Es ist ein Thema, das brennt vielen Radolfzellern unter den Nägeln. Was passiert denn nun im Streuhau? Kommt das Feriendorf, wie es Investor und Bora-Besitzer Bernd Schuler angekündigt hat? Mit all den Baumhäusern und dem Hotelkomplex? Wird der Flächentausch zwischen Bodenseereiter und Streuhau vollzogen?

Oder ändert der Gemeinderat grundsätzlich die Pläne und verbietet jede weitere touristische oder wirtschaftliche Entwicklung in dem Areal? Übergibt man der Natur diese Fläche zurück? Es sind drängende Fragen, die angesichts der präsenten Klimadebatte, fast keinen Aufschub erlauben.

CDU will mit der Klimapatenschaft ein Symbol setzen und „die Schöpfung bewahren“

Da kam der Antrag der CDU-Fraktion gerade recht. Die CDU regte an, eine Klimapatenschaft zu einer Gemeinde in einem von Umweltverschmutzung und Klimawandel bedrohtem Gebiet aufzubauen. Durch Austausch und Unterstützung sollen die Menschen in Südamerika, Asien oder Afrika selbst ein Bewusstsein für Klimaschutz entwickeln und aktiv ihre Umwelt schützen.

Radolfzell als Klimapate für ein indigenes Dorf in Brasilien. So hatten es sich die Antragsteller vorgestellt. Doch kann man nicht über bedrohte Regenwälder im Amazonas diskutieren, wenn die eigenen Wälder vor der Haustür zur Disposition stehen?

Staab lässt keine Diskussion über das Streuhau zu

Kann man schon, dachte sich Oberbürgermeister Martin Staab und sprach bereits beim erste Redebeitrag zum Thema Streuhau ein Machtwort. „Wir werden heute nicht über das Streuhau diskutieren“, herrschte er in der jüngsten Gemeinderatsitzung den Umweltschutzbeauftragten Rainer Bretthauer an. Dieser hatte den Streuhau in Zusammenhang mit dem SÜDKURIER-Kommentar vor einigen Tagen ins Gespräch gebracht.

„Wir dürfen globale und lokale Herausforderungen nicht gegeneinander ausspielen.“Christof Stadler, CDU
„Wir dürfen globale und lokale Herausforderungen nicht gegeneinander ausspielen.“Christof Stadler, CDU | Bild: unbekannt

Ob die Stadträte nun enttäuscht waren oder aufatmeten, diese schwierige Grundsatzdiskussion nicht führen zu müssen, ist unklar. Deutlich wurde hingegen, dass das Thema maximal aufgeschoben ist und je länger es ruht, umso mehr an Explosivität dazugewinnt. Denn allein schon bei dem Thema Klimapatenschaft scheiden sich die Geister im Rat wie selten zuvor.

Dem Regenwald ein Gesicht geben

Christof Stadler erläuterte die Idee dahinter. „Wir möchten dem Regenwald ein Gesicht geben“, sagte er. Durch aktive Anteilnahme und Unterstützung auch in Radolfzell mehr Bewusstsein und Betroffenheit für die die globale Aufgabe Klimaschutz schaffen. Doch auch für die CDU-Fraktion sei klar: „Wir dürfen globale und lokale Herausforderungen nicht gegeneinander ausspielen“, so Christof Stadler.

„Wir brauchen mehr Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik. Global denken, lokal handeln.“Siegfried Lehmann, FGL
„Wir brauchen mehr Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik. Global denken, lokal handeln.“Siegfried Lehmann, FGL | Bild: Becker, Georg

Erwartungsgemäß zeigte sich die Freie Grüne Liste offen für diesen Vorschlag. Fraktionssprecher Siegfried Lehmann postulierte den Leitsatz: „Global denken, lokal handeln“. Er schlug eine langfristige Beteiligung von mindestens vier Jahren an Klimaschutzprojekten in betroffenen Regionen vor und die Finanzierung von einem symbolischen Euro pro Einwohner pro Jahr dafür. „Wir brauchen mehr Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik“, sagte Lehmann.

