Im Streuhau kochen die Gemüter hoch. Trotz Wintertemperaturen gab es bei der Ortsbegehung des Ortsvereins der Freien Grünen Liste und der FGL-Fraktion im Gemeinderat im Streuhau eine recht hitzige Diskussion über Flächenversiegelung, Naturschutz, Profit und nicht weniger als die Zukunft von Radolfzell.
Wie sehr das Thema auf einmal die Bürger beschäftigt, zeigt auch die Anzahl der Besucher: Rund 100 interessierte Radolfzeller, größtenteils bereits im Rentenalter, kamen zum ehemaligen Bodenseereiter, um sich über das Gebiet, den Flächentausch mit dem Streuhau und das Hotel-Projekt von Bora-Besitzer Bernd Schuler zu informieren. Auch einige wenige jugendliche Anhänger der Fridays for Future-Bewegung waren an diesem Freitagnachmittag gekommen.

Schon gleich zu Beginn ging es hoch her. Eberhard Klein vom Nabu Bodenseezentrum versuchte die Beweggründe zu erläutern, warum die Naturschutzverbände dem Tausch des Streuhaus gegen das Gebiet des Bodenseereiters zugestimmt haben. „Es war die Wahl des kleineren Übels“, sagte Klein.

Eine touristische Nutzung des Areals des Bodenseereites hätte gravierende Folgen für das angrenzende Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried, welches der Nabu betreut. Mit dem Tausch wollte man auch das Gebiet als dienliches Landschaftsschutzgebiet dauerhaft für jegliche Bebauung sperren lassen, erläuterte Klein.
Und musste von einzelnen Teilnehmern der Veranstaltung deutliche Kritik einstecken. Diese Entscheidung sei nicht mehr zeitgemäß, lautete ein Vorwurf. Eine weitere Zuhörerin verurteilte jegliche neue Flächenversiegelung.

Thomas Giesinger vom BUND Radolfzell versuchte zu vermitteln. „Hier war schon viel schlimmeres geplant“, sagte er und erinnerte an den Tauchturm, welcher in den 80er-Jahren zur Diskussion stand. Auch erinnerte er daran, dass die heutige Planung für dieses Areal seit 2005 liefe und trotz mehrfacher Artikel darüber im SÜDKURIER habe sich die Bevölkerung nicht dafür interessiert. Bis jetzt.

Seine Kritik richte sich vor allem an die Stadtverwaltung, damals noch unter Oberbürgermeister Jörg Schmidt, die sich laut Giesinger ohne wirklich Alternativen zu prüfen auf dieses Gebiet eingeschossen hätte. „Nur weil es am einfachsten zu haben ist“, sagte er. Die Stadt brauche ein Hotel und eine Therme, um sich touristisch zu entwickeln, aber andere Standorte dafür seien nie geprüft worden.

Die Umweltverbände hätten versucht zu retten, was zu retten ist. Doch vier Entscheidungen im Gemeinderat, die sich für das Bauprojekt im Streuhau aussprachen, seien nun einmal Tatsache. „Es gab nur wenige Gegner im Gremium“, so Giesinger.
Eberhard Klein fasste es zusammen: „Das Problem ist der Bebauungsplan, der hier eine touristische Entwicklung vorsieht. Wenn nicht Bernd Schuler baut, macht es ein anderer. Das Ziel sollte sein, diesen Bebauungsplan zu ändern.“ Dies müsse der Gemeinderat vornbringen.

Investor Bern Schuler stellte sich der zum Teil unsachlichen und emotional vorgetragenen Kritik, er wäre nur aus Profitgier an dem Grundstück interessiert. Er bekräftige um ein weiteres Mal seine Absicht, ein Feriendorf mit schonendem Tourismus zu errichten, welches die umliegende Natur nur minimal beeinträchtige. Er wolle das Gebiet „ökologisch sinnvoller“ machen und auf gar keinen Fall Radolfzell zu einem zweiten Überlingen machen.

Er argumentierte mit wirtschaftlichen Aspekten. „Ich sehe die Zukunft von Radolfzell im Tourismus, nicht in der Industrie, deswegen müssen wir uns da vergrößern“, so Schuler. Sein Plan sei es auch so wenig Fläche wie möglich zu versiegeln, aber versprechen könne er erst einmal nichts.
Karl Steidle, eng mit dem Reitverein Bodenseereiter verbunden, erklärte, dass der Verein seit 2005 nur noch jährliche Pachtverlängerungen erhalten habe. Obwohl sie viel Herzblut in den Aufbau der Reithalle gesteckt hätten. Sie aufzugeben sei allen sehr schwer gefallen.

Durch seine Funktion als Stiftungsratvorsitzender der Erika und Werner Messmer-Stiftung wisse er, dass Werner Messmer vor vielen Jahren bereits Grundstücke im Streuhau erworben hätte, um sein Unternehmen TRW bei Bedarf eventuell ausdehnen zu können. Ein naturnahes Feriendorf sei also ein Gewinn für die Natur, wenn man bedenke, was hier hätte alles mit passieren können, so Steidle.