Noch vor der Auszählung des letzten Wahlbezirks trat Simon Gröger vor das Radolfzeller Milchwerk. Hunderte Radolfzeller waren gekommen, um die Auszählung der Stimmen für die Wahl zum Oberbürgermeister in Radolfzell live zu verfolgen. Verwunderung im und vor dem Milchwerk, als die Leinwand das erste Ergebnis ausspuckte. Angezeigt wurde ein großer schwarzer Balken über dem Namen Simon Gröger. Ein deutlich kleinerer in der Farbe Pink über dem Namen Martin Staab.

Blick auf das Mobiltelefon, dass ihm eine erhebliche Wahlniederlage bestätigt. OB Martin Staab im Kreis der Kollegen Bernd Häusler und ...
Blick auf das Mobiltelefon, dass ihm eine erhebliche Wahlniederlage bestätigt. OB Martin Staab im Kreis der Kollegen Bernd Häusler und dem ehemaligen Bürgermeister Peter Kessler aus Moos. | Bild: Jarausch, Gerald

Dieses Bild sollte sich im Lauf des gesamten Abends nur geringfügig ändern. Der mehr als deutliche Höhenunterschied bleibt: Simon Gröger erhält 83,3 Prozent der Stimmen, 11.131 Wahlberechtigte haben ihn gewählt. Martin Staab hat 1859 Stimmen erhalten, das macht 13,9 Prozent. Der dritte Bewerber, Helmut Ringger, bekam rund 2,5 Prozent der Stimmen. 341 Bürger haben für ihn abgestimmt.

Gröger zeigt sich ergriffen

Der neue Oberbürgermeister von Radolfzell heißt also bald Simon Gröger, ist 36 Jahre alt und aktuell noch Wirtschaftsförderer der Stadt Tuttlingen. Er selbst konnte die eindeutige Wahl nicht so ganz fassen. „Ich bin ganz ergriffen von diesem Ergebnis“, sagte er, als er vor die hunderten auf ihn wartenden Radolfzellerinnen und Radolfzeller trat.

Erste Ansprache vor dem Milchwerk an die Radolfzeller Bürger.
Erste Ansprache vor dem Milchwerk an die Radolfzeller Bürger. | Bild: Jarausch, Gerald

Dem Vertrauensvorschuss, den er mit diesem Erdrutschsieg bekommen habe, wolle er sich würdig zeigen. „Die Bürger wollen jetzt Taten sehen“, macht er die Erwartungshaltung klar. Er nehme das Wahlergebnis aber als große Motivation mit ins Amt und wolle sein Wahlprogramm und vor allem die neue Verwaltungsphilosophie im Rathaus umsetzen.

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Ungewöhnlich zurückhaltend trat der Unterlegene im Wahlkampf, Amtsinhaber Martin Staab, auf. Nur kurz kam er ins Milchwerk und verließ dieses auch bald wieder. „Ich bin enttäuscht, das ist klar. Ein Stimmungswahlkampf ist schwer zu gewinnen und in diesem Wahlkampf ging es nicht um Sachthemen, sondern um Stimmungen“, sagte Staab gegenüber dem SÜDKURIER.

Staab kündigt seinen Ruhestand an

Staab, 57 Jahre alt, wolle ab dem 1. Dezember in den Ruhestand gehen, aber in Radolfzell bleiben. Seinem Nachfolger wolle er nichts mit auf den Weg geben. Nicht einmal einen Handschlag zum Wahlsieg. Martin Staab war bei der Bekanntgabe der vorläufigen Endergebnisse nirgends mehr zu sehen.

Zufrieden zeigten sich Vertreter der drei Gemeinderatsfraktionen, die maßgeblich an dem Personalwechsel im Rathaus beteiligt waren. CDU, SPD und FGL hatten Simon Gröger als Gegenkandidaten zu Staab gesucht, gefunden und im Wahlkampf unterstützt. Siegfried Lehmann (FGL) versuchte das Ergebnis einzuordnen: „So ein Ergebnis ist dramatisch für einen OB nach acht Jahren.“

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Die FGL, CDU und SPD seien für ihr Handeln, einen Gegenkandidaten aufgestellt zu haben, kritisiert worden. Doch hätten die Stadträte es als ihre Pflicht angesehen, für die Mitarbeiter im Rathaus eine Alternative zu Staab anzubieten. Norbert Lumbe (SPD) hoffte nun nicht nur auf eine bessere Atmosphäre, sondern auch auf eine gemeinsame Arbeit im Interesse der Stadt. Christof Stadler (CDU) wertete die Wahl der Bürger als eine Wahl für „mehr Offenheit und Transparenz“.

Die Gratulanten standen Schlange: Der neue OB Simon Gröger (links) wurde von seine Amtskollegen im Kreis (u.a Patrick Krauss aus Moos) ...
Die Gratulanten standen Schlange: Der neue OB Simon Gröger (links) wurde von seine Amtskollegen im Kreis (u.a Patrick Krauss aus Moos) begrüßt. | Bild: Jarausch, Gerald

In den Nachbargemeinden sorgte das eindeutige Wahlergebnis ebenso für Verwunderung. Patrick Krauss, Bürgermeister von Moos, gab an, so ein Ergebnis nie erwartet zu haben. Er habe Martin Staab sehr geschätzt, hoffe aber nun auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Simon Gröger. Benjamin Mors, Bürgermeister von Steißlingen, sprach allen anwesenden Bürgermeistern aus der Seele: „Auf der persönlichen Ebene ist es schade, einen Kollegen zu verlieren“. Stefan Friedrich, Bürgermeister von Allensbach erkannte „das eindeutige Signal der Bevölkerung für einen Wechsel“. Wie die meisten an diesem Abend habe er gedacht, „das wird ne engere Nummer“.