„Dieser Antrag ist mir zuwider. Er hat überhaupt keine wirtschaftliche Grundlage.“Walter Hiller, Freie Wähler
„Dieser Antrag ist mir zuwider. Er hat überhaupt keine wirtschaftliche Grundlage.“Walter Hiller, Freie Wähler | Bild: Becker, Georg

Walter Hiller (Freie Wähler) verlor angesichts dieses Vorschlags beinah die Fassung. „Dieser Antrag ist mir zuwider. Er hat überhaupt keine wirtschaftliche Grundlage“, schimpfte er ungeniert über die Idee. Das Geld für diese Art von Symbolarbeit habe Radolfzell nicht. Richard Atkinson (FDP) schimpfte kürzer. „Dieser Antrag ist ein Placebo. Es bringt absolut rein gar nichts, wenn wir das beschließen“, sagte er knapp.

„Dieser Antrag ist ein Placebo. Es bringt absolut rein gar nichts, wenn wir das beschließen.“Richard Atkinson, FDP
„Dieser Antrag ist ein Placebo. Es bringt absolut rein gar nichts, wenn wir das beschließen.“Richard Atkinson, FDP | Bild: unbekannt

Hier ist sie also, die Klimadebatte. Klimaschutz ja, aber nur in Radolfzell, wo man wisse, was mit dem Geld passiere, sagen die einen. Die anderen sehen größere Zusammenhänge. „Wir sind genauso auf den Sauerstoff angewiesen, der im Regenwald produziert wird“, sagte Anja Matuszak (FGL). Lehmann versuchte es etwas lebensnäher zu erklären: „Wird im Regenwald Fläche gerodet, damit dort Kühe gezüchtet werden können, leiden unsere heimischen Bauern.“

Projekt wird gar nicht beschlossen, nur beraten

Man könne die Welt nicht retten, aber sich symbolisch solidarisch zeigen, warb Stadler noch einmal für den Antrag. Dieser wurde ohne Abstimmung zurück an die Stadtverwaltung gegeben, die soll nun Projekte prüfen.

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Im Verlauf der Sitzung berichtete Carolina Groß, Jugendrätin und Fridays for Future-Aktivistin, über die intensive Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung an der Maßnahmenliste zum Klimaschutz in Radolfzell. Die Frage nach dem Streuhau bleibt indes unbeantwortet.

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Wie man Klimapate ohne Flugreisen wird

  • SKEW: Eine Möglichkeit, eine Klimapatenschaft zu einer Gemeinde in der Dritten Welt aufzunehmen, kann über die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) erfolgen. Diese Einrichtung vermittelt und unterstützt bei Klimapatenschaften in Südamerika, Afrika und Asien. Beinhaltet sind allerdings auch gegenseitige Besuche für einen regen Austausch zwischen den Kommunen, was wiederum Flugfernreisen bedeutet. Damit würden erneut Treibhausgase ausgestoßen werden. Dies lehnten die Stadträte in Radolfzell ab.
  • Siegfried Lehmann schlug vor, sich mit dem symbolischen Euro pro Radolfzeller zu einem Drittel an einem Rechtshilfe-Fond für indigene Völker zu beteiligen. Mit dem Geld können Naturvölker ihre Heimat auch rechtlich schützen, illegale Abholzung und Rodung ahnden. Die anderen zwei Drittel sollen in einen Energie-Fonds ließen, welches Naturvölkern dabei hilft, erneuerbare Energien für sich zu nutzen.
  • WWF und Nabu International: Möglich wäre auch eine Geldspende an bereits etablierte Umweltschutzorganisationen, wie WWF oder Nabu International, die bereits seit vielen Jahren den Regenwald schützen und unterschiedliche Projekte realisieren.
  • Der nächste globale Klimastreik der Fridays for Future-Bewegung in Radolfzell findet am 24. April statt.