Stehen die Nachrichten über einen Betrugsfall erst einmal in der Zeitung, dann ist es zwar nicht ganz zu spät, aber die Chancen, verlorenes Geld zurückzuerhalten, sind gering. Damit es erst gar nicht so weit kommt, ist Kriminalhauptkommissarin Heidrun Angele vom Polizeipräsidium Konstanz inzwischen hauptamtlich in der Verhinderung solcher Straftaten unterwegs und klärt auf.
Die Expertin klärte die Landsenioren des Landesseniorenverbands Südbaden als Unterorganisation des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) bei einer Veranstaltung darüber auf, wie man sich vor Betrugsstraftaten schützen kann. Es gibt unterschiedliche Formen des Betrugs, welche im Zeitraum der Pandemie sogar noch zugenommen haben.
Wer steht heute noch im Telefonbuch? Mit dieser Frage stieg Heidrun Angele in den zweistündigen Vortrag im voll besetzten Saals des Schönenbergerhofes in Nenzingen in das Thema ein. Der Eintrag im Telefonbuch sei der Freifahrtschein für die Trickbetrüger, welche dieses Gewerbe professionell betreiben würden. Durch den Vornamen und eine kurze Telefonnummer könnten diese Gauner ihre Opfer bereits aus dem Telefonbuch heraus ins Visier nehmen, weil man früher andere Vornamen bekam als heute.
Zur Löschung eines Eintrags im Telefonbuch müsse man nur die Service-Hotline auf der Telefonrechnung eintippen und dann telefonisch die Löschung seines Namens im Telefonbuch verlangen. Das gehe rasch und unbürokratisch. Ebenfalls sehr unbürokratisch funktioniere auch die individuelle Kriminalprävention der Polizei, die eine kostenlose Vorort-Beratung umfasse. In der Regel würden Callcentern aus der Türkei systematisch ganze Straßenzüge oder Ortschaften abgrasen, erklärte Heidrun Angele. Die Handlanger würden deshalb bereits im Zielgebiet warten und könnten rasch zur Wohnung des Opfers fahren und Geld abholen. Die Erfolgsquote liege immer noch etwa bei 1 zu 100, also jeder Hundertste falle auf Betrüger herein.
Man solle sich keine Angst einjagen lassen. Im Schockzustand würden ansonsten auf Vorsicht bedachte kritischen Sensoren im Gehirn deaktiviert. Dies hätte zur Folge, dass man plötzlich am Telefon die Stimmen der eigenen Kinder oder Enkel höre, obwohl dies gar nicht so sei, erklärt die Kriminalhauptkommissarin. Dies würden die Betrüger rücksichtslos ausnutzen.
Heidrun Angele rät deswegen, beim Abheben des Hörers auf die Vorwahl zu achten oder schlicht wieder aufzulegen, wenn so eine Katastrophenmeldung käme. Sei sie wirklich echt, würde die in Not geratene Person sicher noch einmal anrufen. Betrüger würden schlicht die nächste Nummer tippen und es bei einem anderen Opfer versuchen, so Angele. Außerdem würden Bürger grundsätzlich niemals Anrufe von der Polizei, von Staatsanwälten, von Oberärzten, von Bankmitarbeitern oder dergleichen erhalten, wenn diese ein normales Rentnerdasein führen würden.
Die Zielgruppe der Trickbetrüger verjüngt sich: Die Betroffenen würden immer jünger, wie die Kriminalhauptkommissarin weiter erläuterte. Seien es bislang vorwiegend alleinstehende Seniorinnen gewesen, erwische es jetzt auch schon mitunter jüngere Männer. Der Schaden durch die Trickbetrüger belaufe sich auf geschätzte 120 Millionen Euro pro Jahr. 2021 hätten diese Kriminellen allein schon mit der Masche der falschen Polizisten etwa zehn Millionen Euro eingenommen und die Dunkelziffer sei sehr hoch. In Einzelfällen seien schon bis zu 100.000 Euro ergaunert worden, so Angele.
Das alles spielte sich längst nicht mehr nur am Telefon ab, sondern auch auf WhatsApp. Viele Senioren besäßen inzwischen ein Smartphone und deshalb werde der Enkeltrick auch schon über WhatsApp versucht. Heidrun Angele rät allen, Gespräche über Geld nicht über Telefon und nicht über Chats, sondern am besten direkt zu führen. Dubiose Anrufe und Chats sollten Betroffene auch immer der Polizei melden.
Eine kurze Umfrage nach dem Vortrag ergab, dass die Besucher des Vortrags künftig harte Nüsse für Trickbetrüger sein werden. Ein Zuhörer erzählte, er habe als Kind in den 1950er-Jahren mitbekommen, wie Betrüger seine Mutter um 1600 D-Mark für eine Kühltruhe geprellt hatten.