Dass der Bahnhof bei Ästhetik und Funktionalität vielleicht nicht den ersten Preis in bundesdeutscher Konkurrenz gewinnt, dürfte den meisten Konstanzern bewusst sein. Schon allein die teilweise Eingleisigkeit ab jenseits der Bahnstation Petershausen und über die Rheinbrücke hinweg behindert einen Ausbau des Zugverkehrs.

Doch auch mit diesen begrenzenden Bedingungen wird ein Ausbau geplant, im Moment grenzüberschreitend. Aber kann der Bahnhof Konstanz eine Ergänzung von Zugverbindungen überhaupt noch fassen? Ann-Veruschka Jurisch, Kreisrätin und FDP-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, hat ihre Zweifel, als sie an einem Dezembermorgen auf Bahnsteig 3 des Bahnhofs steht und die Einfahrt der Züge beobachtet.

Kurz vor 10 Uhr ist hier Hochbetrieb, sofern davon bei einem eher überschaubaren Bahnhof die Rede sein kann. Auf Gleis 3a fährt gegen 9.50 Uhr ein Zug aus Zürich ein, parallel kommt der Regionalzug aus Herisau/St. Gallen auf Gleis 2 an. Ein Stück weiter westlich steht auf Gleis 3 abfahrbereit der Seehas Richtung Engen um 9.53 Uhr. Schon um 10.05 Uhr fährt der nächste Seehas aus Engen wieder auf demselben Gleis ein.

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Spangenzug nimmt ab 2027 ein Gleis ein

„Es handelt sich um einen doppelten Kopfbahnhof“, erläutert die Bundestagsabgeordnete, was bedeutet, dass Züge aus der Schweiz einfahren und von dort aus wieder Richtung Schweiz hinausfahren. Auf der anderen Seite fahren die Züge Richtung Singen zum Anschluss an den deutschen Fernverkehr ein und aus. Dies soll sich nun aber ändern. Ab 2027 soll der künftige Hochrhein-Bodensee-Express (HBE) aus Herisau/St. Gallen durchgebunden werden.

Das heißt, er endet nicht im Bahnhof Konstanz, sondern fährt weiter Richtung Singen und Hochrhein. „Eine Verbindung, die wir sehr begrüßen“, sagt Jurisch. Was sie beunruhigt: Wenn der HBE auf Gleis 3 weiterfahren soll, müsse zwangsläufig der Seehas, der etwa zur selben Zeit einfährt, ausweichen, zum Beispiel auf Gleis 1. Ist das im Fahrplan aber so einzurichten? Und was passiert mit der Schwarzwaldbahn, die regelmäßig auf Gleis 1 einfährt?

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Haben die Fahrgäste, die auf Gleis 1 mit dem Seehas ankommen, eine Chance, den Zug nach Zürich zu erreichen? Die Unterführung ist schmal und schnell überfüllt, die Zeit zwischen Ankunft und Abfahrt knapp. „Bisher ist dieser Umstieg kein Problem“, erläutert Jurisch, „aber hauptsächlich, weil die beiden Züge bislang auf demselben Bahnsteig ankommen.“

Ann-Veruschka Jurisch sieht am Konstanzer Bahnhof ein Strukturproblem. Er sei letztlich zu eng angelegt, mit zu wenigen Gleisen, um größere Kapazitäten zuzulassen. Genau dies sei aber gewollt, wenn man mehr Verkehr auf die Schiene bringen wolle.

Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) erklärt: „Bisher ist dieser Umstieg kein Problem, aber hauptsächlich, weil die beiden Züge bislang auf ...
Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) erklärt: „Bisher ist dieser Umstieg kein Problem, aber hauptsächlich, weil die beiden Züge bislang auf demselben Bahnsteig ankommen.“ | Bild: Philipp Uricher/FDP

Aus ihrer Sicht brauche der Bahnhof die Erweiterung um ein weiteres Gleis im Personenverkehr. Gleis 6, das aktuell für den Güterverkehr genutzt wird, könnte dies leisten. „Zumal der Bedarf an Güterverkehr aus der Schweiz nur eingeschränkt besteht“, sagt Jurisch.

