Die Stadträte der Freien Grünen Liste, kurz FGL, agieren – wenn man so will – aus der Mitte der Stadt heraus. Drei Stadträte haben ihre Anschrift in der Altstadt, zwei auf der Mettnau und nur Beate Giesinger wohnt im größten Radolfzeller Ortsteil Böhringen. Dieser städtische Blick dominiert auch bei Themen in den Ortsteilen. Während die anderen Fraktionen Mehrheitsentscheidungen des Ortschaftsrats weitertragen, setzt die FGL in einer Grundsatzdiskussion im Gemeinderat gerne wieder alles auf Anfang. Immer wieder erbitterte Gegner in den Beratungen sind Oberbürgermeister Martin Staab und der FGL-Fraktionsvorsitzende Siegfried Lehmann.

Die Ausgangslage: Vor der Wahl 2014 sind die Kandidaten der FGL in den Gemeinderatswahlkampf in Radolfzell mit Schwerpunkt-Themen eingestiegen. So wollte die FGL statt einer neuen Seetorquerung eine Sanierung der Bestandsvariante mit barrierefreiem Ausbau für die Bahnhofsunterführung durchsetzen. Weitere Ziele seien die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs mit einem Stadtbus im Halbstundentakt und dem Einrichten neuer Haltestellen für Seehas und Seehäsle gewesen, zählt FGL-Fraktionsvorsitzender Siegfried Lehmann auf. „Auch der Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren und familienfreundliche Gebühren standen auf unserem Programm.“

Erfolg für die FGL: Der Halbstundentakt im Stadtbusverkehr.
Erfolg für die FGL: Der Halbstundentakt im Stadtbusverkehr. | Bild: Wagner, Claudia

Die wichtigste Debatte: Für den FGL-Fraktionsvorsitzenden Siegfried Lehmann war der Beginn der Wahlperiode von einem zweischneidigen Erfolg „in einer der nach wie vor wichtigsten Debatten“ gekennzeichnet. Der von seiner Fraktion unterstützte Bürgerentscheid zur Seetorquerung im September 2015 endete zwar mit einer Mehrheit für die Gegner – 6063 Stimmbereichtigte waren gegen die Vorzugsvariante und 5232 dafür. Doch war es ein Sieg ohne den Pokal. Das für eine Entscheidung benötigte Quorum (notwendige Anzahl der Stimmen) von 25 Prozent oder 6167 Stimmen verpassten die Gegner knapp. Kurze Zeit später ist das Quorum auf 20 Prozent herabgesetzt worden. Lehmann hadert noch immer mit diesem Ergebnis und dass im Gemeinderat „keine Stimme gekippt ist“.

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Der Standpunkt der FGL...

... zu einem neuen Seezugang: Die Position hat sich nicht verändert. „Jetzt sind wir bei der Seetorquerung bei einer Summe von 26 Millionen Euro plus X“, sagt Lehmann. „Und die Bahn gibt nichts mehr dazu.“ Die stete Kostensteigerung und die Erfahrung, dass dennoch eine Mehrheit für dieses Projekt sei, ziehe sich wie ein roter Faden durch die Beratungen. „Es ist schmerzlich, wir sind nicht weitergekommen.“ Im Sinne der FGL heißt das: Das Projekt ist noch nicht beerdigt worden.

... zum Wohnen in Radolfzell: Die FGL habe zum kostengünstigen Wohnungsbau, zum Flächen- und Leerstandsmanagement eine ganze Menge Anträge eingebracht, blickt Lehmann auf die Arbeit der Fraktion in den vergangenen fünf Jahren zurück. Dennoch räumt er ein: „Bei diesem Thema sind viele Versäumnisse gemacht worden.“ Obwohl sie mit ihrem Antrag auf Gründung vorerst gescheitert sei, bleibt eine kommunale Wohngesellschaft ein Thema für die FGL.

... zu Verkehr, Mobilität und Ökologie: Beim Thema Verkehr verweist Lehmann auf bestehende Positionen der FGL: „Wir wollen neue Haltestellen für den Seehas am Herzengelände und am Libellenweg, für das Seehäsle an der Altbohlunterführung.“ Die FGL wolle den Ausbau von Radwegen, „aber dafür braucht es das Einvernehmen auch mit dem Gemeinderat“, zielt der Fraktionsvorsitzende auf die jüngsten Diskussionen im Gemeinderat. In Sachen Ökologie gebe es wenig Fortschritt: „In der Energiepolitik treten wir auf der Stelle.“ Auch das neue Gewerbegebiet Blurado im Kreuzbühl sei nur ein „teures Prestigeobjekt“.

Niederlage: Die Schließung der Geburtenstation im Krankenhaus Radolfzell.
Niederlage: Die Schließung der Geburtenstation im Krankenhaus Radolfzell. | Bild: Jarausch, Gerald

Erfolg und Niederlage: Dass die FGL-Fraktion bezahlbaren Wohnraum zum Thema für alle gemacht habe, „darauf sind wir schon ein Stückchen stolz“, sagt Lehmann. Erfolg und Niederlage liegen in dieser Frage für die FGL nah zusammen. So sind die baulandpolitischen Grundsätze verabschiedet worden und Investoren müssen 30 Prozent der neuen Wohnfläche für preisgedämpften Wohnungsbau bereitstellen. Doch nachweisbare Wohnungen in diesem Segment gibt es noch nicht. Das weiß Lehmann: „Deshalb haben wir die Regeln verschärft.“ Ähnlich sieht es beim Thema Krankenhaus aus. „Wir hatten das Ziel 24 Stunden Notfall-Versorgung.“ Nun stellt Lehman ernüchtert fest: „Das Krankenhaus existiert noch, aber die Geburtenstation haben wir verloren.“ Besser sieht es für den Fraktionsvorsitzenden beim Ziel familienfreundliches Radolfzell aus: „Bei der Kinderbetreung hat sich was bewegt. Auch bei den Kitagebühren haben wir zumindest erreicht, dass es seit drei Jahren keine Erhöhung gibt“.

Kontrollfunktion der Verwaltung und Zusammenarbeit mit dem OB: Die FGL ist die Fraktion im Gemeinderat, die alle Papiere der Verwaltung auf der Suche nach Fehlern genau durchleuchtet. Dabei arbeitet die FGL wie beim „Weckruf“ zum Arbeitsklima im Rathaus auch mal mit der CDU zusammen. Lehmann hat den Eindruck, dass sich seither im Umgang mit dem Personal kaum etwas zum Besseren gewendet hätte: „Es fehlt die Wertschätzung.“ Die Zusammenarbeit mit dem OB sei „schwierig“. Lehmann urteilt hart über Martin Staab: „Bei wichtigen Themen nimmt er den Gemeinderat nicht mit und stellt ihn vor vollendete Tatsachen.“ Deshalb glaubt der FGL-Sprecher: „Dieser Tiefstand in der Zusammenarbeit wird sich erst 2021 lösen.“ Dann sind OB-Wahlen in Radolfzell.

Ausblick: Für die FGL bleibt der Klima- und Umweltschutz das wichtigste Thema. Konkret heißt das, die Liste fordert etwa die Wiedereinrichtung eines Umweltamts oder die energetische Sanierung der städtischen Gebäude. Zündstoff für neue Debatten dürfte diese Forderung haben: „Umweltverträgliche Sanierung und Modernisierung der Mettnaukur mit Verbleib der Werner Messmer Klinik am bestehenden Standort.“ Dabei ist die Erweiterung der Hermann-Albrecht-Klinik schon geplant.