Als Wirtschaftsvertreter und Finanzbehörden jüngst im Haus der Industrie-und Handelskammer Hochrhein-Bodensee die Lage besprachen, blieb am Ende eine Erkenntnis: Es wird auf absehbare Zeit kein elektronisches Verfahren geben, das das Abstempeln der grünen Ausfuhrkassenzettel durch deutsche Zöllner überflüssig macht und das den bürokratischen Aufwand der Mehrwertsteuerrückerstattung an Schweizer Kunden für den Handel reduziert. Die Pläne für die Automatisierung der Abläufe kommen nicht voran. Die Zollverwaltung reagiert nun mit einer Zwischenlösung. Es soll drei zusätzliche Stempelstellen geben. Eine davon könnte in Konstanz eingerichtet werden.
Schweizer Kunden dürfen sich als Nicht-EU-Bürger mithilfe eines Zollstempels auf den grünen Ausfuhrkassenzetteln die Mehrwertsteuer auf private Einkäufe in Deutschland rückerstatten lassen. Das Verfahren ist für die Händler mit Arbeit verbunden und es produziert Staus an den Grenzübergängen, wenn die Schweizer sich auf der Heimfahrt den Zollstempel besorgen. Allein Beamte des Hauptzollamtes Singen haben 2016 mehr als elf Millionen Ausfuhrkassenzettel abgestempelt. Bereits seit Jahren besteht die Absicht, ein elektronisches Verfahren einzuführen. Doch auch die neue deutsche Generalzolldirektion, die Anfang 2016 die Regie für das Projekt übernahm, hat keinen sichtbaren Schwung in das Projekt gebracht. Claudius Marx, der Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, zeigt ein gewisses Verständnis für die Verzögerungen. Die Sache sei kompliziert, sagt er. Die Wirtschaftskammer vom Bodensee fungiert für die Generalzolldirektion als Bindeglied zum Handel.
Marx verweist auf den hohen Abstimmungsbedarf. Der Handel und die Kunden müssten die technische Lösung ja auch annehmen. "Die technische Lösung darf kein Überraschungspaket werden", sagt Marx. Die Kammer überlege, in Eigeninitiative Schweizer Einkäufer zu befragen.
Um kurzfristig Staus und Warteschlangen zu verkürzen, setzt der deutsche Zoll auf den Einsatz von mehr Personal und die Einrichtung sogenannter Stempelpunkte, die ein stückweit vor dem Grenzübergang eingerichtet werden. Für den Zuständigkeitsbereich der beiden Hauptzollämter Singen und Lörrach hat die Behörde nach Angaben des Singener Zollsprechers Michael Hauck 49 neue Mitarbeiter eingestellt. Für Schweizer Kunden, die den neuen Service in Anspruch nehmen wollen, besteht ein Limit: Gestempelt werden nur Belege bis maximal 275 Euro. Wer Waren von höherem Wert eingekauft hat, muss doch bei der Zollstelle am Grenzübergang vorsprechen. Die Hilfskräfte sollen an den neuen Stempelstellen eingesetzt werden. Eine der Stationen wurde zu Monatsbeginn in Küssaberg bei Waldshut eröffnet. Über die Standorte zweier weiterer geplanter Stempelpunkte will die Zollverwaltung derzeit keine Auskunft geben. Zollsprecher Hauck stellte lediglich in Aussicht, dass der neue Service in den nächsten Monaten eingerichtet werden soll.
Bei der IHK geht man davon aus, dass eine der neuen Abfertigungsstellen in Konstanz angesiedelt wird. Vom großen Parkplatz an der Bundesstraße 33 nahe der Europabrücke ist die Rede. Die Zollverwaltung stellte nur ganz allgemein klar, man sei nicht auf ein festes Gebäude angewiesen, man könne auch Container aufstellen.
Widerstand formiert sich
Während der Einzelhandel in Deutschland von den Einkaufstouristen aus dem Nachbarland profitiert, büßt der Schweizer Handel Umsatz ein. Dabei soll es in der Summe um Schweizer-Franken-Beträge in Milliarden-Höhe gehen. Medienberichten zufolge will sich der Schweizer Einzelhandel nun gegen den Einkaufstourismus nach Deutschland wehren. Demnach hat die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz gefordert: Wer in Deutschland die Mehrwertsteuer erstattet bekommt, soll sie in der Schweiz zahlen müssen. Der Interessengemeinschaft gehören unter anderem die Handelsunternehmen Migros und Coop an.