Zahlreiche Bürger haben ihre Position klar gemacht: Sie wollen keine Erweiterung des Bora-Hotels im Streuhau. Das verdeutlichten sie während eines Bürgerinformationsabends im Milchwerk am Donnerstag. Die Mehrzahl möchte am liebsten gar keine Bebauung in dem Gebiet zulassen. Das ist angesichts der Tatsache, dass das Gelände samt dem benachbarten Areal des ehemaligen Bodenseereiters laut Flächennutzungsplan zum Teil überbaut werden darf, allerdings nur schwer umsetzbar. Das betonen auch die Umweltverbände Nabu und BUND.

Eindeutiges Votum an der Pinwand: Wenn es nach vielen Bürgern in Radolfzell gehen würde, würde das Streuhau nicht bebaut.
Eindeutiges Votum an der Pinwand: Wenn es nach vielen Bürgern in Radolfzell gehen würde, würde das Streuhau nicht bebaut. | Bild: Jarausch, Gerald

Den Grundstein für das Dilemma hat der Radolfzeller Gemeinderat bereits vor 18 Jahren gelegt. Damals sprach sich das Gremium unter dem damaligen Bürgermeister Jörg Schmidt für einen Flächennutzungsplan aus, der das gesamte Areal als Sondernutzungsfläche auswies. Genau dieser Umstand hat die Naturschutzverbände dazu bewogen, sich grundsätzlich nicht gegen das Vorhaben zu stellen, sondern die Schäden für die Natur möglichst gering zu halten. Dazu wurden die Flächen und Bereiche bewertet. Nabu und BUND sprachen sich anschließend für einen Flächentausch aus, der im Grunde das Naturschutzgebiet der Radolfzeller Aachmündung erweitert. Eberhard Klein vom Naturschutzbund (Nabu) stellte dennoch klar, dass das eigene Wunschszenario anders aussehen würde: „Wenn wir es uns aussuchen könnten, würde dort gar nicht gebaut. Rein rechtlich ist es aber erlaubt. Wenn alles so bleibt, dürfte die Fläche dort entwickelt werden“, stellte er klar.

Frust über Baupolitik

Auch sonst schlug den Verantwortlichen der Stadt und den Projektentwicklern eher Unmut auf der Veranstaltung entgegen. In zum Teil sehr emotional vorgetragenen Einwänden und Fragen wurde der Frust über die generelle Baupolitik in Radolfzell und im Speziellen die der geplanten Überbauung im Streuhau deutlich. So monierten die Kritiker unter anderem die immer weiter fortschreitende Flächenversiegelung in Zeiten des Klimawandels. „Wir haben in unserem kleinen Radolfzell auch eine Verantwortung“, sagte dazu Wolfgang Lang. Eine Bürgerin tadelte den Bürgerinformationsabend als eine „Verkaufsveranstaltung“, bei der die Stadt „in Rechtfertigungszwang“ kommt. Andere befürchteten mit dem Bauvorhaben lediglich den Beginn einer fortschreitenden Nutzung des Streuhaus. Der ehemalige Jugendgemeinderat Nimo Frick brachte mit dem Wunsch eines totalen Verzichts einer Bebauung am Ende die Wünsche der Projektgegner am besten auf einen Punkt. Er stellte die Frage an die Stadt: „Warum verzichten wir nicht freiwillig auf eine Bebauung und machen das Streuhau zu einem Naturschutzgebiet?“

Eberhard Klein, Leiter des NABU-Bodenseezentrums: „Wenn wir es uns aussuchen könnten, würde dort gar nicht gebaut.“
Eberhard Klein, Leiter des NABU-Bodenseezentrums: „Wenn wir es uns aussuchen könnten, würde dort gar nicht gebaut.“ | Bild: Jarausch, Gerald

Da half es auch wenig, dass der Bauherr und Investor Bernd Schuler seine Pläne in den vergangenen Jahren immer wieder angepasst und reduziert hatte. Während anfänglich im Grunde das gesamte Areal genutzt worden wäre, beschränken sich die jüngsten Pläne auf einen relativ kleinen Bereich innerhalb des Streuhaus. Die Fläche des ehemaligen Bodenseereiters wäre damit praktisch gar nicht betroffen und die Gebäude würden rückgebaut. Selbst die wirtschaftlichen Vorzüge einer Hotelaufstockung wollte die große Mehrheit der Veranstaltungsbesucher nicht positiv bewerten. So führte Nina Hanstein, Geschäftsführerin der Tourismus- und Stadtmarketing GmbH, den Mehrwert für die Allgemeinheit ins Feld: „Die Radolfzeller profitieren indirekt davon. Die Gäste lassen ihr Geld in der Stadt, und viele Projekte der Stadt werden mit dem Geld aus dem Tourismus finanziert“, erklärte sie.

Investor Bernd Schuler selbst möchte einen neuen Bereich erschließen: „Wir haben noch nichts für Familien. So etwas fehlt in Radolfzell“, sagte er. Zudem sieht er für das Bora-Hotel die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Erweiterung: „Für manche Dinge ist das Bora noch zu klein“, ließ er wissen. Das sah der ehemalige Wirtekreis-Sprecher und Hotelier Hans Weber etwas anders: „Mit noch mehr Hotelangebot überleben die bestehenden Hotels nicht“, mahnte er. Bleibt abzuwarten, wie der Gemeinderat auf derartige Kritik aus Reihen der Bürger reagiert. Im Verfahren gibt es noch zahlreiche Schritte. Neben der Abstimmung mit den Fachbehörden steht noch eine Bürgerbeteiligung an. Im Oktober soll der Gemeinderat weiter über das Vorhaben beraten.