Die Werkstatt des Konstanzer Theaters wirkt leer und verlassen. Ursula Oexl-Menzel sitzt dort und näht die Kostüme für gleich zwei Stücke: „Dosenfleisch“ und „Das Licht im Kasten“. Ab Montag kommen zwei weitere hinzu. Normalerweise wäre deshalb viel los in der Werkstatt – Hektik und Stress. Doch es ist ruhig.

Denn Corona hat auch ihren Arbeitsalltag stark verändert. „Unser Team ist nie vollständig hier. Die Arbeitsläufe werden dadurch komplizierter. Und man fühlt sich einsamer bei der Arbeit“, sagt die Gewandmeisterin. Im Moment gibt es nur Proben und Vorbereitung. Die Auftritte fehlen ihr besonders. „Auf die Premiere fiebern immer alle hin. Jetzt geht die ganze Crew ohne Abschluss auseinander.“
Sie habe aber dennoch genug zu tun. „Wir müssen alles durchproben und auf Vorrat Kostüme produzieren, damit wir bei Wiedereröffnung sofort starten können. Wir können ja nicht erst anfangen, wenn das Haus öffnet“, erklärt Ursula Oexl-Menzel.
Eine anspruchsvolle Arbeit
In ihrem Alltag bespricht sie sonst die Entwürfe, vermisst die Darsteller und kauft die passenden Stoffe ein. Und am Ende setzt sie alles in bühnenreifen Kostümen um, die auch bei der dreißigsten Aufführung noch wie neu aussehen müssen. Ein anspruchsvoller Beruf, der historische Fachkenntnisse mit künstlerischem Talent und kaufmännischen Fähigkeiten verbindet.
Oexl-Menzel erklärt: „Das Spannendste an meinen Beruf ist die historisch korrekte Umsetzung von Schnitten. Wir stellen Kleidung her, die nicht mehr alltäglich ist.“ Und das alles für mehrere Theaterstücke gleichzeitig – sie braucht ein Talent für Organisation.
Und wegen Corona sei alles noch komplizierter. „Zwischen den Lockdowns musste ich wegen Verschiebungen alles mehrfach ändern, Material nachbestellen und neue Kostüme nähen, weil die Darsteller, denen die Kostüme passten, beim Nachholtermin umbesetzt werden mussten.
Schminken auf Anweisung
Ein noch größeres Problem seien die Anproben. „Die Schauspieler müssen sich selbst nach Anweisungen schminken. Sie können dabei ja keinen Mundschutz tragen, die Maskenbildner müssen Abstand halten“, beschreibt Oexl-Menzel.
Auch schnelle Kostümwechsel bei Proben seien nicht mehr möglich. Normalerweise dauere das etwa eine Minute. Aber jetzt dürfe niemand den Darstellern helfen. „Wir müssen deshalb umdenken und nähen Reißverschlüsse an ganz anderen Stellen ein“, erklärt sie.

Zudem mache ihr das Virus Angst. Denn es habe einen positiven Fall bei einem Lehrling gegeben. Zuerst sei man sich noch sicher gewesen, man habe genug Abstand gehalten. Doch dann seien die Sorgen gekommen. „Manchmal will man nur weglaufen“, beschreibt sie ihre Gedanken. Doch sie habe ja auch Verantwortung für die Mitarbeiter und ihre Auszubildenden. Sie sagt: „Die können wir ja nicht einfach alleine lassen.“
Doch die Gewandmeisterin erzählt auch von positiven Veränderungen: „Wir können den Lehrlingen viel mehr erklären. Dafür war sonst keine Zeit.“ Die Einarbeitung sei zwar komplizierter, aber auch interessanter. Und endlich gebe es Zeit, den Fundus mit den alten Stücken aufzuräumen.
Sorgen um Theaterbranche
Im vergangenen Jahr habe sie erstmals an Weihnachten frei gehabt. Und auch die abendlichen Endproben entfallen – dort sei sie sonst immer dabei. „Ob alles zusammenpasst, sieht man immer erst auf der Bühne, wenn alles fertig ist“, begründet Ursula Oexl-Menzel. Zudem nimmt sie Corona auch als eine Chance zum Umdenken wahr: „Ich hoffe, dass die Leute die Krise nicht vergessen und es diese Solidarität weiterhin gibt.“
Derweil bleibt ihre Sorge um die Branche. Sie sagt: „Ich fürchte, dass Kunst und Kultur gefährdet sind.“ Es sei schade, wenn das alles verloren ginge. „Eine Stadt wie Konstanz braucht ein Theater und Clubs“, findet Oexl-Menzel. Zwar denke sie nicht, dass das Theater in Konstanz ganz schließen müsse. Aber an anderen Orten könne das passieren. „Das wäre fatal.“.
Ihre Hoffnung: Dass die Leute wieder kommen. „Wenn wir morgen spielen könnten: Ich wäre bereit.“ Doch die Sorgen wegen Corona werden erst einmal bleiben. „Die Angst spielt jetzt immer mit“, gesteht sie.