Sie sind Zwillingsbrüder und arbeiten beide erfolgreich im Filmgeschäft. Zufall?
Pepe: Zufälle gibt es nicht. Es gibt einerseits die genetischen Einflüsse für uns beide, aber wir sind natürlich auch zusammen aufgewachsen. Da haben wir auch ähnliche Einflüsse gehabt.
Didi: Ganze Generationen sind den Rolling Stones hinterhergelaufen, sogar ohne miteinander verwandt zu sein. Das waren eben die gesellschaftlichen Zeitläufte.
Was wäre denn die Alternative zum Filmgeschäft gewesen?
Didi: Ich habe noch in Singen eine Handwerkslehre als technischer Zeichner gemacht. Vielleicht wäre ich jetzt Ingenieur für Heizungstechnik. Gott sei Dank kam es anders, denn ich ging nach Berlin. In der Großstadt bin ich aufgewacht. Dann kam ich nach Freiburg, weil ich politische Filmarbeit machen wollte.
In Freiburg waren Sie beide seit Ende der 1970er-Jahre Teil der Medienwerkstatt Freiburg. Wie hat man sich das vorzustellen?
Didi: Wir wollten in einer Gegenöffentlichkeit arbeiten, unter anderem nach Theorien von Walter Benjamin und Hans Magnus Enzensberger.
Pepe: Und die Radiotheorie von Bertolt Brecht gehörte auch dazu.
Didi: Da kam uns zu Hilfe, dass das Medium Video genau in dieser Zeit handtauglich wurde. Man brauchte keinen großen Apparat mehr, um damit zu arbeiten, und es wurde finanzierbar. Die Medienwerkstatt hat angefangen, einen gegenöffentlichen Informationskanal aufzubauen. Es war ja eine andere Zeit, in der noch nicht jeder Videos mit dem Handy machen konnte.

Aber ist es nicht gut, dass inzwischen jeder mit dem Handy Videos aufnehmen kann?
Pepe: Ursprünglich war das eine Vorstellung von idealer Demokratie, jeder ist ein Autor. Aber jetzt, wo das möglich ist, wurde es von einer Selfie-Kultur abgelöst, von reiner Selbstdarstellung. Man ist ja eigentlich nur noch an einen Ort gereist, wenn man dort ein Selfie gemacht hat. Die ideale demokratische Vorstellung wurde durch den neoliberalen Markt im Prinzip zerstört.
Was ist Ihnen bis heute von der Medienwerkstatt Freiburg geblieben?
Pepe: Für uns beide war es eine entscheidende Zeit. Wir waren die Augen und Ohren unter anderem der Hausbesetzer und der Anti-Atomkraft-Szene. Finanziert haben wir uns anfangs über BAföG, studiert eher nebenbei. Und wir waren im Kollektiv sieben Leute und ein Kind. Da hatte niemand eigenes Geld, sondern alles floss in die Kasse des Kollektivs. Wir waren unabhängig von Geldgebern und haben gedreht wie die Irren, jeden Tag auf der Straße.
Didi: In den zehn Jahren haben wir eigentlich das Handwerk gelernt, mit dem wir ins Filmgeschäft einsteigen konnten. Anfangs haben wir auch die Filme kollektiv gezeichnet. Erst später kam es zum Bruch, als einzelne eine Ästhetik vertreten wollten, die nicht mehr kollektiv vertreten werden konnte. Die Auflösung begann eigentlich mit Pepes Abgang, dem ich auch folgte. Parallel zur Entwicklung als Kollektiv hatten wir damals übrigens weiter Verbindungen in die Heimat. Wir haben uns relativ eng mit der Gems verbunden gefühlt, die damals noch in Arlen war, und waren oft im Hegau zu Gast. Dort gab es andere Einflüsse als in Freiburg. Aus dieser Verbindung entstand auch die Idee für ein kommunales Kino hier in Singen.
Pepe: Politisiert wurden wir aber schon vor der Freiburger Zeit in Singen. Da waren wir dann mit den blauen Bänden der Marx-Engels-Gesamtausgabe im Aachbad und haben mit den Älteren diskutiert, die schon studiert haben.
Ist das Kino auch in Zeiten der Streaming-Dienste das Maß der Dinge, was Filme angeht?
Didi: Wenn Sie mich als 66-Jährigen fragen, würde ich klar Ja sagen. Zum Film gehört einfach der dunkle Raum.
Pepe: Auf jeden Fall braucht es den Kunstraum Kino, und auch das Gemeinschaftserlebnis ist nicht zu ersetzen. Deswegen war ich mit meinem aktuellen Film „Vor mir der Süden“ auch nicht bei digitalen Festivals, obwohl ich angefragt wurde. Ich wollte einfach nicht, dass der Film erstmals auf lauter vereinzelten Computerbildschirmen das Licht der Öffentlichkeit erblickt.
Sie haben beide keine Hochschulausbildung für das Filmgeschäft, arbeiteten aber schon früh in der Lehre für angehende Filmschaffende. Wäre ein Weg in den Beruf, wie Sie ihn hatten, heute noch möglich?
Beide: Nein.
Was ist besser, autodidaktisch oder mit Ausbildung?
Pepe: Ein besser oder schlechter gibt es da nicht. Heute ist es aber schon ein Vorteil, fünf Jahre geschützt in der Hochschule zu sein. Professoren sind wir übrigens beide an Kunsthochschulen. Wir bilden nicht in erster Linie für den Markt aus, sondern wir bilden Künstler aus.
Didi: Was wir damals in einer offenen Gesellschaft hatten, einen geschützten Raum, in dem ein künstlerisches Bewusstsein wachsen kann, muss man heute an einer Kunsthochschule herstellen. Diese stehen ja im Gegensatz zur Kommerzialisierung, bei der es bekanntlich ja um den Mainstream geht. Da fordert die Medialisierung der Gesellschaft ihren Tribut.
Didi Danquart, Sie schreiben in Ihrem Lebenslauf, dass Sie in Ihrer Kindheit intensiv Comics studiert haben. Was ist davon geblieben?
Didi: Das stimmt, unsere Großmutter hatte einen Kiosk in der Ekkehardstraße und immer donnerstags kamen die neuen Comics. Ich würde sagen, sie sind die Grundlage meiner filmischen Neugier. Comics funktionieren schließlich ein bisschen wie Storyboards. Eigentlich habe ich meine filmische Affinität also der Großmutter zu verdanken. Und zuletzt habe ich Comic-Bilder in dem Film Goster verwendet.
Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Pepe: Gerade habe ich den Dokumentarfilm „Vor mir der Süden“ herausgebracht, in dem ich die Reise von Pier Paolo Pasolini rund um den italienischen Stiefel nachfahre und Italien heute beobachte. Und in Arbeit ist ein Film über Daniel Richter, einen Künstler aus der Generation von Neo Rauch. Das ist auch eine Auseinandersetzung zwischen Bewegtbild und Malerei. Der Dreh hat schon angefangen und ich arbeite hier in Italien schon mit dem Cutter daran, auch wenn noch nicht fertig gedreht ist.
Didi: Das aktuellste Projekt ist das Drehbuch einer Migrationsgeschichte, welche in Luxemburg spielt. Und dann recherchiere ich noch zwei Stoffe, die aber noch eher unkonkrete Ideen sind. Einerseits geht es um Klaus Mann und seinen Biografen Fredric Kroll, andererseits um ein Projekt aus Österreich, das auch zu meiner persönlichen Familiengeschichte und Erinnerungskultur gehört.
Didi Danquart, Sie haben auch Tatort- und Soko-Krimis gedreht. Macht das eigentlich Spaß?
Didi: Das macht Spaß, ist aber keine Kunst. Ich habe es trotzdem immer gerne gemacht, weil man sich einfach mit dem Erzählen auseinandersetzen kann.
Pepe Danquart, Sie haben 1994 den Oscar gewonnen. Gab es für Sie ein Leben davor und eines danach?
Pepe: Ja, das kann man auf jeden Fall als Bruch bezeichnen. Jahrelang habe ich im Verborgenen gearbeitet, dann war ich auf einmal auf der Titelseite der Bild-Zeitung. Danach bin ich erstmal zwei Jahre in den Krieg ins zerfallende Jugoslawien gegangen, um einen Film zu machen, weil ich es hier nicht mehr ausgehalten habe. Die Auszeichnung hat aber auch vieles einfacher gemacht. Ich konnte Projekte machen, die mir wirklich am Herzen lagen.
Würden Sie jungen Menschen empfehlen, ins Filmgeschäft zu gehen?
Pepe: Meine Studenten frage ich immer, ob sie es sich auch gut überlegt haben. Die Arbeit ist nicht nur der Glamour, sondern sehr vielseitig und aufregend. Es ist ein toller Beruf, wenn man nicht unbedingt verlässlich sein Gehalt am Ende des Monats braucht. Aber nur etwa fünf Prozent der Leute schaffen es.
Didi: Wir haben uns damals nicht gefragt, wie wir davon leben wollen. Keiner, der künstlerisch tätig sein will, denkt über die Rente nach. Wenn man merkt, dass man es im Kinofilm nicht schafft, wird man einen anderen Weg einschlagen. Insofern müsste die Frage anders gestellt sein. Nicht, ob man die Arbeit im Filmgeschäft empfehlen kann, sondern: Ist es Ihr Traum, der nächste Scorsese zu werden? Und dessen Film „Taxi Driver“ war für mich sicherlich das Vorbild für ein mögliches Berufsbild...