Eigentlich wollte er nur anderen Menschen helfen – doch schlussendlich fand sich ein Mann wegen Diebstahls vor dem Radolfzeller Amtsgericht wieder. Der 42-Jährige, der seit 2012 in Deutschland lebt, hatte 16 alte Autoreifen aus dem Container eines Autohauses in Radolfzell mitgenommen, um sie laut eigener Aussage umsonst in seine alte Heimat in Afrika zu schicken, wo sie noch Verwendung finden sollten.

Das Problem: Das ist in Deutschland nicht erlaubt. Wer anderen Menschen eine Sache wegnimmt, ohne diesen zuvor um Erlaubnis zu bitten, der begeht Diebstahl – auch, wenn es sich bei dem Diebesgut nur um Müll handelt.

„Ich habe nicht gewusst, dass das nochmal jemand braucht“

Genau das wollte der Angeklagte, der in Deutschland eine Ausbildung gemacht hat und auch in seinem erlernten Beruf arbeitet, vor Gericht aber nicht gewusst haben. Er habe nicht die Absicht gehabt, etwas zu stehlen. In zwei Autowerkstätten in Radolfzell habe er auch schon alte Reifen mitgenommen – zunächst unerlaubter Weise, nachdem man ihn gebeten habe, vorher zu fragen, aber in Absprache mit den Unternehmen. „Ich habe nicht gewusst, dass das nochmal jemand braucht“, erklärte er zu den entwendeten Reifen des Autohauses.

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Richterin Ulrike Steiner wollte ihm das jedoch nicht durchgehen lassen. Für sie waren der Diebstahl beim Autohaus nicht mit den Abmachungen mit den beiden Autowerkstätten vergleichbar. „Abgesprochen ist etwas anders als nicht abgesprochen“, betonte sie. Der Angeklagte hätte auch beim Autohaus zunächst um Erlaubnis bitten müssen. Ein weiteres Problem stellten die vielen einschlägigen Vorstrafen des 42-Jährigen dar. Zehnmal war er bereits verurteilt worden, weil er Ware aus Geschäften gestohlen hatte, einmal sogar zu einer Bewährungsstrafe.

Der Verteidiger des Angeklagten gab jedoch zu bedenken, dass bei der Mitnahme von Sperrmüll ja auch oft ein Auge zugedrückt werde und dass Unternehmen für die Entsorgung von alten Reifen ja eigentlich sogar noch Geld zahlen müssten. Ulrike Steiner stimmte dem zwar zu – verwies aber dennoch auf die geltenden Regeln.

„Da muss man wirklich mal die Kirche im Dorf lassen“

Auch die Staatsanwältin sah den Diebstahl erfüllt und forderte schlussendlich eine Haftstrafe von fünf Monaten – ohne Bewährung, schließlich habe alles andere in der Vergangenheit den Angeklagten auch nicht von Diebstählen abgehalten. Dem Verteidiger war das deutlich zu viel. Sein Mandant habe glaubhaft erklärt, dass er von dem Mitnahmeverbot nichts gewusst habe, außerdem seien die vergangenen Diebstähle von der Art nicht mit dem Reifenklau zu vergleichen. „Da muss man wirklich mal die Kirche im Dorf lassen“, sagte er – und forderte eine Geldstrafe.

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Die erhielt der Angeklagte schließlich tatsächlich, Richterin Ulrike Steiner verurteilte ihn zur Zahlung von 30 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro. Sie glaube, dass der Mann aufgrund der Erfahrungen mit den Autowerkstätten sehr wohl gewusst habe, dass er die Reifen ohne Absprache nicht einfach mitnehmen dürfe. Auch störte sie sich an den einschlägigen Vorstrafen, der Bewährungsstrafe und der hohen Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten. Dennoch unterscheide sich der Reifendiebstahl von den Ladendiebstählen, außerdem sei der Wert der Reifen unklar, sie sei sich sicher, dass der 42-jährige davon ausgegangen sei, dass sie wertlos seien.

Für die Zukunft sprach Steiner dem Mann jedoch deutlich ins Gewissen: „Es wird gar nichts mehr nirgendwo mitgenommen ohne Absprache“, betonte sie. „Auch der Mülleimer ist tabu.“ Halte der 42-Jährige sich nicht daran, so lande er schließlich doch im Gefängnis. Der Mann akzeptierte das Urteil.