Vor der Schänzlehalle sitzt ein Mann am Rheinufer, oberkörperfrei, dünn, tätowiert, und zündet einen Joint an. Mit der Zeitung will er nicht sprechen, aber hier „gibt‘s genug Leute“. Genug Leute, die kiffen. Ein Mittwochnachmittag im Juni, der Rhein funkelt in der Sonne, die heiße Sommerluft riecht nach Cannabis.

Kurz vor der Schänzlebrücke sitzen drei Freunde, sie sind etwa 30, auf dem Asphalt, ihre Beine baumeln über der Ufermauer. Sie kiffen, nippen Bier und Sekt, schwimmen, quatschen.

Auch den Rhein hinab im Herosé-Park wird gekifft. Ein Mann, auch er um die 30, erzählt, dass er am Wochenende schon mal eine Line Koks oder Speed zieht. Sein Kumpel guckt beim Kiffen zu, er sagt, er sei mal abhängig gewesen und habe mit dem Gras aufgehört. Er trinkt ein Bier in der Nachmittagshitze. Durch den Park pumpen Elektrobeats. Auf dem Bodensee flattern bunte Segel im Wind.

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Der eine kifft fast täglich, der andere eher selten

Am Hörnle fläzen vier Freunde im Gras, mit Paulaner-Spezi aus der Dose und Drehtabak. Hinter ihnen steht ein Spikeballnetz auf dem Rasen. Tim*, 22, und Marius*, 25, rauchen einen Joint. [* Namen von der Redaktion geändert.] Ihre Freunde bleiben bei selbstgedrehten Zigaretten.

Marius sagt, bald sei Kiffen „eh legal“. Tim raucht fast jeden Tag einen Joint, Marius nur gelegentlich. Aber er habe auch schon andere Drogen ausprobiert: Pilze und Pep. Mit Pilzen meint er solche, die Halluzinationen hervorrufen, Pep ist ein anderer Name für verbotene synthetische Aufputscher.

Aber in ihrem Umfeld werde eigentlich nur Gras konsumiert, sagen sie. Andere illegale Drogen nicht. Und auch Gras, sagt Marius, „sei mit Vorsicht zu genießen.“ Er kauft es in seiner Heimat, da kennt den Dealer und glaubt zu wissen, wo‘s herkommt. Tim ist da nicht ganz so vorsichtig.

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Wie viele junge Menschen konsumieren Drogen in Konstanz? Und nimmt der Konsum zu? Oder ab? Zur Klärung dieser Fragen hat der SÜDKURIER mit unter anderem Polizei und Drogenberatung gesprochen. 2022 waren laut Polizei waren 60 Jugendliche und Heranwachsende in Konstanz tatverdächtig, Betäubungsmittel besessen oder erworben zu haben.

Dabei wurden laut Polizei überwiegend Marihuana und Haschisch gefunden. Kokain und Ecstasy „in einigen Ausnahmen“, LSD und Heroin „in einigen Einzelfällen“. Im Vergleich zu 2018 sind die Zahlen gesunken: Damals waren es noch 155 Jugendliche und Heranwachsende.

Bedeutet das, dass weniger Jugendliche in Konstanz Drogen konsumieren? Nein, erklärt die Polizei Konstanz auf Anfrage. „Es muss davon ausgegangen werden, dass der jugendtypische Konsum von Betäubungsmitteln im selben Maße stattfindet wie vor dem Rückgang der Fallzahlen.“

Wenn, wie die Polizei sagt, der Konsum „im selben Maße stattfindet“ – warum sind die Zahlen der Tatverdächtigen seit 2018 dann gesunken?

2018 gab es laut Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz eine „Sonder-Ermittlungs-Gruppe-Drogen“ der Jugend-Sachbearbeiter der Polizei. Im Geschäftsbericht des Sozial- und Jugendamts heißt es dazu: „Nach Auflösung der Sonder-Ermittlungs-Gruppe gingen die Fallzahlen auf das jährliche Mittel zurück.“ Die Polizei Konstanz konnte keine Angaben dazu machen, verweist aber auf einen landesweiten Rückgang der Zahlen.

Die Zahlen der Tatverdächtigen im Bereich Besitz und Erwerb sind also stark abhängig von der Arbeit der Polizei und geben nur wieder, wie viele Jugendliche von der Polizei mit Rauschmitteln überhaupt aufgegriffen worden sind. Eine Antwort auf die Frage, wie viele Jugendliche in Konstanz Drogen konsumieren, geben sie nicht. Denn das Dunkelfeld lässt sich kaum ermessen.

In der Drogenberatung Konstanz können Menschen kostenlos und anonym über das Thema Drogen sprechen. 2022 waren 113 Jugendliche und Heranwachsende in der Beratung, 2018 waren es 93. Eine Zu- oder Abnahme des Konsums von illegalen Rauschmitteln bei jungen Menschen kann aus den Zahlen der Drogenberatung nicht abgelesen werden.

