Der Paukenschlag des Wahlabends am vergangenen Sonntag hallt noch immer durch Radolfzell. Nach dem Erdrutschsieg, der für die meisten Beobachter der Wahl in dieser Deutlichkeit überraschend kam, sind die Erwartungen an den zukünftigen Oberbürgermeister Simon Gröger hoch. Schon am Wahlabend war nämlich klar: 83,3 Prozent der Stimmen sind mit einem großen Auftrag verbunden.
Bürgermeisterin Monika Laule freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Oberbürgermeister, wie sie gegenüber dem SÜDKURIER betont. Gleichwohl hofft sie darauf, dass es Gröger gelingen wird, eine gute Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat zu etablieren, wie er es im Wahlkampf versprochen hat.
„Ich hoffe, dass es ein verlässliches und verbindliches Arbeiten wird, sehe dazu aber auch den Gemeinderat in der Pflicht“, so Laule. Sie zeigt sich jedoch optimistisch, dass das gelingen wird. „Schließlich wurde der Kandidat im Wahlkampf von drei Fraktionen des Gemeinderats unterstützt.“ Das deutliche Ergebnis zeige, dass die Bürger eine andere Kultur an der Verwaltungsspitze möchten, so Laule.
Einen Einschnitt stellt diese Wahl auch für die Radolfzeller Narren dar. Mit dem ehemaligen OB war das Programm für den Narrenspiegel schon immer gesichert. „Wir hoffen natürlich darauf, dass auch der neue OB genügend Stoff für den Narrenspiegel liefert“, sagt Martin Schäuble, Zunftpräsident der Narrizella Ratoldi und ergänzt: „Einen geeigneten Gröger-Darsteller haben wir schon. Dahingehend sind wir zum Glück sehr flexibel.“
Ein Herz für die Fasnacht
Dass der neue Oberbürgermeister ein offenes Ohr für die Anliegen und die Sorgen der Vereine haben und diese jederzeit unterstützen solle, wünscht sich Annette Wrzeszcz, Präsidentin der Froschen. „Falls es wieder zu so einer extremen Situation wie 2021 kommt, sollten die Narren wenigstens die Möglichkeit haben, Fasnachtsbändel aufzuhängen und zumindest einen „kleinen“ Narrenbaum stellen können“, betont sie.
Äußerst positiv sei der Sieg von Simon Gröger beim Gesamtelternbeirat Kita (GEB) aufgenommen worden, wie dessen Vorsitzende, Julia Birster, berichtet. „Wir haben das Gefühl, dass mit Gröger ein Mann als OB nach Radolfzell kommt, der allein aufgrund seiner privaten Situation um die Themen weiß, die junge Familien bewegen“, sagt Birster. Sie erhofft sich von Gröger eine familienfreundlichere Politik in der Stadt. Die Themen frühkindliche Bildung und Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze müssten etwa in der Priorität deutlich höher eingestuft werden.
Paula Bickel, die Vorsitzende des Seniorenrats freut sich ebenfalls darüber, dass mit Gröger ein junger Familienvater OB von Radolfzell wird. „Er wird sich sicher gut für die Kinder und Jugendlichen in der Stadt einsetzen“, sagt sie. Der erste Eindruck von Gröger sei positiv, sagt Paula Bickel.
Ihre Hoffnung ist, dass der neue OB alle Altersgruppen in der Stadt gleichermaßen gut behandelt. „Es wäre außerdem schön, wenn wir unseren neuen Seniorentreff, der aktuell bis Januar geplant ist, auch darüber hinaus fortsetzen können“, sagt Bickel. Hierfür wünscht sie sich weitere Unterstützung durch den neuen OB.
Für Norbert Lumbe, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Gemeinderat, ist Gröger der richtige Mann zur richtigen Zeit für Radolfzell. „Schon allein, weil er einer anderen Generation angehört“, so Lumbe. Auch wenn es viele Entscheidungen gegeben habe, die in großer Einmütigkeit getroffen worden seien, habe Staab im Gemeinderat in manchen Situationen statt zu moderieren eher eskaliert.
„Ich habe keine Zweifel daran, dass Simon Gröger andere Umgangsformen finden wird“, sagt Lumbe. Er hofft, dass der Gemeinderat ein „Arbeitsparlament“ werde, in dem gegenseitiges Vertrauen herrsche. „Das schließt aber natürlich nicht aus, dass auch in Zukunft kontrovers diskutiert wird“, so Lumbe.
