Ob es einen vergleichbaren Fall beim Amtsgericht Radolfzell gab, ist fraglich. Auf einen weiteren dieser Art verzichten Richterin Ulrike Steiner und die Vertreter der Staatsanwaltschaft aber sicher gerne. Eine von mehreren Anschuldigungen, die an diesem Tag vorgetragen wurden, war nämlich die Körperverletzung und Sachbeschädigung durch Defäkation.
Angeklagter soll Polizisten mit seiner Erkrankung in Gefahr gebracht haben
Dem 50-Jährigen aus dem Raum Konstanz wurde unter anderem vorgeworfen, bei der Festnahme durch die Polizei im vergangenen August in Radolfzell einen Beamten absichtlich mit seinem Kot beschmutzt zu haben. Da der Angeklagte Hepatitis C hat, bestand für den Polizisten die Gefahr einer Ansteckung. Vor dem Amtsgericht Radolfzell wurde er dafür und für weitere Vergehen, die sich am selben Abend abgespielt haben, zu sieben Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, verurteilt.
Alkoholfahrt und Schläge gegen Frau und Kind
Dem 50-Jährigen wurde weiter zur Last gelegt, seine Partnerin und deren Sohn ins Gesicht geschlagen zu haben. Anschließend sei der Mann mit zwei Promille Blutalkohol Fahrrad gefahren. Bei seiner Festnahme durch die Polizei wurden außerdem etwa 2,5 Gramm Marihuana in seiner Hosentasche gefunden. Da er kein ärztliches Attest hierfür nachweisen konnte, stellt der Besitz einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz dar. Doch Ulrike Steiner machte deutlich, dass klar die Ereignisse auf der Polizeiwache für sie die schwerwiegendsten Vergehen in dieser Strafsache seien.
Ekelhafte Szenen auf dem Polizeirevier
Der betreffende Abend im August wurde wie folgt beschrieben: Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit seiner Freundin und deren Kind sei der Angeklagte aus der Wohnung geflüchtet und wenig später von einer Streife in Radolfzell aufgegriffen worden. Der Mann sei sehr aggressiv gewesen. Als der Beschuldigte in die Gewahrsamszelle gebracht werden sollte, mussten die Beamten ihm vorschriftsmäßig Gürtel und Schnürsenkel abnehmen.
Doch die Hose des Angeklagten sei heruntergerutscht. Da sie sahen, dass der Mann keine Unterwäsche trug, wollten sie ihn seine Hose anbehalten lassen. Der wütende und betrunkene Mann schüttelte diese aber ab. Als ein Polizeibeamter ihn aufforderte, sich umzudrehen, damit er ihm die Handschellen abnehmen könne, bückte sich der Beschuldigte ruckartig nach vorne, entleerte seinen Darm und presste den Stuhl so heftig heraus, dass er die Hose und Schuhe des Polizisten vollständig beschmutzte. Zu diesem Schock kam für den Polizisten noch hinzu, dass der Beschuldigte Hepatitis C hat und somit die Gefahr einer Ansteckung für den Beamten besteht.
Angeklagter wehrt sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung
Der Verteidiger des Beschuldigten räumte sogleich die Alkoholfahrt auf dem Fahrrad und den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln ein. Erhob aber Einspruch gegen die Körperverletzung in mehreren Fällen und die Sachbeschädigung. Die geladene Geschädigte verweigerte die Aussage, da sie mit dem Angeklagten verlobt sei.
Der zweite Zeuge, ihr Sohn, machte zunächst widersprüchliche Aussagen. Nachdem Richterin Steiner den 19-Jährigen erneut auf seine Wahrheitspflicht hinwies, gab er zu Protokoll, dass der Beschuldigte ihn mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hätte. Zuvor hätte er selbst den Beschuldigten gestoßen, um seine Mutter und ihren Partner auseinanderzuhalten. Beide wären zu diesem Zeitpunkt alkoholisiert gewesen, sagte er.
Polizist leidet noch heute unter den Ereignissen
Der 31-Jährige Polizist sagte vor Gericht aus, dass der Beschuldigte seinen Darm absichtlich entleert hätte. Im Anschluss an den Vorfall habe sich der Geschädigte mehrmals übergeben müssen und es sei nach wie vor schwierig für ihn, über diesen Abend zu sprechen. Er sagte, ihm sei noch nie so etwas Demütigendes widerfahren und dass die Angst, sich mit Hepatitis C angesteckt zu haben, sehr belastend für ihn sei. Die bisherigen Untersuchungen seien zwar negativ, eine Ansteckung könne aber erst nach einem Jahr vollends ausgeschlossen werden, so der 31-Jährige.
Der Beschuldigte selbst verwies auf seine schwierige Kindheit bei wechselnden Pflegefamilien und seine langjährige Heroinsucht, die er durch einen Entzug in den 1990ern hinter sich lassen konnte. Aktuell befinde er sich auch in ambulanter Behandlung wegen seiner Alkoholsucht und habe nachweislich seit zwei Monaten keinen Alkohol mehr getrunken.
Staatsanwaltschaft fordert Geldstrafe und Haft
Der Staatsanwalt schlussfolgerte in seinem Plädoyer, dass nach den Zeugenaussagen die Anklage bestätigt sei. Er räumte dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit wegen des Alkohols ein und forderte insgesamt 110 Tagessätze à 40 Euro Strafe. Wäre eine Ansteckung erfolgt, würde er allerdings auf eine Freiheitsstrafe plädieren, so der Staatsanwalt. Die Verteidigung stimmte im Fall der Alkoholfahrt und des Drogenbesitzes mit der Staatsanwaltschaft überein, forderte aber einen Freispruch im Falle der Körperverletzungen.
Der Beschuldigte, der bereits 21 Einträge im Strafregister hat, wurde in allen Punkten schuldig gesprochen und zu sieben Monaten Haft verurteilt, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind. In dieser Zeit muss der Mann durch das Bewährungsamt betreut werden, zusätzlich 2000 Euro an die Bezirkspflege Konstanz bezahlen. Die Direktorin des Amtsgerichts machte deutlich, dass sie bei der vierten Strafsache von Vorsatz ausgehe und, dass sie nur auf eine Haftstrafe verzichtet habe, weil sich der Beschuldigte durch die Therapie in Ansätzen auf einem guten Weg befinde.
Zur Erkrankung
Jemanden vorsätzlich mit einer Krankheit anstecken wird vor Gericht als gefährliche Körperverletzung gewertet. Hepatitis C ist eine durch einen Virus verursachte Leberentzündung. Auch im Darmsekret kann sich der Erreger aufhalten und so übertragen werden. In der Regel findet eine Ansteckung jedoch über direkten Blutkontakt übertrage. Vor allem Drogenabhängige sind aus diesem Grund gefährdet.