Wenn am 11. September die Schule beginnt, füllen sich auch wieder viele Busse und Autos, um Kinder und Jugendliche durch den Landkreis und über die Grenze zu bringen. Denn von den rund 8000 Schülerinnen und Schülern, die im beginnenden Schuljahr 2023/24 eine Konstanzer Schule besuchen, wohnen viele nicht in der Kernstadt.
Einige pendeln aus den Vororten ins Zentrum, andere kommen aus Allensbach, Reichenau, dem restlichen Landkreis Konstanz, selten aus Meersburg oder Überlingen und oft aus der Schweiz. Im vergangenen Schuljahr wohnten 925 Kinder und Jugendliche, die eine hiesige Schule besuchen, nicht in Konstanz – das sind knapp 12 Prozent.
Rund 5 Prozent der Schüler kommen aus der Schweiz
Davon bildeten Schüler mit Wohnsitz in der Schweiz mit 4,9 Prozent die größte Gruppe, gefolgt von den Allensbacher Pendlern (3,2 Prozent) und den Reichenauern (2,9 Prozent). Laut städtischem Amt für Bildung und Sport liegen die Zahlen fürs Schuljahr 2023/24 erst Anfang November 2023 vor, wenn die Schulen die amtliche Statistik erhoben haben.
Besonders ins Gewicht fallen Schüler, die in der Schweiz leben, an den Konstanzer Gymnasien: Im vergangenen Schuljahr pendelte fast jeder zehnte Gymnasiast zur Schule über die Grenze, nämlich 263 (das entspricht 9 Prozent der Gymnasiasten). Am Humboldt-Gymnasium waren dies 89 Schüler, am Suso 82, am Ellenrieder 59 und das Gymnasium der Geschwister-Scholl-Schule beherbergte 33 Schüler mit Schweizer Wohnsitz.

Angesichts dieser Zahlen fragen Eltern sich: Wie kann es sein, dass mein Kind mit Wohnsitz Konstanz nicht an seiner Wunschschule aufgenommen wird, gleichzeitig aber viele auswärtige Kinder die Konstanzer Schulen besuchen? Nehmen die einen den anderen die Plätze weg?
Nein, sagen Stadt Konstanz und Schulleiter gleichermaßen. Schüler mit Wohnsitz Baden-Württemberg werden vorrangig aufgenommen. Außerdem hatte der Konstanzer Gemeinderat einst beschlossen, dass Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz Schweiz ab dem Schuljahr 2014/15 nur dann eine Konstanzer Schule besuchen dürfen, wenn diese noch Platz hat und dadurch keine zusätzlichen Klassen gebildet werden.
Schulleiter betont: Hier wohnhafte Kinder werden nicht benachteiligt
Jürgen Kaz, Leiter des Humboldt-Gymnasiums, betont: „Selbstverständlich finden keine Maßnahmen statt, die zu Lasten von Kindern gehen, die in Baden-Württemberg wohnen.“ Dass trotzdem Konstanzer Kinder an ihrem Wunschgymnasium abgelehnt werden, während Schüler mit Schweizer Wohnsitz aufgenommen werden, kann mehrere Gründe haben.

Zum einen verändern sich viele Familienbiografien mit der Zeit. So zogen im Jahr 2022 laut Statistik der Stadt Konstanz 778 Personen in die Schweiz, über die Hälfte davon in den Kanton Thurgau. „Mit einem Umzug in die Schweiz kann es Sinn machen, im deutschen Bildungssystem zu bleiben, gerade auch dann, wenn der Wohnsitz in der Schweiz nur befristet ist“, meint Frank Schädler, Leiter des Amts für Bildung und Sport.

Zum anderen befolgen die Gymnasien gemeinsam bestimmte Regeln, nach denen sie Kinder an ihrer Schule aufnehmen. Die Schulleitungen müssen Kinder abweisen, wenn ihre Kapazität erschöpft ist, wenn also alle Klassen mit 30 Kindern gefüllt sind (hier liegt bei den Gymnasien aktuell der Klassenteiler).
„Für gewöhnlich werden Geschwisterkinder nicht abgewiesen und es wird vermieden, dass Einzelne aus einer Gruppe von Kindern, die zum Beispiel aus derselben Grundschule kommen, abgewiesen werden“, erläutert Patrick Hartleitner, Rektor des Suso-Gymnasiums und Geschäftsführender Schulleiter aller Konstanzer Gymnasien.
Freunde sollen nicht getrennt werden
Somit kann es vorkommen, dass ganze Gruppen von Kindern nicht an der ursprünglichen Wunschschule aufgenommen werden, damit sie zusammenbleiben können. Dies hat dann pädagogische, gut gemeinte Gründe – und hat nichts damit zu tun, dass Kinder aus der Schweiz bevorzugt würden.

Dass am Humboldt-Gymnasium besonders viele Kinder mit Schweizer Wohnsitz sind, erklärt Rektor Jürgen Kaz mit einem weiteren Punkt: „Von Stufe 7 nach 8 finden bei uns immer wieder Klassenteilungen statt, um sinnvolle Einheiten für unsere vier angebotenen Profile bilden zu können.“ In diesen Jahrgängen werden auch Kinder neu aufgenommen, die in der Schweiz leben.
Beim Suso-Gymnasium liegt der Fall nochmal anders: Es ist das einzige altsprachliche Gymnasium im Kreis Konstanz. Deshalb darf die Schulleitung kein Kind abweisen, egal, wo es wohnt.

„Da sich die Schülerzahlen am Suso in den vergangenen Jahren immer in einem Rahmen bewegt haben, der für uns organisierbar war, stellte sich die Frage ohnehin nicht“, sagt Patrick Hartleitner. Ihm liegt vielmehr ein anderer Punkt auf dem Herzen: „Ich finde es sehr bedauerlich, dass es uns in Konstanz nicht so recht gelingen will (und das betrifft leider nicht nur die Ebene der Schulen), die Situation, die sich aus der Grenzlage ergibt, zufriedenstellend und vorbehaltslos zu gestalten.

Hartleitner fügt hinzu: „Eigentlich müsste es für uns ganz selbstverständlich sein, dass Menschen beiderseits der Grenzen wohnen und arbeiten, zur Schule gehen oder einkaufen. Stattdessen werden Klischees gepflegt und es wird bisweilen gar als ungehörig betrachtet, wenn Familien mit Wohnsitz in der Schweiz die Kinder nach Deutschland zur Schule schicken. Das ist wirklich schade.“