Viel schlauer war man nach dem Abend irgendwie auch nicht. Die Informationsveranstaltung des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz (GLKN) im Milchwerk wollte über das Strukturgutachten der Firma Lohfert & Lohfert und die Zukunft der Krankenhäuser im Landkreis informieren. Den rund 140 Besuchern der Veranstaltung – 90 verfolgten das Geschehen mittels einer Übertragung im Internet – ging es in erster Linie um das Radolfzeller Klinikum, welches laut dem Gutachten geschlossen werden soll.

Wie die zukünftige Versorgung für Radolfzeller aussehen könnte, wie lange das Krankenhaus vor Ort noch Bestand haben wird und was aus dem Gebäude auf der Mettnau werden soll – darüber gab es unterschiedliche Meinungen. Je nachdem, welcher der Herren auf der Bühne des Milchwerks gerade das Mikrofon hatte.

Bild 1: Die Radolfzeller haben die bittere Pille der Krankenhausschließung geschluckt
Bild: Schneider, Anna-Maria

Der Radolfzeller Oberbürgermeister Simon Gröger brachte den Gemeinderatsbeschluss ein, der vor Kurzem in einer nicht-öffentlichen Sitzung gefällt wurde. Der Gemeinderat erkenne das Gutachten an, wolle aber das Radolfzeller Krankenhaus so lange offen halten, bis ein Neubau bezugsfertig sei. Auch wolle die Stadt sich mit einem eigenen Grundstück in die Diskussion um den Standort dieses Neubaus einbringen und darum werben, das neue Kreis-Krankenhaus in der Nähe von Radolfzell zu bauen.

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Er plädierte dafür, das Wohl der Patienten, und nicht die Finanzen in den Mittelpunkt zu stellen. Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler bemühte sich, die Sache emotionslos zu betrachten. Ihm gehe es nicht darum, wo er im Krankenhaus liege, sondern dass er gesund wieder hinauskomme, sagte er. Dass die Gesundheitsversorgung aber kommunal bleiben sollte, davon sei er überzeugt.

Will schnell für Klarheit in der Sache sorgen: Landrat Zeno Danner.
Will schnell für Klarheit in der Sache sorgen: Landrat Zeno Danner. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Landrat Zeno Danner freute sich, dass das Gutachten selbst nicht infrage gestellt werde. Aber ob das Radolfzeller Krankenhaus wirklich so lange noch in Betrieb sein werde, bis ein neues fertig sei – diese Ansicht teilte der Landrat nicht. Bietet die Schließung des Hauses doch laut dem Gutachten das größte Einsparungspotenzial. Danner zeigte Verständnis für die Radolfzeller, die an ihrem Krankenhaus hingen. Das Gutachten sei „eine harte Nummer für Radolfzell und Singen gewesen“, so der Landrat. Denn geschlossen werden soll laut dem Strukturgutachten nicht nur Radolfzell, sondern auch das Klinikum in Singen.

Verspricht eine gute medizinische Versorgung: GLKN-Chef Bernd Sieber.
Verspricht eine gute medizinische Versorgung: GLKN-Chef Bernd Sieber. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Viele seien in dem Radolfzeller Krankenhaus geboren, das Krankenhaus stehe mitten im Bewusstsein der Bevölkerung, so Danner. Der Landrat bat auch um einen sachlichen Umgang in der Diskussion. Es gehe schließlich um ein jährliches Defizit von 20 Millionen Euro, die der Gesundheitsverbund stemmen müsse.

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Dies könne man sich auf Dauer nicht erlauben. Schnell Klarheit schaffen, forderte der Landrat. Und die, Stand heute, veranschlagten acht Jahre bis zum fertigen Neubau solle man nicht „verschenken“, indem man an den alt hergebrachten Strukturen des Radolfzeller Klinikums festhalte.

Sieht es emotionslos: Singens OB Bernd Häusler.
Sieht es emotionslos: Singens OB Bernd Häusler. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Bernd Sieber, Geschäftsführer des GLKN, versprach auch nach der Schließung des Radolfzeller Krankenhauses ein medizinisches Angebot für Radolfzell. Er brachte auch die Pflegeschule ins Spiel, die in das Gebäude auf der Mettnau einziehen könnte. „Da müssten wir uns aber schon bald entscheiden, da haben wir Zeitdruck“, sagte Sieber. Weitere Ideen für eine Nutzung des Gebäudes gebe es auch: Es könnte zum medizinischen Versorgungszentrum umfunktioniert oder für ambulante Operationen genutzt werden. Das Gutachten sei kein Schließungsgutachten, sondern ein Zukunftsgutachten.

Möchte das Radolfzeller Klinikum lange erhalten: OB Simon Gröger.
Möchte das Radolfzeller Klinikum lange erhalten: OB Simon Gröger. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Vor allem die Zeitschiene trieb die anwesenden Besucher um. Wann schließt das Radolfzeller Haus und was passiert in der Zwischenzeit? Wenn Radolfzell schließe, werde man das Personal nach Singen holen und dort das Angebot verbessern können. So lautete Siebers Antwort auf die Frage, ob das Singener Krankenhaus nicht jetzt schon überlastet wäre und dies noch schlimmer werden würde, wenn das Klinikum in Radolfzell ohne fertigen Neubau schließt. Man habe in vielen Bereichen ein Personalproblem, deswegen käme es zu langen Wartezeiten oder einem reduzierten Angebot, befand Sieber.

Bild 6: Die Radolfzeller haben die bittere Pille der Krankenhausschließung geschluckt
Bild: Schneider, Anna-Maria

Erst einmal weitermachen würde gerne Achim Gowin, Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin des GLKN in Radolfzell. Er meldete sich ebenfalls zu Wort und betonte die positive Zukunftsaussicht seiner Abteilung. Vor der Corona-Pandemie hätte die Geriatrie erfolgreiche Arbeit geleistet und auch finanziell gut abgeschnitten. Daran würden er und sein Team gerne anknüpfen und das Zentrum für Altersmedizin am Standort Radolfzell weiter auf- und ausbauen, so lange bis der zentrale Neubau bezugsfertig wäre. „Das Gutachten ist unser Handlungsauftrag, die Abteilung wieder hochzufahren“, so Gowin.

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So aufgeladen die Debatte um die Schließung des Radolfzeller Klinikums begonnen hatte, verlief die Informationsveranstaltung des GLKN wie von Landrat Danner gewünscht sachlich und konstruktiv. Doch Hansjörg Blender, Kreishandwerksmeister und Radolfzeller Unternehmer, sprach das aus, was viele dachten: „Unser Krankenhaus ist verlottert, weil sich der Gesundheitsverbund nicht darum gekümmert hat. Jetzt geht es aber darum, die Zukunft zu gestalten.“