Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im ländlichen Raum hat einen schlechten Ruf. Von einer Taktung im Zehn-Minuten-Takt und einer Dichte des Netzes wie in einer Großstadt kann man auf dem Dorf nur träumen. Doch ist die ÖPNV-Anbindung im Stockacher Raum in Wirklichkeit etwa besser als gedacht? Eine Studie, die Bernd Rüffer als Vorsitzender des Vereins Klimakompetent mobil angefertigt hat, legt diese Schlussfolgerung nahe.

„Die Daten zum ÖPNV sind alle öffentlich zugänglich. Ich habe mir davon die Daten für das Gemeindegebiet von Stockach herausgezogen und alle Linien analysiert“, erklärt Rüffer. Insgesamt positiv fällt sein Fazit zur Anbindung der Kernstadt aus. „An Werktagen ist die Anbindung recht gut, bis auf die jeweils letzten Fahrten“, so Rüffer. Mit 16 Bushaltestellen im Gebiet der Kernstadt gebe es viele gute Verbindungen. Doch ihm zufolge müssten die Busse abends bis nach 23 Uhr unterwegs sein. Einige Verbindungen enden derzeit zum Teil schon zwischen 20.26 Uhr und 21.15 Uhr.

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Ortsteile nur mittelmäßig bis schlecht angebunden

„Was die Verbindungen in die Ortsteile angeht, ist alles nur mittelmäßig oder schlecht“, sagt Rüffer. Selbst einen stündlichen Takt gebe es hier lediglich werktags und auch das nur auf einigen wenigen Linien, heißt es im Abschlussbericht zu der Studie. Direkte Verbindungen zwischen den Ortsteilen gebe es praktisch nicht. Sprich, wer beispielsweise von Winterspüren nach Hoppetenzell fahren will, der tut sich mit dem ÖPNV schwer.

Überhaupt bildet Hoppetenzell laut der Studie das Schlusslicht, was die ÖPNV-Anbindung angeht. „Von allen Ortsteilen ist Hoppetenzell am schlechtesten ÖPNV-mäßig angeschlossen“, heißt es im Bericht.

„An sich gibt es in Stockach schon ein recht gutes ÖPNV-Angebot, abgesehen von den Wochenenden und den Randzeiten. Es müsste nur besser ...
„An sich gibt es in Stockach schon ein recht gutes ÖPNV-Angebot, abgesehen von den Wochenenden und den Randzeiten. Es müsste nur besser genutzt werden“ – Bernd Rüffer, Verkehrsplaner | Bild: Dominique Hahn

Ganz anders sieht es in Wahlwies aus. „Durch die Anbindung an das Seehäsle ist die Verbindung fantastisch. Da braucht man eigentlich nichts mehr zu verbessern“, sagt Rüffer. Eine ähnliche Perspektive sieht er indes ab 2030 für Hoppetenzell und Zizenhausen, falls die Reaktivierung der Ablachtalbahn umgesetzt wird – „und die kommt sicher“, so die Einschätzung von Bernd Rüffer. Ob das tatsächlich passiert, muss sich noch zeigen.

So könnte das Angebot verbessert werden

Ein gutes Instrument zur weiteren Verbesserung wäre aus Rüffers Sicht die Einführung eines Bürgerbusses als Ergänzung des ÖPNV-Angebots. Die Idee entstand beim Runden Tisch Mobilität des Umweltzentrums. Hier gibt es unterschiedliche Varianten: einen Bürgerbus mit festen Linien und Fahrzeiten, ähnlich dem regulären ÖPNV, oder einen Verkehr auf Bestellung, bei dem per Telefon oder App ein Bürgerbus angefordert wird.

In diesem Zusammenhang verweist Rüffer auf den Landkreis Freudenstadt. Dort gibt es in Zusammenarbeit mit örtlichen Taxiunternehmen das ÖPNV-Taxi. Fahrgäste, deren Fahrtwunsch nicht innerhalb einer Stunde durch reguläre Bus- oder Bahnverbindungen bedient werden können, können ein ÖPNV-Taxi bestellen. Dafür fällt lediglich der reguläre ÖPNV-Tarif plus ein kleiner Zuschlag an. „Das ist das beste Angebot, das ich als Ergänzung für den ÖPNV je gesehen habe“, sagt Rüffer. Aus seiner Sicht könnte das auch ein guter Weg für den Landkreis Konstanz sein.