Zurück zur Sacharbeit
Dietmar Baumgartner, der bei den Freien Wählern den Fraktionsvorsitz innehat, ist noch immer betroffen vom deutlichen Ergebnis der Wahl. Martin Staab habe in den letzten acht Jahren gute Sacharbeit geleistet. „Im Wahlkampf wurde viel Stimmung gemacht, und wenn sich drei Parteien gegen einen Kandidaten zusammenschließen, dann hat er wenig Chancen zu gewinnen“, analysiert Baumgartner den Erdrutschsieg von Simon Gröger. Doch „die Bürger haben gewählt und nun ist der neue am Zug“, betont er.
Die Freien Wähler wollen ihre Sacharbeit im Gemeinderat fortsetzen und dabei den neuen OB unterstützen. „Wir hoffen natürlich, dass er das, was er im Wahlkampf angekündigt hat, auch umsetzen kann, sofern es finanzierbar ist“, so Baumgartner.
Für Jürgen Keck, Fraktionsvorsitzender der FDP, ist das Wahlergebnis hingegen eine positive Überraschung. „Das war ein guter Tag für Radolfzell“, sagt er über den Wahlsonntag. Die letzten acht Jahre seien für ihn vor allem von einem geprägt gewesen: „Stillstand“.
Er hofft nun, dass mit dem neuen OB einiges vorwärts gehen wird. „Dazu muss es ihm gelingen, Einigkeit im Gemeinderat herbeizuführen“, sagt Keck. Er blickt optimistisch auf die Zusammenarbeit, denn „in den Gesprächen vor der Wahl hat sich gezeigt, dass sich viele unserer Ziele überschneiden“, erklärt er.
„Simon Gröger bringt viel Fachwissen mit. Damit kann er in Radolfzell einiges bewirken“, ist sich Bernhard Diehl, Vorsitzender der CDU-Fraktion, sicher. Wenn er zusätzlich noch einen neuen Führungsstil einführe, dann werde auch wieder ein effizienteres Arbeiten in der Verwaltung möglich, hofft Diehl.
Aktiv im Vereinsleben drin
In den ersten Wochen der Amtszeit von Simon Gröger werde es eine zentrale Aufgabe sein, eine neue Vertrauenskultur zwischen dem Oberbürgermeister und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus und den städtischen Betrieben zu etablieren, sagt Siegfried Lehmann, Fraktionsvorsitzender der Freien Grünen Liste (FGL).
Mehrere wichtige Projekte, beispielsweise zum Mietwohnungsbau und zum Klimaschutz seien in den vergangenen Jahren zwar angestoßen, aber vor der Realisierung ausgebremst worden. „2022 muss daher endlich das Jahr der Umsetzung von zögerlich begonnenen oder immer wieder verschobenen, wichtigen Projekten sein“, so Lehmanns Wunsch.
Annette Neitsch, Vorsitzende des Turnvereins Radolfzell, stimmt es optimistisch, dass Simon Gröger ebenfalls in einem Sportverein aktiv ist. „Ich denke, ein OB, der selbst im Vereinsleben aktiv ist, hat dazu auch einen ganz anderen Zugang, als einer, der die Vereine nur aus Verwaltungssicht betrachtet“, sagt Neitsch.
Sie hofft deshalb, dass die Projekte, die im Rahmen des Sportentwicklungsplans bereits geplant wurden, zügig in die Umsetzung gehen. „Wichtig ist mir dabei, dass möglichst viele Sportarten und Vereine eingebunden werden“, bringt Annette Neitsch ihre Wünsche auf den Punkt.
Sport soll wichtiger werden
Ähnlich sieht es der Präsident des FC Radolfzell, Oliver Preiser. „Radolfzell hat 15.000 Sportler, die Sportanlagen haben einen katastrophalen Renovierungsstau und wir hoffen, dass der Sportentwicklungsplan zeitnah umgesetzt wird.“
Sein Wunsch an den neuen OB sei, dass der Sport an Stellenwert gewinnt. „Kultur und Musik stehen aus unserer Sicht mit dem Sport nicht auf Augenhöhe. Aber ich bin mir sicher, dass man alle Bereiche sehr gut miteinander verbinden könnte“, so Preiser.
In vielen Fragen rund um das Thema Naturschutz hat Thomas Körner, der Geschäftsführer des NABU Donau-Bodensee, in den vergangenen Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem scheidenden Oberbürgermeister Martin Staab gepflegt. „Wir hatten immer eine gute, einvernehmliche Zusammenarbeit“, so Körner.
Nun hoffe er, dass auch mit dem neuen Oberbürgermeister eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. „Nachdem wir uns im Rahmen des Wahlkampfs schon kennenlernen konnten, ist meine erste Einschätzung dahingehend aber positiv“, betont Körner.