Während die Sonne derzeit unerbittlich vom Himmel brennt und die Ferienzeit lockt, herrscht auf den Feldern der Region emsige Betriebsamkeit: Bereits seit einigen Wochen ist für die Landwirte die stressigste Zeit des Jahres angebrochen: die Ernte. Sie steht in diesem Jahr vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und seiner Folgen sowie anhaltender Wetterextreme unter ganz besonderen Vorzeichen.
Verfrühte Ernte in diesem Jahr
Die gute Nachricht zuerst: Zumindest für viele Getreidesorten war das Wetter um den Bodensee und im Hegau in diesem Jahr ideal, berichtet Karl-Heinz Mayer, Kreisverbandsvorsitzender Überlingen-Pfullendorf beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV), im Rahmen eines Pressegesprächs auf dem Lindenwirts-Hof von Martin Joos in Orsingen.
Für Joos und einige seiner Kollegen ist deshalb bereits Sichelhenke. Das heißt, die Ernte ist komplett eingefahren. Deutlich früher als in anderen Jahren. „Gerade Wintergerste haben wir selten so gut geerntet wie dieses Jahr. Dem Weizen hat am Schluss allerdings ein bisschen das Wasser gefehlt. Das wirkt sich negativ auf den Eiweis-Gehalt aus“, erklärt Martin Joos. Der Eiweis-Gehalt sei allerdings entscheidend für die Backfähigkeit des Weizens.

Andere Landwirte im Landkreis warten indes noch auf den Mähdrescher. Auf dem Lauterbachhof in Tengen-Uttenhofen bei Stefan Leichenauer, BLHV-Kreisvorsitzender Konstanz, war der Weizen zum Zeitpunkt des Pressegesprächs noch nicht erntereif. „Da sieht man, wie groß die Unterschiede in der Landwirtschaft schon allein auf einer kleinen Fläche wie dem Landkreis Konstanz sein können“, sagt er.
„Insgesamt sind wir hier immer noch in einer guten Lage im Vergleich zum Rest der Republik“, betont Karl-Heinz Mayer. In anderen Teilen Deutschlands sei zum Teil mit nahezu Totalausfällen bei der Ernte zu rechnen. „Man merkt einfach, dass wir immer mehr Extremwetterlagen haben.“ Joos stimmt zu. Selbst in anderen Regionen Baden-Württembergs gebe es Äcker, die aufgrund der Trockenheit eher die Beschaffenheit eines Sandkastens aufweisen, berichtet der junge Landwirt besorgt.
Mais ist in einer sensiblen Phase
In der Grünlandwirtschaft steht eigentlich der nächste Schnitt der Wiesen an, doch auch hier macht sich die Trockenheit bemerkbar. Das Gras, das als Futter für die Tiere verwendet werden soll, ist nicht ausreichend gewachsen. „Wie die Maisernte aussehen wird, ist auch noch spannend“, betont Maier. Die Pflanzen seien gerade in einer sensiblen Phase und das Wetter in den kommenden Wochen werde entscheidend für dessen Entwicklung.
Für Maier ist klar: „Wir müssen sinnvolle Lösungen für die Zukunft finden.“ Seiner Meinung nach müssten mehr Regenrückhaltebecken gebaut werden, die das kostbare Nass bei Starkregenereignissen aufnehmen, damit die Gefahr für Überschwemmungen entschärfen und bei Trockenheit als Reservoir für eine künstliche Acker-Bewässerung herangezogen werden können. „Unser Kernthema für die Zukunft wird sein, wie wir die Niederschläge intelligent nutzen können“, betont er.

Haben wir also auch nächstes Jahr genug zu essen? Ein klares Ja, kommt auf diese Frage von Karl-Heinz Mayer. „Das liegt in erster Linie daran, dass wir reich genug sind, um im Zweifel auch Lebensmittel zuzukaufen. Verhungern muss in Deutschland keiner“, sagt Mayer.
Holger Stich, BLHV-Bezirksgeschäftsführer, merkt in diesem Zusammenhang aber an, dass die Lage global gesehen eine andere ist: „Weltweit wird es Auswirkungen geben, auch wenn wir Zukaufen können. Insgesamt betrachtet wird es mehr Hunger auf der Welt geben.“

Doch wie sieht die finanzielle Lage für die Landwirte aus? Nach Kriegsausbruch beschäftigte sie die Preisexplosion für Diesel und Dünger. Sie sind also mit hohen Kosten in Vorleistung gegangen. „Eine Tankfüllung für einen modernen Schlepper kann bis zu 1000 Euro kosten und reicht mitunter nur anderthalb Tage“, rechnet Karl-Heinz Mayer vor. Kann sich das unter dem Strich noch lohnen?
Hälfte der Schweinemastbetriebe musste kapitulieren
Andreas Deyer zeigt sich optimistisch: Auch wenn die Getreidepreise in den letzten Wochen wieder im Schnitt um 100 Euro pro Tonne gefallen seien, sehe es im Moment so aus, dass man unter dem Strich zumindest nicht schlechter fahre als vor der Krise.
Was Obst und Beeren anbelangt seien die Erträge eigentlich gut, allerdings sei der Markt dieses Jahr durch Importe aus dem Ausland überschwemmt worden, was die Preise nach unten gedrückt habe. Wie Deyer berichtet hätte dies beispielsweise bei den Kirschen dazu geführt, dass die Ernte gar nicht mehr rentabel gewesen sei.
Auch in der Schweinemast sei die Lage aufgrund niedriger Fleischpreise und hoher Futterkosten katastrophal. „Ungefähr die Hälfte der Schweinemastbetriebe im Landkreis Konstanz musste innerhalb des vergangenen Jahres aufgeben, weil sie nicht mehr rentabel arbeiten konnten“, berichtet Stefan Leichenauer.