Früh verkündet OB Martin Staab, dass er für eine weitere Amtsperiode kandidiert. Früh steigt Simon Gröger in den Wahlkampf ein. Bereits an dem Wochenende, nach dem er erklärt hat, er wolle in Radolfzell OB werden, mischt er sich beim Promenadenkonzert in Markelfingen unters Volk.
Das waren die Szenen des Wahlkampfs:
- Staab eröffnet das Video-Wahljahr: Wegen Corona gibt es die Neujahrsansprache Mitte Januar nur als Video. In einer Sequenz am Ende des Videos hat Martin Staab die Amtskette abgelegt. Der OB verkündet, dass er OB bleiben möchte: „Es würde mich persönlich sehr freuen, wenn Sie mir auch in 2021 wieder Ihr Vertrauen schenken.“ Was nicht fehlt in dieser Ansprache, ist beim Thema Klimaschutz der Seitenhieb auf die Streuhau-Schützer: „So gibt es eine Minderheit, die sehr lautstark gegen ein Hotelerweiterungsprojekt im Streuhau ficht.“
- Drei einigen sich auf einen: Mit selten gesehener Einigkeit präsentieren Freie Grüne Liste, CDU und SPD im Juni ihren Kandidaten für die OB-Wahl in Radolfzell. Ihr Ziel: Staab muss weg. In Simon Gröger, dem 36-jährigen Wirtschaftsförderer der Stadt Tuttlingen, glauben sie, den Kandidaten gefunden zu haben, der das schafft. Gröger selbst traut sich das zu. Und er macht Dampf. Am Wochenende ist er beim Promenadenkonzert in Markelfingen, auf seinem ersten Post im sozialen Netzwerk Facebook sammelt er schon 56 Likes. Gröger startet seinen Marsch durch Radolfzell, hält an vielen Stationen und hinterlässt Eindruck.
- Keck sagt ab: Ende Juni gibt der in Radolfzell beliebte, aber bei der Landtagswahl knapp gescheiterte FDP-Stadtrat Jürgen Keck bekannt, dass er bei der OB-Wahl nicht kandidieren werde. Er räumt ein, dass die Geschlossenheit der drei Fraktionen für Gröger ihn bei seiner Entscheidung beeinflusst habe.
Vier Punkte, die es zum neuen Radolfzeller Oberbürgermeister Simon Gröger noch zu sagen gibt
- Der Mieterbund sagt ab: Das Gesprächsangebot von OB Martin Staab kommt beim Mieterbund Konstanz-Radolfzell nicht gut an. Die Einladung Staabs sei allein dem Wahlkampf geschuldet, schreibt Vorsitzender Herbert Weber. Der OB habe in den vergangenen acht Jahren keine Gesprächsanfrage des Mieterbundes persönlich angenommen, jetzt sehe der Mieterbund keine Notwendigkeit dafür.
- Minderheiten und Mehrheiten im Streuhau: Das mit der „lautstarken Minderheit“ hat sich im Laufe des Jahres zumindest als eine sehr gewagte These von Martin Staab herausgestellt. Bei einer Bürgerbefragung mit 880 Teilnehmern gaben etwa zwei Drittel an, dass sie eine Bebauung des Auwaldes für gar nicht oder weniger sinnvoll halten. OB Staab will im September das Projekt Feriendorf im Streuhau noch retten und schlägt einen Bürgerentscheid vor. Die Mehrheit der Fraktionen im Gemeinderat winkt ab, sie wollen das Streuhau und das Bodenseereiter-Gelände zu Schutzgebieten erklären. OB-Kandidat Gröger präsentiert nach Gesprächen mit Naturschutzverbänden und dem Investor einen Alternativplan mit einer Bebauung im Herzen östlich des Bora-Hotels. Staab favorisiert weiter ein Feriendorf im Streuhau.
- Ende der Bewerbungsfrist: Martin Staab (57), Simon Gröger (36) und Helmut Ringger (66) werden mit Ende der Bewerbungsfrist am 20. September für die OB-Wahl in Radolfzell zugelassen. Die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt. Zu den Wahlkampfterminen von Martin Staab kommen meist zehn bis zwanzig Interessierte, bei Simon Gröger sind es nicht selten über 40.
- Spaziergang mit Staab: Die SÜDKURIER-Redakteure unternehmen einen Spaziergang mit Kandidaten. Unterwegs sollen sie erzählen, warum sie diese Route ausgesucht haben. Staabs Route führt vom Gewerbegebiet Blurado bis zur Konzertmuschel. Unterwegs kommen wir auf die gescheiterte Seetorquerung und die Verhältnisse im Gemeinderat zu sprechen. Staab sagt: „Großprojekte brauchen große Mehrheiten.“ Auf unsere Nachfrage nach dem Spaziergang, wie Staab als OB in einer neuen Amtsperiode Mehrheiten bekommen wolle, wenn Freie Grüne Liste, CDU und SPD den Gegenkandidaten unterstützten, antwortet Staab: Das sei ein Vergleich von „Äpfeln mit Birnen“. Der Gemeinderat entscheide „nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle der Stadt“.
- Spaziergang mit Gröger: Mit einer Körperlänge von 1,93 Metern fällt man leicht auf. Es sind gerade erst drei Monate seit der Bekanntgabe seiner Kandidatur vergangen, aber Simon Gröger wird bald an jeder Ecke erkannt und gegrüßt. Im Vorbeigehen, vom Fahrrad herunter, aus dem Auto heraus. Grögers Route startet auf dem Marktplatz durch die Innenstadt, raus zu den Schulen und mit einer Schleife am Mettnaustadion vorbei am See entlang zum Bahnhof. Mit Blick aufs Rathaus sagt er als Zukunftsperspektive: „Ich möchte, dass die Leute mit einem Lächeln ins Rathaus kommen.“
- Die wunden Daumen: Bei diesem Spaziergang hat sich eine Schlüsselszene abgespielt, die etwas über die Wirkung von Simon Gröger aussagt. Unten an der alten Wäschbruck, ein paar Meter entfernt vom Wasserspielplatz, sitzen zwei ältere Frauen auf der Bank. Sie genießen die Herbstsonne. Als die eine Simon Gröger erkennt, springt sie auf, hält ihn an der Hand fest und sagt: „Herr Gröger, mini Dume sind scho ganz wund vum Drucke, dass es für Sie langt.“ Ob er das verstehe? Ja, sagt Gröger, die Daumen seien ganz wund vom Drücken und dass sie ihm viel Glück wünsche. Ja, sagt die Frau: „So isch es.“