanz klickt, sieht erstmal viele rote Linien und Zahlen. Die roten Linien umranden die einzelnen Bodenrichtwertzonen und die Zahlen bieten einen Anhaltspunkt für den Wert eines Grundstücks.

Dabei ergeben sich neue, spannende Fragen: Warum bestehen so große Unterschiede zwischen den Grundstücken? Wo ist Konstanzer Boden am meisten wert? Und warum weist ausgerechnet das Büdingen-Areal, auf dem derzeit der Schweizer Investor Hans Jürg Buff ein Luxus-Gesundheitshotel errichten lässt, einen so niedrigen Wert auf? „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, schreibt ein Leser dem SÜDKURIER.
Immerhin lässt auch ein Blick in die Historie der Bodenrichtwerte stutzen: Während für das rund 40.000 Quadratmeter große Büdingen-Areal im Jahr 2010 ein Wert von 630 Euro pro Quadratmeter angegeben wurde und dieser bis 2014 kontinuierlich auf 770 stieg, sank er direkt nach dem Verkauf an Hans Jürg Buff im Jahr 2015 auf 250 Euro pro Quadratmeter. Dieser Wert hielt sich drei Jahre lang und stieg dann wieder an, auf heute 450 Euro pro Quadratmeter.
Die umliegenden Grundstücke entwickelten sich ganz anders. Bei der Glärnischstraße beispielsweise lag der Wert im Jahr 2010 mit 1210 Euro pro Quadratmeter schon damals höher und steigerte sich bis zum heutigen Wert von 3440. Willkür?

Jährlich 1000 Grundstücksverkäufe in Konstanz
„Nein“, versichert Michael Frei, der alle Hintergründe kennt. Er ist Abteilungsleiter Grundstückswertermittlung und Bodenordnung im Amt für Liegenschaften und Geoinformation der Stadt. Die Verträge aller Grundstücksverkäufe, die in Konstanz getätigt werden – ob bebaut oder unbebaut, Teileigentum oder Erbbaurecht – landen auf seinem Schreibtisch zur folgenden Auswertung. „Das sind derzeit rund 1000 Verträge im Jahr, ein Massengeschäft“, sagt Michael Frei. Er versichert: „Es ist mitnichten so, dass die Stadt beim Büdingen-Areal dem Investor entgegenkommt.“
Denn die Bodenrichtwerte, ein Faktor zur Berechnung der Grundsteuer, werden regelmäßig von einem Gutachterausschuss ermittelt, der unabhängig agiert und dem weder die Verwaltung noch der Gemeinderat hineinreden können. Dessen Geschäftsstelle ist in Michael Freis Abteilung angesiedelt. Der Ausschuss legt die Bodenrichtwerte anhand mehrerer Kriterien fest, dazu zählen die Kaufpreise früherer Grundstücksverkäufe sowie lokale Besonderheiten wie Lage, Anbindung an die Infrastruktur und mögliche Nutzung des Areals.
Hier liegt auch der Knackpunkt für Büdingen: „Als Grundsatz für die Ermittlung der Werte gilt die Frage, was auf dem Grundstück zulässig ist“, erläutert Christoph Sigg, Leiter des Amts für Liegenschaften und Geoinformation. Bei Büdingen ist nur ein Hotelbau erlaubt, keine Wohnbebauung – was für einen Eigentümer lukrativer wäre. „Außerdem darf dort nur eine relativ kleine Fläche bebaut werden und der Öffentlichkeit muss in einem Teilbereich Zugang gewährt werden“, so Sigg. Diese Faktoren mindern den Bodenrichtwert.
Auch die Frage, wie hoch auf einem Grundstück gebaut werden darf, spielt eine Rolle. Auf dem Büdingen-Areal ist das Verhältnis der im Gebäude nutzbaren Fläche zur Grundstücksfläche mit 0,7 relativ niedrig – auf einem großen Gelände ist also nur eine vergleichsweise wenig intensive Nutzung möglich. Die Wohnbebauung rundherum dagegen weist eine „wertrelevante Geschossflächenzahl“ von 2 bis 2,5 auf. Die See-, Zumstein- und Glärnischstraße sind dicht besiedelte Gebiete.

Bodenrichtwerte bilden das Marktgeschehen ab
„Die Ermittlung der Bodenrichtwerte ist nichts Politisches“, betont Michael Frei. Sie bildeten das aktuelle Marktgeschehen ab. „In der Zone Büdingen gab es jahrzehntelang keine Vertragsvorgänge, so dass der Bodenrichtwert in dieser Zeit nur anhand der allgemeinen Wertsteigerungen in Konstanz fortgeschrieben werden konnte“, sagt Christoph Sigg.

Erst nach dem Vorliegen des Kaufvertrags konnte der Richtwert an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden. Eines lässt sich dabei vermuten: Wenn der Richtwert des Areals nach dem Verkauf deutlich sank und sich dessen Ermittlung an getätigten Verkäufen orientiert, heißt das: Hans Jürg Buff hat wohl weniger Geld für das Gelände bezahlt, als der Gutachterausschuss dachte, dass es wert sei.
Zeigen die Zahlen also indirekt, dass Buff mit seinem geschätzt rund 10 Millionen Euro schweren Geschäft ein Schnäppchen gemacht hat? Und kommt er jetzt zusätzlich auch noch in den Genuss einer überraschend niedrigen Grundsteuer? Dazu sagt Michael Frei: „Es ist schwierig, den Richtwert zu ermitteln, wenn jahrelang keine Verkäufe getätigt wurden, dann muss man schätzen.“

Wo ist Konstanzer Grund am meisten wert?
Auch andere nicht für Wohnbau vorgesehene Gebiete in Konstanz wie Wald (1,5 Euro pro Quadratmeter), der Stadtgarten (110) und Gelände in den Vororten (0,5) weisen sehr niedrige Bodenrichtwerte auf. Am höchsten liegt diese Zahl, wenig überraschend, in der ziemlich großen Bodenrichtwertzone Marktstätte/Kanzlei-/Hussenstraße (7450 Euro pro Quadratmeter). „Das ist eine sehr verdichtete 1a-Lage, interessant für den Einzelhandel“, begründet Christoph Sigg.
Was aber bedeuten die Bodenrichtwerte für die Bürger? Grundstücksbesitzer müssen diese Zahl kennen, um sie bei der Grundsteuererklärung angeben zu können. Dass die Reform große Unsicherheiten bei den Menschen auslöst, merken auch Christoph Sigg und Michael Frei: „Das Telefon steht nicht mehr still“, so Frei. „Wir haben 22.000 Grundstücke und 32.000 Grundsteuerfälle in Konstanz. Früher hatten wir vereinzelt Anfragen bei Zwangsversteigerungen, aber aufgrund der Reform muss sich plötzlich jeder für den Richtwert interessieren.“