Herr Gröger, Sie haben zwei Nächte seit dem Wahlabend am Sonntag hinter sich gebracht, wie viele Stunden haben Sie geschlafen?

Es waren doch recht wenige. Ich merke aber jetzt, wie eine große Erschöpfung bei mir hervorkommt. Ich kann das Wahlergebnis immer noch kaum fassen, es ist total beeindruckend. Ich werde mich jetzt nach und nach schrittweise erholen von den ganzen Anstrengungen.

Wie erklären Sie sich das überwältigende Ergebnis von über 83 Prozent?

Also ganz kann ich es mir noch nicht erklären. Ich glaube, dass ich mit meinem langen Wahlkampf mit vielen, vielen Terminen und Besuchen die breite Masse der Bürgerschaft erreichen konnte. Das ist für mich ganz wichtig, dass sich Radolfzell als eine große Gemeinschaft versteht. Ein weiterer Punkt war, dass ich immer auf dem Wochenmarkt war. Dass ich da stets ansprechbar war. Diese Bürgernähe ist sehr positiv registriert worden. Ich wurde auf den Wegen zu Terminen und zurück, im Parkhaus und im Restaurant angesprochen. Dafür habe ich mir immer Zeit genommen. Es wurden mir extrem viele Nachrichten und E-Mails geschickt mit ganz persönlichen Fragen, die ich versucht habe, alle zu beantworten. Von dem her denke ich, das Ergebnis ist auch ein Votum für das große Engagement der vergangenen Monate.

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Was schätzen Sie, mit wie vielen Radolfzellern hatten Sie Kontakt?

Es waren mehrere Tausend. Aber genauer kann ich das nicht schätzen.

Wie viele und welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?

Auf meinem Smartphone gingen über 700 Nachrichten ein. Wie viele mir bereits am Sonntag vor dem Milchwerk gratuliert haben, kann ich nicht sagen. Zu den Glückwünschen kam der Hinweis, dass dieser frische Wind (Anmerkung der Redaktion: „Frischer Wind für Radolfzell“ war Simon Grögers Wahlkampfslogan) nötig ist. Viele haben mir berichtet, dass die Menschen sich freuen, dass Radolfzell wieder geeint ist und gemeinschaftlich in die Zukunft blickt.

Wie wollen Sie diese gemeinschaftliche Linie bewerkstelligen, 83-Prozent-Mehrheiten sind eher die Ausnahme?

Der wichtigste Punkt ist, dass man stets ein offenes Ohr für die Bürger hat und mit allen Betroffenen den Dialog sucht. Die Radolfzeller sollen wahrnehmen, dass meine Arbeit von Vertrauen und Verlässlichkeit geprägt ist. Eine inhaltliche Diskussion wird es sicherlich in jedem Punkt geben, aber es muss klar sein, dass der zukünftige Stil auf Transparenz, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit basiert und dass die Entscheidungen nachvollziehbar sind. Und wenn die Entscheidungen gefällt sind, dass diese auch nicht revidiert und zeitnah umgesetzt werden. Das ist die Basis und mein Ansatz. Dafür möchte ich mich mit vollem Engagement einbringen.

Welche Rückmeldungen haben Sie aus dem Gemeinderat bekommen?

Bis jetzt nur positive, die Stadträte freuen sich auf die Zusammenarbeit und ein wertschätzendes Miteinander.

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Haben Sie schon ein Wohnungsangebot für Radolfzell bekommen?

Nein, tatsächlich noch nicht. Hier denke ich ganz klar als Familienvater. Die Wohnlage muss für uns so sein, dass Kindergarten, Grundschule und ÖPNV-Anbindung passen. Wir werden da als Familie nichts überstürzen, wir wollen lieber an die richtige Stelle in Radolfzell ziehen und langfristig bleiben, als jetzt schnell hinziehen, um dann nach kurzer Zeit wieder umziehen zu müssen.

Haben Ihre Kinder schon begriffen, dass ein Umzug ansteht?

Bei meiner Tochter mit drei Jahren ist das noch nicht so präsent, aber bei meinem Sohn mit sieben Jahren ist das schon angekommen. Aber meine Frau und ich wollen, dass es da einen möglichst sanften Übergang gibt. Für die Kinder ist das schon ein sehr großer Lebensschritt, da möchten wir mit dieser Sache sehr sensibel umgehen.

Wie waren die Reaktionen im Rathaus in Tuttlingen?

Das Ergebnis hat beeindruckt. Hier im Rathaus haben das einige mitbekommen, was der Wahlkampf für eine Anstrengung war. Die Kolleginnen und Kollegen freuen sich sehr, dass diese große Mühe und Anstrengung in einem Erfolg endet.

Sie können am 1. Dezember in Radolfzell als OB anfangen?

Michael Beck, mein OB hier in Tuttlingen, hat signalisiert, dass man das vertraglich vereinbaren und ich passend in Radolfzell beginnen kann.

Was sagt Ihr privates Umfeld an Ihrem Wohnort in Wurmlingen?

Aus dem Turnverein haben mir viele gratuliert, aber meist war auch ein trauriges Smiley dabei. Sie gönnen es mir alle, aber sie sind sehr traurig, dass ich in absehbarer Zeit meine Funktion im Vorstand nicht mehr fortführen kann.

Rückblickend betrachtet, war es ein fairer Wahlkampf?

Ich habe mich darum bemüht, dass er von meiner Seite aus ordentlich und fair abläuft. Ich kann aber nicht bestätigen, dass er von anderer Seite zu jedem Zeitpunkt fair geführt wurde.

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Was haben Sie als unfair empfunden, war es die Unterstellung, Sie wären von den drei Fraktionen „gekauft“?

Ein Wahlkampf kostet viel Geld. Es sind eher 1,50 Euro pro Einwohner als ein Euro pro Einwohner. Da sind nicht nur die Ausgaben für Plakate oder Flyer, vom Mietwagen bis zur Parkgebühr – täglich fällt etwas an. Der Löwenanteil kommt aus unserem Familienbudget. Die anteilige Finanzierung der Parteien von je 3500 Euro stellt für mich keine Abhängigkeit dar. Für mich war entscheidend, dass es keine Steuermittel sind. Deshalb war ich über den Vorwurf sehr irritiert, FGL, CDU und SPD hätten mich mit Steuermittel unterstützt. Wären es Steuermittel gewesen, hätte ich sie nicht angenommen.

Gab es während des Wahlkampfs einen kritischen Punkt zu dem Sie sagen, das würde ich heute anders machen?

Ich würde den Wahlkampf vielleicht verkürzen. Am Ende musste ich an meine letzten Reserven gehen. Ich habe ein neues Belastungslevel von mir kennengelernt. Aber ich muss sagen, es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Was weh getan hat, war, dass ich meine Kinder nur sehr kurz am Tag sehen konnte.

Wie sieht denn jetzt Ihr Zeitplan aus?

Mein Zeitplan hat am 17.10. geendet. Ich war absolut fokussiert auf den Wahltermin. Mir war klar, dass ich mich danach neu ausrichten muss. Es hätte ja sein können, dass ich verliere. Jetzt zählt die Freude auf den Start in Radolfzell. Mir ist es wichtig, dass ich in Tuttlingen alles ordentlich übergeben kann. Ich gehe mit meiner Familie noch in einen Kurzurlaub. Da nutze ich die Tage, die ich mir für einen zweiten Wahlgang reserviert habe.