Es sind Bilder, die sowohl eindrucksvoll als auch erschreckend sind: Der Bodensee hat die Radolfzeller Uferpromenade überflutet und mit Blockaden wird versucht, das Wasser einzudämmen. In ganzen Straßenzügen herrscht Land unter, am Turnerheim steht das Wasser an den Glasfenstern. Im Sommer 1999 sorgen heftige Regenfälle und Schneeschmelze für ein Rekord-Hochwasser in der Region. Helmut Richter, der damals bereits Feuerwehrkommandant in Radolfzell war, erinnert sich noch genau, wie alles begann.
„Der See stieg fast einen Meter in drei Tagen an“
„Ich war damals gerade aus dem Urlaub zurückgekommen und wurde gleich darüber informiert, dass der Bodenseepegel sehr hoch war“, erzählt er. Schon einen Tag später, am Freitag, 21. Mai, und damit einen Tag vor dem Beginn des Hochwassers, habe er erste Maßnahmen getroffen. So habe er etwa Gespräche mit der Verwaltung geführt, versucht, Sandsäcke zu organisieren, und eine Meldung an die Öffentlichkeit herausgegeben, um vor dem steigenden Wasser zu warnen. „Aber zu dem Zeitpunkt hat es noch kaum jemand für ernst angesehen.“
Doch das Wasser kam – und das sehr schnell. „Der See stieg fast einen Meter in drei Tagen an“, erinnert sich Richter. Am Samstagmorgen, dem 22. Mai, sei die Meldung eingegangen, dass in die Radolfzeller Katastrophenschutzhalle Wasser eindrang. Genau dort, wo das Material zur Bekämpfung von Hochwasser, etwa tragbare Stromgeneratoren und Pumpen gelagert wurden.
Um das Material zu sichern und an einen trockenen Ort zu verlagern, habe Richter die Feuerwehr Stockach alarmiert – „weil mir war schon klar, dass wir als Feuerwehr Radolfzell sukzessive in Hochwassereinsätze müssen“, so der Kommandant. Stockach sei allerdings höher gelegen, nicht unmittelbar am Bodenseeufer und damit zu dem Zeitpunkt auch noch nicht betroffen.
40 Stunden am Stück auf den Beinen
Helmut Richter sollte Recht behalten: Im Laufe des Samstags sei die Feuerwehr Radolfzell dann unter anderem zu vollgelaufenen Kellern und zur Sicherung der Infrastruktur ausgerückt. „Es ist immer mehr eskaliert“, erinnert er sich. Nach und nach sei eine immer größere Zahl an Feuerwehrleuten im Einsatz gewesen.

Unter anderem habe die Kläranlage die Helfer beschäftigt. Zum einen sei die Trafo-Station, die die Anlage versorgte, vom Hochwasser bedroht worden und habe von den Stadtwerken hochgelegt werden müssen. „Wir hätten sonst sofort einen Abwasserrückstau bekommen und das hätte die Seuchengefahr erhöht“, erklärt Richter. Zum anderen habe auch noch eine Überflutung der Kläranlage gedroht. Um das zu verhindern, sei ein provisorischer Wall aufgeschüttet worden.
Als hätte die Feuerwehr nicht ohnehin schon alle Hände voll zu tun gehabt, sei am Samstagabend am Sankt-Meinrads-Platz ein großer Dachstuhlbrand ausgebrochen. Die Meldung sei gerade in dem Moment eingegangen, als eine große Gruppe von Feuerwehrleuten zum Ausruhen nach Hause fahren wollte, erinnert sich Richter. „Also sind wir da hin“ – und das bis in die Nacht. „Parallel waren noch welche wegen des Hochwassers unterwegs.“ Er selbst sei etwa 40 Stunden am Stück auf den Beinen gewesen und habe dann erst für wenige Stunden geschlafen. „Und dann ging es weiter.“ In den ersten Tagen sei er erst bei Morgengrauen nach Hause gekommen.
Handlungsmöglichkeiten der Feuerwehr begrenzt
Ganze sechs Wochen sei die Feuerwehr im Dauereinsatz gewesen, erzählt Helmut Richter. Zwar sei der Wasserpegel zwischenzeitlich etwas abgesunken, dann aber wieder auf den Höchststand angestiegen. Der Kommandant erinnert sich, dass etwa die Strandbadstraße so lange unter Wasser gestanden habe, dass sich dort Algen bildeten und Fische schwammen.
Priorität habe für die Feuerwehr in der Zeit die Sicherung der Stromversorgung und Abwasserentsorgung gehabt. Aber auch die Reparatur und die Wartung der eingesetzten Geräte sowie die Beratung der Bevölkerung habe sie gefordert.

Denn die Menschen hätten darüber informiert werden müssen, dass die Handlungsmöglichkeiten der Feuerwehr begrenzt waren. Zum einen sei es den Einsatzkräften aufgrund der schieren Menge an betroffenen Orten nicht möglich gewesen, überall zu helfen. Priorität hätten Haushalte gehabt, in denen Lebensgefahr herrschte, etwa durch Strom in überfluteten Räumen. Und Haushalte, in denen eine Umweltgefahr gedroht habe, zum Beispiel durch austretendes Öl aus Heizöfen. Ebenso habe eine Rolle gespielt, ob in den betroffenen Haushalten vulnerable Personen lebten.
Zum anderen habe die Feuerwehr aber nur in wenigen Einzelfällen das Wasser wirklich aus Häusern entfernen können. Oftmals wäre es einfach nachgeflossen, weil der Wasserpegel außen noch nicht gesunken war. „Den Bodensee kann man nicht eindämmen“, so Richter.