Kalt war es, bitterkalt sogar. Beim gewaltigen Protestzug der Landwirte zu Wochenbeginn quer durch den Landkreis herrschten Minusgrade. Aber einen echten Landwirt schreckt das nicht ab. Im Gegenteil: Mehr als 600 Menschen auf knapp 500 Traktoren machten ihren Ärger über die angekündigten Sparmaßnahmen der Bundesregierung im Agrar-Bereich bei der Kundgebung in Mühlhausen-Ehingen Luft. Hemdsärmelig, und dies ist bei Leibe keine Beleidigung, trotzten sie der Kälte und stellten sich als gesamte Berufsgruppe den aus ihrer Sicht fatalen Entscheidungen aus Berlin entgegen.
Ein Teilnehmer eines Protestes in Stuttgart hatte seine Botschaft sehr wörtlich genommen: Bis aufs letzte Hemd wolle die Regierung die Landwirte in Deutschland geißeln, stand auf dem Plakat seines Traktors. Oberkörperfrei, nur mit Schal und Mütze, fuhr er auf einem offenen Traktor vor, um seine Botschaft zu stärken. Das Bild ging durch die sozialen Netzwerke. Bereits am Rande des Protestes im Hegau waren sich die meisten Landwirte dabei einig: Die Aktion sorgt für Aufmerksamkeit, aber auch Nebeneffekte. „Den braucht ihr diese Woche nicht mehr interviewen wollen, der hat die dickste Erkältung, aber das ist Einsatz“, vermuteten sie.
Ein Sponsor, viele Mützen
Deutlich wärmer geht es in den Rathäusern im Hegau zu. Dort herrschen Arbeitsbedingungen, die durchaus auszuhalten sind. Mindestens 19 Grad sollten es dort sein, wie zuletzt durch die Sparmaßnahmen während der Energiekrise deutlich wurde. Wahrscheinlich sind es dann doch etwas mehr Umdrehungen an der Heizung. Aber wehe, wenn die Bürgermeister einmal ihr Rathaus im Winter verlassen müssen. Dann wird es kalt, bitterkalt sogar. Selcuk Gök (Tengen), Patrick Stärk (Mühlhausen-Ehingen) und Holger Mayer (Hilzingen) können davon ein Lied singen, sie alle waren zum Protestzug ohne Mützen erschienen.
Wie wertvoll die Bauern abseits von Milch, Getreide und Gemüse dann tatsächlich sind, haben die Bürgermeister erfahren: Dicke Mützen lieferte die ZG Raiffeisen, als Hersteller und Vertreiber von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen beim Protest natürlich auf Seiten der Landwirte, damit die Unterstützer aus dem Rathaus nicht frieren mussten. Denn bekanntlich weiß ja jeder: Die meiste Wärme geht über den Kopf verloren, aber man lernt – auch als Bürgermeister – nie aus. Frank Harsch (Engen) war dann doch ein bisschen besser vorbereitet und kam mit eigener Mütze. Aber auch dies ist kein Wunder, schließlich ist er nach eigener Aussage selbst Hobby-Landwirt und kennt es, draußen zu arbeiten. Zumindest in seiner Freizeit.