Wer am Montag nach den Weihnachtsferien mit dem Auto zur Arbeit fahren will, sollte voraussichtlich etwas mehr Zeit einplanen. Ausnahmeweise ist es nicht die Bahn, die für Chaos im täglichen Berufsverkehr sorgt, sondern die Bauern.

Aus Missmut über Kürzungen beim Agrardiesel machen die Landwirte mobil. Mit ihren Treckern wollen sie den Verkehr, an wichtigen Stellen im Land lahm legen. Allein im oberschwäbischen Ravensburg werden zu einer Sternfahrt Tausend Trecker erwartet. In Norddeutschland haben aufgebrachte Landwirte in der vergangenen Woche versucht, die Fähre eines Bundesministers zu entern.

Um es kurz zu sagen: Die Reaktion der Bauern auf die angedrohten Kürzungen gehen am Ziel vorbei. Die Landwirte müssen aufpassen, dass sie durch eine unverhältnismäßige Eskalation des Protests nicht den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren.

Bauern profitieren vom Boden-Boom

Denn den Landwirten in Deutschland geht es wirtschaftlich gesehen derzeit nicht schlecht. Als Grundbesitzer gehören sie zu den Profiteuren des jahrelangen Bodenpreisbooms in Deutschland.

Unbekannte haben das Ortsschild von Harthausen umgedreht und einen Schuh an das Schild gehängt. Bauern setzen in Winterlingen ...
Unbekannte haben das Ortsschild von Harthausen umgedreht und einen Schuh an das Schild gehängt. Bauern setzen in Winterlingen (Zollernalbkreis) ein Zeichen des Protests gegen die geplanten Kürzungen der Subventionen für die Landwirte durch die Ampel-Koalition. | Bild: Thomas Warnack, dpa

Außerdem blickt die Branche auf Jahre steigender Nahrungsmittelpreise zurück. Grund ist der Ukrainekrieg und damit eine massive Verknappung von Agrargütern. Auch das hat die Kassen der Betriebe seit Ausbruch des Kriegs vor zwei Jahren gefüllt. Statistisch gesehen nimmt das Einkommen der Bauern auch über längere Zeiträume inflationsbereinigt zu.

Nicht jeder Hof steht gut im Futter

Klar ist aber auch: Bauer ist nicht gleich Bauer. Wer auf immer teurer werdenden gepachteten Böden wirtschaftet hat nichts vom Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln, sondern zahlt sogar drauf. Wer Schweine halten will, für seinen Stall aber keine Genehmigung erhält, hat ein Problem. Und wer Obst oder Gemüse züchtet, für das demnächst das einzige Spritzmittel verboten werden soll, dem geht es ähnlich.

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Und es gibt ein strukturelles Problem. Die rund 550.000 Höfe in Deutschland stehen einer hoch zentralisierten Ernährungswirtschaft gegenüber, die ihre Produkte wiederum an einige dominierende Einzelhandelsketten verkauft.

Das Ungleichgewicht hat dazu geführt, dass über die Jahre vom Anstieg der Lebensmittelpreise ein immer kleinerer Teil bei den Höfen hängenbleibt. Wenn die Waren im Supermarkt teurer werden, halten also nicht zuerst die Bauern die Hand auf, sondern die verarbeitende Industrie und der Handel.

Bauernverband sollte an anderen Fronten kämpfen

Wenn der Deutsche Bauernverband jetzt also massiv gegen eine Streichung von Subventionen mobilisiert, deren Wirkung für die Mehrzahl der Betriebe verkraftbar ist, muss er sich fragen lassen, ob er sein Gewicht nicht besser an anderer Stelle in die Waagschale hätte werfen sollen.

Denn anders als beim Agrardiesel und der Steuerbefreiung für Traktoren geht es im Lebensmittelmarkt um hohe Milliardenbeträge jedes Jahr.

Über den Kopf entschieden? Der Bauernfrust sitzt tief

Dass der Frust bei den Bauern zum Jahresbeginn so tief sitzt kann daher nicht an den jüngsten Streichungen liegen. Der Beweis ist, dass sie ja schon Großteils zurückgenommen wurden, die Landwirte aber weiter protestieren.

Vielmehr fühlen sich die Bauern von der Politik zunehmend gegängelt und nicht wertgeschätzt. Sind nicht sie es, die jeden Tag dafür sorgen, dass die Regale in den Supermärkten voll sind? Sind es nicht die Bauern, die ein vitales Eigeninteresse an sauberen Böden und gutem Wasser haben? Warum müssen sie sich dann mit einer Pflanzenschutz-Regulierung hrumschlagen, die sogar Vertreter von Umweltvebänden als „vom Praktikanten gemacht geißeln“? Warum werden im Tierwohl Standards gesetzt, die anderswo in der EU nicht eingehalten werden und dazu führen, dass sich die Produktion in andere Länder verlagert.

Wie in anderen Politikfeldern auch, ist es die Widersprüchlichkeit und die mangelnde Umsetzung der großen Leitlinien der Politik, die die Landwirte eigentlich auf die Palme bringt. Damit haben sie sogar recht.