Meistens kommen Jugendliche, die Cannabis konsumiert haben

Das sieht auch Elisabeth Spiegel so – sie leitet die Drogenberatung Konstanz. Spiegel erklärt, dass die meisten Jugendlichen wegen des Konsums von Cannabis in die Beratung kämen. Bei Heranwachsenden beobachtet Spiegel in einigen Fällen einen Mischkonsum – also Cannabis in Verbindung mit Amphetaminen oder Kokain.

Die Jugendlichen und Heranwachsenden kämen selten freiwillig in die Beratung, so Spiegel. „Zu uns kommen Fälle, wo von außen erwartet wird, dass das Angebot wahrgenommen wird.“ Zum Beispiel durch die Eltern oder wegen gerichtlicher Auflagen. Das bedeutet, dass die meisten jungen Menschen, die in die Drogenberatung kommen, zuvor schon auffällig geworden sein müssen. Zum Beispiel der Polizei.

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Folglich kann auch die Drogenberatung keine Antwort darauf geben, wie viele Jugendliche und Heranwachsende in Konstanz Drogen konsumieren. Aber Spiegel mutmaßt: „Die deutschlandweite Zahl stimmt wohl auch für den Landkreis.“

Wie viele junge Menschen konsumieren Cannabis, Ecstasy oder Kokain?

Die Bundeszentrale für Gesundheit erhebt regelmäßig, wie viele 12- bis 17-Jährige und 18- bis 25-Jährige Rauschmittel konsumieren. Demnach hatte im Jahr 2021 knapp über die Hälfte aller 18- bis 25-Jährigen schon einmal Cannabis konsumiert – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu vorangegangenen Erhebungen.

Für andere illegale Rauschmittel stammt die letzte Erhebung aus dem Jahr 2019. Hier zeigen sich in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen im Vergleich zu 2015 vor allem Anstiege bei Ecstasy und Kokain. 3,6 Prozent der 18- bis 25-Jährigen hatten in den zwölf Monaten vor der Befragung mindestens einmal Ecstasy konsumiert, 2015 waren es noch 2,2 Prozent. Bei Kokain waren es 2,9 Prozent im Vergleich zu 1,2 Prozent vier Jahre zuvor.

Crack, Heroin und Crystal Meth wurden von Minderjährigen laut der Befragung gar nicht konsumiert, von 18- bis 25-Jährigen in einigen tausend Fällen.

Kokain kann auch im Abwasser nachgewiesen werden

Der Anstieg von Kokain zeigt sich auch bei einer anderen Untersuchung: der Abwasseranalyse. Dabei wird das Abwasser von Städten auf Drogen und Rückstände von Drogen im Urin untersucht. Das beantwortet die Frage, was und wie viel konsumiert wird, nicht aber wer konsumiert und wie alt die Konsumenten sind. Eine Abwasseranalyse in 104 europäischen Städten ergab zuletzt, dass der Konsum von Kokain in Europa angestiegen ist. Auf Cannabis und seine Rückstände wurden die deutschen Städte nicht untersucht.

Aber die Analyse zeigt auch: Was wie viel konsumiert wird, unterscheidet sich von Stadt zu Stadt. Am drastischen wird das bei Crystal Meth deutlich. Das wird am meisten in Städten im Osten Deutschlands konsumiert – wohl auch wegen der Nähe zu Tschechien, wo viel Meth produziert wird.

Warum untersucht Konstanz das Abwasser nicht?

In Konstanz wird eine solche Abwasseranalyse nicht durchgeführt. Auf Anfrage des SÜDKURIER teilten die Entsorgungsbetriebe mit, dass so eine Untersuchung nicht zu den „unmittelbaren“ Aufgaben der Abwasserreinigung gehöre. Die Sprecherin der Entsorgungsbetriebe Konstanz, Nele Steurer, erklärte: „Das heißt, wenn sich jemand dafür interessiert, müsste er uns dazu beauftragen, also die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.“

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Wie viele Menschen in Konstanz illegale Rauschmittel konsumieren, wissen wir also nicht. Erst recht nicht, wie viele Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Eine Einschätzung lassen die Gespräche mit Fachleuten aber doch zu: Eine Drogenhochburg scheint Konstanz nicht zu sein – auch wenn Drogen für Jugendliche auch in Konstanz ein Thema sind.

Darüber ist Elisabeth Spiegel von der Drogenberatung Konstanz besorgt. „Die Zahlen in der Suchtberatung sind zwar relativ stabil“, erklärt sie. Aber sie beobachtet vermehrt psychische und soziale Probleme bei jungen Menschen, wie Perspektivlosigkeit und Depressionen. Die Wahrscheinlichkeit, eine Sucht zu entwickeln, sei dann erhöht, auch schon im frühen Jugendalter. Denn auch sie weiß: Aus dem gelegentlichen Joint am Seerhein kann für die Konsumenten und die Menschen in ihrem Umfeld ein ernsthaftes Problem werden.

Chillen, Party, Sucht – die Serie

Dieser Text ist Teil von „Chillen, Party, Sucht: Vom Erwachsenwerden mit Drogen“, einem Themenschwerpunkt des SÜDKURIER. In der nächsten Folge lesen Sie: „Kiffen im Park – ist das normal? Ab wann spricht man von einer Sucht?“ Ein Interview mit Anette Schlobinski-Duscher von der Suchtberatung Konstanz.