In der Ansprache ist das Schreiben des Konstanzer Oberbürgermeisters Uli Burchardt an die Landtagsabgeordnete Nese Erikli sehr freundlich, in der Sache aber lässt er kein gutes Haar am Corona-Krisenmanagement der Landesregierung.
Er sieht vor allem den Sozialminister Manfred Lucha in der Verantwortung, und weil er sich bei ihm offenbar nicht so recht Gehör verschaffen kann, setzt er die frisch wiedergewählte Abgeordnete auf den Minister an. Der Forderungskatalog des OB umfasst fünf Punkte:
- Keine Wirkung zeigte bisher ein Schreiben von Uli Burchardt an den Sozialminister, in dem er auf den Bedarf eines Kommunalen Impfzentrums in Konstanz in Form einer Außenstelle zum bestehenden Impfzentrum in Singen hinweist. In Konstanz leben nach Angaben des OB knapp 13.000 Menschen in einem Alter von mehr als 70 Jahren, viele seien gehbehindert oder trauten sich mental die Fahrt ins Impfzentrum Singen nicht zu. Angehörige stünden nicht immer zur Verfügung, öffentliche Verkehrsmittel würden aus Sorge um eine Ansteckung ungern genutzt und nicht jeder Rentner könne sich die Fahrt mit dem Taxi leisten. Laut Uli Burchardt geht es nicht an, dass man Menschen in dieser Situation benachteilige, nur weil die größte Stadt im südlichen Baden-Württemberg geografisch am Rande der Republik liege.
- Ein weiteres Ungleichgewichtmacht Uli Burchardt bei der landesweiten Verteilung der Impfstoffe aus. Das Sozialministerium habe dabei einen Schlüssel gewählt, nach dem alle Landkreise gleich bedient werden. „Dieses Verteilverfahren ist absolut ungerecht, da größere Landkreise wie eben Konstanz mit rund 280.000 Einwohnern gleich viel Impfstoff erhalten wie kleinere mit 140.000 Einwohnern.“ In der Praxis bedeute dies, dass der Landkreis Konstanz pro Kopf der Bevölkerung bis zu 50 Prozent und damit eklatant weniger Impfstoff erhält als andere Landkreise. „Diese Institutionalisierung des Mangels durch das Sozialministerium“, schreibt der OB, „kann weder von uns politischen Vertretern noch von den Bürger hingenommen werden.“
- Der Konstanzer Oberbürgermeistervermisst beim bisherigen Umgang mit der Pandemie ferner eine Teststrategie. „Die Bürger signalisieren uns klar, dass sie nach der langen Zeit des Ausnahmezustands in ihr normales Leben zurückfinden wollen“, so heißt es in seinem Schreiben an die Landtagsabgeordnete. Um das zu erreichen, sei eine sehr große Anzahl von privaten Tests und von bestätigten Tests nötig – und zwar an jedem einzelnen Tag. „Ich fordere vom Bund und vom Land Baden-Württemberg eine Strategie dafür sowie die Ausstattung mit ausreichend Tests – auch für Schulen und Kitas. Wer sich Tests nicht leisten kann, muss sich und seine Kinder mehrmals die Woche kostenlos testen lassen können. Tests dürfen kein Luxusgut sein!“
- Uli Burchardt weist außerdem auf die besondere geografische Lage von Konstanz hin. Bund und Land sollten zügig Lösungen finden, um an der Grenze zurück zum normalen Grenzverkehr zu kommen. „Dazu braucht es eine stabile Abwärts-Entwicklung der Inzidenz auf beiden Seiten der Grenze sowie schnelle, unbürokratische Lösungen für Tests an der Grenze sowie für die Anerkennung von Tests, die möglicherweise in der Schweiz zugelassen sind, in Deutschland aber nicht.“
- Immer noch nicht auf die Reihe gebracht hat das Sozialministerium nach Einschätzung des Konstanzer Oberbürgermeisters das Anmeldeverfahren für Impfberechtigte. Zwar sei das ursprüngliche Verfahren nachgebessert worden, „doch gut ist es leider immer noch nicht“. Die Stadt habe zu Jahresbeginn eigens ein Impfbegleitungstelefon eingerichtet, bei dem sich Anrufer nach wie vor darüber beschweren, dass sie im Anmeldeverfahren nicht weiterkommen. „Dass ein Land, das sich technologischer Spitzenleistungen rühmt, ein derart umständliches Anmeldeverfahren praktiziert und das viele zur Verzweiflung treibt, ist für mich nicht nachvollziehbar“, empört sich Uli Burchardt. Er fordert eine digitale Lösung für die Kontaktnachverfolgung, „die anstelle unserer fußlahmen Corona-App in der Lage ist, mit Zustimmung der User Kontaktdaten ans Gesundheitsamt zu übermitteln“.