Überall verkohlte Balken. Manche der schwarzen Überreste des historischen Dachstuhls des Stadlerhauses in der Zollernstraße enden im Nichts. Die Überreste der einstigen Konstruktion werden durch ein Gerüst im Innern des Dachstuhls getragen. „Es ist die gleiche Strategie wie bei Notre-Dame“, stellt Architekt Christoph Bauer fest. „Dort hat man auch ein Gerüst eingebaut. Dadurch konnte parallel zu den Dacharbeiten auch überall sonst gearbeitet werden.“

Große, massive Holzbalken liegen jetzt hinter dem Vorderhaus, an jener Stelle, an der das Hinterhaus und der Zwischenbau den Flammen zum Opfer gefallen sind. Die Zimmerleute bauen die Balken auf dem Boden zu den künftigen Tragachsen zusammen. Die werden dann mittels eines Krans hochgehievt und von den Zimmerleuten in luftiger Höhe eingebaut.

Hinterhaus und Zwischenbau sind den Flammen zum Opfer gefallen. An dieser Stelle bereiten die Zimmerleute jetzt die Tragachsen des ...
Hinterhaus und Zwischenbau sind den Flammen zum Opfer gefallen. An dieser Stelle bereiten die Zimmerleute jetzt die Tragachsen des Dachstuhls vor. | Bild: Scherrer, Aurelia

Herausforderung auf vielen Ebenen

„Es ist nicht nur eine logistische Herausforderung“, sagt Christoph Bauer. Viel herausfordernder: „Der historische Dachstuhl von 1904 wird eins zu eins rekonstruiert.“ Zimmerermeister Florian Kopp, gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Geschäftsführer von Holz Kopp in Heiligenberg, nickt vielsagend.

„Es ist eine Ehre, einen historischen Dachstuhl zu rekonstruieren. Das ist etwas, was ich in meiner beruflichen Laufbahn nicht wieder ...
„Es ist eine Ehre, einen historischen Dachstuhl zu rekonstruieren. Das ist etwas, was ich in meiner beruflichen Laufbahn nicht wieder erleben werde“, sagt Zimmerermeister Florian Kopp, Mitgeschäftsführer Holz Kopp Heiligenberg. | Bild: Scherrer, Aurelia

Er war mit seinen Leuten kurz nach dem Brand schon in dem Gebäude. Erst nach und nach – mit jedem Berg von Schutt, der abgetragen wurde – sei das Ausmaß des Schadens sichtbar geworden. Auch die Stahlteile, die den Dachstuhl getragen haben, seien zum Vorschein gekommen.

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„Parallel zum Abbruch erfolgte die Planung der Rekonstruktion“, so Florian Kopp. Und die war anspruchsvoll. Er hatte nicht viele Anhaltspunkte, wie der Dachstuhl tatsächlich konzipiert war. „Nur die Baugenehmigung und Scan-Aufnahmen, unter anderem direkt vom Brand, um die wesentlichen Punkte einmessen zu können“, sagt er. 150 bis 160 Stunden habe er allein mit dem entsprechenden Computerprogramm gebraucht, „um die Geometrie des Dachstuhls herauszufinden“.

Rekonstruktion ist Tüftelarbeit

Wie aufwendig die Planung der Rekonstruktion wirklich war, wird wohl kein Laie nur annähernd ermessen können. Florian Kopp meint nur: „Es war eine ordentliche Tüftelarbeit.“ Und eine große Verantwortung. „Anhand meiner Skizzen wurde die Statik gemacht“.

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Aber Florian Kopp macht es gerne und mit Begeisterung, denn: „Für uns als Firma und als Handwerker ist eine Ehre, einen historischen Dachstuhl zu rekonstruieren. Das ist etwas, was ich in meiner beruflichen Laufbahn nicht wieder erleben werde. Letztendlich ist es eine schöne Arbeit.“

Parallel zu den Planungen erfolgte bereits der Abbruch nicht mehr verwendbarer und nicht mehr notwendiger Bauteile. „Der alte Fachwerkturm wurde demontiert und steht jetzt auf dem Gerüst“, erzählt Kopp. „Die kaputten Hölzer werden ausgetauscht – in guter Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt.“

Der alte Fachwerkturm wurde demontiert und steht jetzt auf dem Gerüst.
Der alte Fachwerkturm wurde demontiert und steht jetzt auf dem Gerüst. | Bild: Scherrer, Aurelia

Worüber der erfahrene Zimmerermeister staunt, ist der Bestand des Dachgebälks. „Es ist feinjähriges Kiefernholz“, stellt er fest und erklärt: „Der Abstand zwischen den Jahresringen ist klein. Das bedeutet: Der Baum ist langsam gewachsen.“ Noch mehr: Das Holz stamme sicherlich nicht aus der Region, ist Florian Kopp überzeugt.

Jetzt sind die Zimmerleute der Firma Holz Kopp mit der Konstanzer Zimmerei Mierzwa als Subunternehmer dem Stadlerhaus richtig aufs Dach gestiegen. Sie haben mit dem Wiederaufbau des ausgebrannten Dachstuhls begonnen. Genauer gesagt: Sie bauen an den westlichen, vom Brand verschonten Dachstuhl an. Da zeigt sich, wie gut die Planung ist, denn die Balken werden direkt angefügt, und zwar millimetergenau.

Der rekonstruierte Dachfirst passt genau an die noch vorhandene Altsubstanz.
Der rekonstruierte Dachfirst passt genau an die noch vorhandene Altsubstanz. | Bild: Tobias Kopp

Unter dem First erst zeigt sich, wie aufwendig der Wiederaufbau ist. Während die Zimmerleute das neue Gebälk einfügen und das Metallgerüst zur Sicherung der Statik noch steht, zeigt sich, wie gut im Vorfeld geplant wurde.

Zwischen Stützen und Streben: Verkohltes Gebälk wird entfernt und neue Balken werden eingebaut, dazwischen das Metallgerüst.
Zwischen Stützen und Streben: Verkohltes Gebälk wird entfernt und neue Balken werden eingebaut, dazwischen das Metallgerüst. | Bild: Scherrer, Aurelia

Die Arbeit ist nicht zu unterschätzen, denn im selben Zug des Einbaus werden partiell Balken abgebrochen, „damit die Konstruktion stehenbleibt“, schildert Florian Kopp. Gerade auch „bedingt durch die Sicherung der historischen Giebel, wird alles noch aufwendiger“, sagt er.

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„Es ist toll, so etwas zu machen, bereitet aber schlaflose Nächte“, sagt Architekt Christoph Bauer und erklärt: „Es liegt alles in unserer Verantwortung und es kann auch mal was schiefgehen.“ Deshalb ist er froh, um die beteiligten Zimmereien, die Firma C.S. Schupp und Gerüstbau Schnatterer, denn: „So etwas kann man nur machen, wenn man sich vertraut, und alle im Team Hand in Hand arbeiten.“