Ab den 2030er Jahren dürfte sich das Kapazitätsproblem noch verschärfen. Die Schweizerischen Bundesbahnen planen, den Zugverkehr aus Zürich Richtung Konstanz auf einen Halbstundentakt auszubauen und die Kapazität um 30 Prozent zu verstärken. Aus Jurischs Sicht würde dies eine Verlängerung der Bahnsteigkanten von 250 auf 400 Meter erforderlich machen.

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So sieht es die Bahn

Und wie beurteilt die Deutsche Bahn die Lage? Ein Problem bei der Abwicklung des Bahnverkehrs sieht die Bahn auch in Zukunft nicht. Die Bahn habe den Bau einer zusätzlichen Bahnsteigkante bereits mehrfach in verschiedenen Arbeitskreisen mit den anderen Beteiligten diskutiert, etwa in den Gesprächen zum Spangenzug (Hochrhein-Bodensee-Express).

„Hierbei hat sich gezeigt, dass die dort vorgesehenen Zugfahrten und Zuglängen sich mit der vorhandenen Bahnsteiginfrastruktur abwickeln lassen“, schreibt eine Sprecherin der Bahn auf Anfrage des SÜDKURIER. Es gebe im Moment kein Fahrplankonzept, das eine zusätzliche Infrastruktur benötige.

Je nachdem, wie viele Züge zeitgleich ankommen, wird es an der schmalen Unterführung Richtung Gleis 1 eng. Das kann dazu führen, dass ...
Je nachdem, wie viele Züge zeitgleich ankommen, wird es an der schmalen Unterführung Richtung Gleis 1 eng. Das kann dazu führen, dass Fahrgäste wegen der Verzögerung ihren Anschlusszug verpassen. | Bild: Wagner, Claudia

Auch die Unterführung hält die Bahn für ausreichend in ihrem Fassungsvermögen. Sie sei 2017 und 2018 durch den Einbau von zwei Aufzügen ergänzt worden, damit habe man den Bahnhof barrierefrei erschlossen. „Die dazu notwendige Planung wurde vom Eisenbahnbundesamt geprüft und genehmigt.“ Für eine Erweiterung der Unterführung bestünden derzeit keine Planungen.

Gespräche mit der Schweizer Seite finden derzeit allerdings statt, wie das Verkehrsministerium Baden-Württemberg bestätigt: „Die Abstimmungen zwischen den deutschen und Schweizer Planungsverantwortlichen zu Kreuzlingen/Konstanz laufen“, schreibt Wenke Böhm, Sprecherin des Verkehrsministeriums auf Anfrage. Im Fokus stehe aktuell die betriebliche Planung zur Einführung des Hochrhein-Bodensee-Expresses im Dezember 2027.

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Der Halbstundentakt, den die Schweiz für Züge aus Zürich anstrebe, sei zwar für 2035 geplant, wegen der Inbetriebnahme des Brüttener Tunnels zwischen Zürich und Winterthur aber verzögere sich die Planung voraussichtlich bis 2038. Die Abstimmungen, wie das Angebot in Konstanz verwirklicht werden könne, liefen aber ebenfalls bereits.

Für die Bahn kommt auch die Erweiterung durch ein zusätzliches Gleis nicht in Frage, um mehr Kapazitäten zu erlangen. Damit falle ein Hauptgleis für den Güterverkehr weg und Güterzüge müssten über das Bahnsteiggleis abgewickelt werden. „Das wäre bei Verspätungen oder Verzögerungen im Betriebsablauf in Konstanz kontraproduktiv“, schreibt die Sprecherin der Bahn. Dann könnten die Güterzüge im Konstanzer Bahnhof nicht mehr auf einen freien Abschnitt auf Schweizer Seite warten.