Wenn sie als Jugendliche von ihrem Berufswunsch erzählte, habe der ein oder andere sie ausgelacht, erzählt Maria Brendle. Denn sie wollte Filme machen. „Manche haben gesagt, dass ich das nie schaffen werde. Wer lacht jetzt?“, sagt sie lachend, ohne gehässig zu sein. Die 38 Jahre alte Regisseurin aus Mühlhausen-Ehingen hat allen Grund zur Freude: Sie ist mit ihrem Werk „Ala Kachuu – Take and Run“ für den Oscar nominiert. Also für den höchsten Preis der Filmbranche, der jährlich von der Academy of Motion Pictures in Los Angeles verliehen wird. Diese Nachricht sei für sie immer noch unglaublich, erzählt sie kurz nach der Bekanntgabe. Denn sie habe zwar immer für ihren Film gekämpft. Doch wer hätte gedacht, dass am Ende des langen und mühsamen Weges der wichtigste Preis der Filmbranche stehen könnte?
Auch Shortlist war schon ein riesiger Erfolg. Doch es geht noch weiter
Was bei Olympia gilt, kann bei den Oscar-Verleihungen nicht verkehrt sein. Dabei sein ist alles, sagt Maria Brendle. Noch am Dienstagmorgen habe sie versucht, die blank liegenden Nerven zu beruhigen: Selbst wenn ihr Film nicht nominiert werden sollte, sei die sogenannte Shortlist mit den 15 besten Kurzfilmen des Jahres bereits ein riesiger Erfolg. Sie habe lange überlegt, ob sie die Übertragung der Nominierung lieber alleine ansehen möchte – damit sie sich im Zweifelsfall erstmal alleine von ihrem Traum verabschieden könne. „Aber ich bin zum Beispiel mit meiner Produzentin Nadine Lüchinger über Jahre gemeinsam den ganzen harten Weg gegangen, daher war klar, dass wir das zusammen gucken müssen.“
Also verfolgte sie in der Produktionsfirma Filmgerberei in Zürich, wie die Moderatoren „Ala Kachuu – Take and Run“ vorlasen. „Dann stand mein Telefon nicht mehr still. Ich habe noch längst nicht alle Nachrichten gelesen“, erklärt die Regisseurin nach einer sehr kurzen Nacht. Zeit zu feiern sei aber noch nicht gewesen. „Es wird auch keine ausschweifende Party sein, denn ich muss ja fit sein.“ Das bereits seit Monaten andauernde Rennen um den Filmpreis gehe weiter. Die nächsten Schritte sind Flüge buchen, Kleid kaufen und das Laufen auf hohen Schuhen üben.

Dreharbeiten ohne Wasser, Strom und Handyempfang
Maria Brendle erinnert sich noch lebhaft an all die Herausforderungen, die sie und das bis zu 80-köpfige Team für ihren Film gemeistert haben. Beim Dreh in Kirgistan hätten sie teilweise ohne fließendes Wasser, ohne Strom und ohne Handyempfang gearbeitet. „Wir hatten Glück, dass das vor der Pandemie war, denn sonst wäre der Dreh unmöglich gewesen“, sagt die Regisseurin.

Corona erschwerte den Start des Filmprojekts
Nachdem ein Freund ihr von der Tradition des Brautraubs erzählt hatte, wollte sie mit einem Film auf das Thema aufmerksam machen. Auch dank Fördergeldern und Crowdfunding konnte sie das Projekt umsetzen. Fertig war der Film zu Beginn der Pandemie, als die so wichtigen Filmfestivals meist wenn überhaupt nur online stattfanden. Dennoch erreichte der Film schon 43 Preise bei über 60 Festivals. Einige davon qualifizierten den Film für die Academy Awards.
Normalerweise wäre sie jetzt schon in Los Angeles, sagt die 38-Jährige. Doch wegen der Pandemie finde vieles noch online statt. Nachdem die Oscars 2021 in einem kleineren Rahmen vergeben wurden, könne sie dieses Jahr aber auf eine weitgehend normale Verleihung hoffen. Wer sie dahin begleiten wird, stehe noch nicht ganz fest: „Es gibt viel mehr Leute als Tickets“, bedauert sie. Dabei hätten sie in den vergangenen Jahren so viele Menschen wahnsinnig unterstützt. Ihre Eltern hätten die Nominierung beispielsweise in ihrer Praxis live verfolgt – und einen Freudenschrei ausgestoßen, dass die Tochter tatsächlich so weit gekommen ist.
Bald sollen noch viel mehr Menschen den Film sehen können
„Man darf nie aufhören zu träumen“, sagt die Regisseurin kurz nach ihrem bisher größten Erfolg. „Im Nachhinein klingt es jetzt vielleicht, als wäre es einfach gewesen, aber ich habe viel dafür gekämpft. Und ich musste durchhalten.“ Das sei auch eine Botschaft ihres Films, den in der Heimat bisher nur wenige Menschen sehen konnten. „Ich hätte längst eine Vorführung organisiert, wenn es wegen Corona nicht so schwierig wäre“, sagt die Mühlhausenerin.
Doch die Oscar-Nominierung könnte neue Wege ebnen: „Der Film hat jetzt viel mehr Chancen, gezeigt zu werden.“ Manch ein Fernsehsender zeige auch Kurzfilme – und wenn es mitten in der Nacht ist. Außerdem könnte „Ala Kachuu – Take and Run“ auf Abruf zur Verfügung gestellt werden.

In greifbarer Nähe und doch irreal
Noch sei es ein sehr irrealer Gedanke, dass ihr Kurzfilm tatsächlich den Oscar gewinnen könnte, sagt Maria Brendle. „Ich werde mein Leben lang eine Oscar-nominierte Regisseurin sein, das muss ich erstmal realisieren.“ Und vielleicht heißt es auch Ende März wieder: Wer hätte das gedacht.
Der Film „Ala Kachuu – Take and Run“ hat zwar eine deutsche Regisseurin, aber eine schweizerische Produktionsfirma und gilt deshalb als Schweizer Oscar-Hoffnung. Wer die Kampagne unterstützen möchte, findet Informationen online unter www.alakachuu.com