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Insgesamt fällt Rüffers Fazit aus der Studie eindeutig aus: „An sich gibt es in Stockach schon ein recht gutes ÖPNV-Angebot, abgesehen von den Wochenenden und den Randzeiten. Es müsste nur besser genutzt werden“, sagt er. Die bestehenden Mängel könnten durch ein Angebot wie Bürgerbus oder ÖPNV-Taxi ausgeglichen werden.

Teil der Erkenntnisse schon im neuen Verkehrsplan

Bürgermeisterin Susen Katter kennt die Ergebnisse aus Rüffers Bericht. Bereits im vergangenen Sommer habe er ihr mündlich eine erste Bestandsaufnahme mitgeteilt, sodass diese in die weitere Arbeit der Stadtverwaltung einfließen konnte.

„Im Rahmen der Neufassung des Verkehrsplans des Landkreises hat die Stadt Stockach in der zweiten Beteiligungsrunde eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben, die den Handlungsempfehlungen aus dem Endbericht von Herrn Rüffer bereits entsprechen“, erklärt Katter auf Nachfrage des SÜDKURIER. Zu diesem umfangreichen Themenkomplex hätten sich zum Teil auch Ortschaftsräte und Fraktionen eingearbeitet und Stellungnahmen eingereicht.

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Die Stellungnahme der Stadt Stockach enthalte unter anderem die Forderung nach erweiterten Bedienzeiten auf der Schnellbuslinie 103, zwischen Stockach und Tuttlingen, die ÖPNV-Anbindung der Gewerbegebiete Hardt, Himmelreich, Blumhof und die Verbesserung der Verbindungen zwischen Espasingen, Bodman und der Stockacher Innenstadt.

Neue Anzeigetafel am Busbahnhof

Doch nicht nur Fahrzeiten sollen besser werden, auch am Komfort für die Nutzer will die Stadt noch Verbesserungen erreichen. „Derzeit möchte die Stadt gerne eine digitale Anzeigetafel am Busbahnhof etablieren und hat hierzu bereits Kontakt zum VHB (Verkehrsverbund Hegau Bodensee) aufgenommen. Genauso möchten wir den Bestand und den Zustand unserer Haltestellen in Augenschein nehmen und überprüfen“, erklärt Katter.

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Einige der empfohlenen Aktionen seien schon im Entwurf des Nahverkehrsplans für 2025 enthalten. „Das sind unter anderem Maßnahmen bezüglich Öffentlichkeitsarbeit/Fahrgastinformationen, technische Verbesserungen oder Infrastrukturmaßnahmen“, so Katter.

Bürgerbus braucht ehrenamtliches Engagement

Wie die Bürgermeisterin jüngst bei der Bürgerversammlung betonte, steht sie der Einführung eines Bürgerbusses grundsätzlich positiv gegenüber. Gegenüber dem SÜDKURIER macht sie indes klar, dass dies kein Projekt sein könne, das von der Stadtverwaltung ausgeht. „Meiner Ansicht nach muss ein Bürgerbus aus der Mitte der Bürgerschaft kommen. Wir als Stadtverwaltung haben nicht die personellen Ressourcen, die verschiedenen Modelle und Möglichkeiten hierzu zu beleuchten“, erklärt sie und verweist darauf, dass einige Mitglieder des Runden Tisches Mobilität diese Verantwortung bereits übernommen hätten.

Insgesamt sei das Thema ÖPNV ein komplexes Aufgabenfeld. „Insoweit bin ich dankbar, dass sich Menschen gefunden haben, sich hierin einzuarbeiten und Ideen für Stockach herauszuarbeiten. Es fanden bereits mehrere Gespräche statt. Das Landratsamt als zuständige Behörde für den ÖPNV im Landkreis war nach meinem Kenntnisstand bisher nicht eingebunden“, so Katter.