Diese zwei Fälle haben im Sommer 2023 in Radolfzell für Aufsehen gesorgt: Ende Juli wurde im Radolfzeller Stadtgebiet ein Taxifahrer mit einem Messer bedroht und ausgeraubt. Kurze Zeit später wurde der Kiosk in der Konstanzer Straße von einem Unbekannten überfallen und der Mitarbeiter ebenfalls mit einem Messer bedroht. Für beide Fälle muss sich nun ein junger Mann vor dem Konstanzer Landgericht verantworten. Dem 24-Jährigen wird in beiden Fällen schwere räuberische Erpressung zur Last gelegt. Im Raum stehen mehrere Jahre Haft. Das Urteil wird am 9. April erwartet.

Was nach den Taten aus den damaligen Polizeimeldungen nicht hervorging: Die zwei Fälle lagen nur wenige Stunden auseinander. Laut der Staatsanwaltschaft soll der junge Mann, der aus Äthiopien stammt, aber bereits seit seiner Kindheit in Deutschland lebt, am 27. Juli 2023 am Konstanzer Bahnhof ein Taxi herangewunken und den Fahrer gebeten haben, ihn nach Radolfzell in die Nordendstraße zu bringen. Dort angekommen, soll er dem Mann ein Messer von hinten an den Hals gedrückt und die Herausgabe des Geldbeutels gefordert haben. Anschließend sei er ins Wohngebiet geflüchtet.

Nächster Überfall nur Stunden später

Nur Stunden später, um kurz vor 11 Uhr vormittags, soll derselbe junge Mann, in den Kiosk in der Konstanzer Straße gegangen sein und dort den Mitarbeiter wieder mit einem Messer bedroht haben. Er soll die Herausgabe des Geldes in der Kasse gefordert haben und anschließend wieder mit seiner Beute geflüchtet sein.

Erst Monate später, im November 2023, ist der Tatverdächtige in seiner Wohnung festgenommen worden. Überführt wurde er durch einschlägige Fingerabdrücke sowie DNA-Spuren, die jeweils an beiden Tatorten festgestellt werden konnten. Zum einen befanden sich Abdrücke seines Ring- und Mittelfingers an der rechten Autotür des Taxis. Zum anderen waren am T-Shirt des Kiosk-Mitarbeiters DNA-Spuren des 24-Jährigen zu finden. