Einer der berühmtesten Comic-Prologe der Welt lässt sich aus der Asterix-Reihe entnehmen: „Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten“. Die ehemalige Vorsitzende, nun Beirätin der Höri-Grünen, Gaby Schneider, bemühte auf deren jüngsten Hauptversammlung in der Causa ‚Freiwillig Tempo 30‘ die Metapher mit dem gallischen Dorf.
Landratsamt will die Schilder weg haben
Als Eindringling ist wohl das Landratsamt Konstanz zu werten. Laut Schneider sei es mit schweren Geschützen und der Androhung hoher Strafen gegen die „Freiwillig Tempo 30“-Schilder auf den Privatgrundstücken der Höri sowie gegen deren Eigentümer vorgegangen. Die „Unbeugsamen“ unter ihnen strengten nun mit der Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) eine Feststellungsklage gegen den vom Landratsamt Konstanz angekündigten Verwaltungsakt an. Die Causa liegt zur Klärung dem Verwaltungsgericht in Freiburg vor. Der Rechtsanwalt der DUH, Remo Klinger, übernahm das Mandat der Höri-Bürger.
Das Schild sieht zu sehr wie ein echtes Schild aus
Ein Schreiben des Landratsamts vom 2. Juli an einen Grundstücksbesitzer formuliert zunächst mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung eine Bitte um Abbau der Phantasieschilder bis zum 17. Juli. Dieser Bitte folgt der Hinweis auf die Einleitung eines Verwaltungsakts, der ein deutliches Zwangsgeld vorsehen würde, wenn die Schilder nicht beseitigt werden.
Laut dem Amt für Straßenverkehr und Verkehrslenkung, Verkehrsleitung und -sicherung gleiche das „Freiwillig Tempo 30“-Schild den Verkehrs- und Zusatzzeichen aus der StVO. Derartige Schilder würden die Wirksamkeit amtlicher Verkehrszeichen schmälern und sich unmittelbar auf das Verkehrsverhalten des motorisierten Individualverkehrs auswirken, so das Landratsamt in Konstanz.
Schilder sind Ausdruck des Bürgerwillens
Die ‚Freiwillig Tempo 30‘-Schilder auf der Höri begreift Gaby Schneider, hingegen als einen Ausdruck eines Bürgerwillens, wenn die Politik, die Bürgermeister und das Landratsamt immer wieder mit dem Verweis auf das Landesstraßenrecht und dem Hinweis auf das Stören des Verkehrsflusses untätig bleiben würden. Nach der Androhung von Zwangsgelder holten sich die Höri-Grünen Unterstützung bei der DUH. Mit einem der besten Verkehrsanwälte Europas könne nun die Umwelthilfe einen Präzedenzfall für die gesamte Bundesrepublik schaffen, sagte Schneider überzeugt. Drei Bürger nahmen die Rechtshilfe der DUH in Anspruch und gingen als Kläger gegen das Landratsamt vor.
Gesetze sind für Autos gemacht, so der Vorwurf
Folge man den Schriftstücke aus der Korrespondenz, so beziehen sich die Argumentationen auf Gesetzeslagen, die auf die 1980er Jahre zurück gehen, in der es um den Autoverkehrsfluss und nicht um die Gleichberechtigung von Verkehrsteilnehmern und dem Schutz vor Gesundheit gehen würde, so Gaby Schneider. Aus der kleinen Geschichte von der Höri habe die DUH nun die Kampagne „für immer unter 30“ mit Friedrich Lichtenstein als Flaneur für lebenswerte Städte gestartet. „Da sind wir stolz drauf“, so Schneider über die „große politische Kiste“, die von der Höri ausgehen würde. Es sei in etwa so, wie das gallische Dorf.
Es geht um Klarheit, nicht um Streitsucht
Die Umwelthilfe habe die Aktion als zivilgesellschaftliches Engagement gut gefunden. Deren Erachtens gebe es rechtlich keine klare Vorgeben, wie die „Freiwillig Tempo 30“-Schilder ausgelegt werden müssten. Das Landratsamt könne es weich oder hart auslegen, so Schneider. Damit es verbindliche und klare Vorgaben gibt, habe die DUH den Rechtsweg gesucht. Es gehe dabei nicht um Streitsucht, sondern um Klarheit – auch für die Landratsämter.
Beim Präzedenzfall werden die Kläger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützt. Deren Rechtsanwalt, Remo Klinger, übernahm den Rechtsbeistand der betroffenen Bürger auf der Höri. Der Anwalt ist kein Unbekannter auf dem juristischen Parkett. Im April 2021 erwirkte er beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht einen Beschluss, der den Klimaschutz stärkte, indem es Teile des Klimaschutz-Gesetzes der ehemaligen Bundesregierung für unzureichend erklärte. Nun übernahm Remo Klinger das Mandat für die Bürger der Höri.
Renommierter Anwalt fertigt Gutachten an
Im Auftrag der DUH fertigte er auch ein Gutachten über die rechtliche Zulässigkeit für die „Freiwillig Tempo 30“-Schilder an. In dem Rechtsgutachten überprüft er, ob (und wenn ja, unter welcher Voraussetzung) Schilder mit einer Aufforderung für eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometer rechtmäßig seien sowie mit strafrechtlich relevanten Beständen.
In seinem Rechtsgutachten kommt Klinger zu dem Schluss, dass schon heute die Möglichkeit bestehe, die Verbreitung von Tempo 30 durch „Freiwillig Tempo 30“-Schilder auszuweiten – auch wenn eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30 Innerorts (noch) nicht gesetzlich festgeschrieben sei.
Bürger hat ein recht auf Überprüfung der Gesetzeslage
„Wenn eine Behörde meint, dass das, was die Bürger tun rechtswidrig sei, so hat der Bürger das Recht darauf, es gerichtlich überprüfen zu lassen“, so Remo Klinger im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Deshalb hätten sie mit einer Feststellungsklage reagiert.
Auf den Präzedenzfall-Charakter angesprochen, führte Klinger aus, dass es in dieser Art bisher keine Gerichtsentscheidung gegen eine Behörde geben würde. Es könne zwar sein, dass eine Behörde in Deutschland bei den „Freiwillig Tempo 30“-Schildern in gleicher Form vorgegangen sei, so der Anwalt: Doch wenn ein Bürger dies akzeptiert hätte, dann erfahre er natürlich nichts davon.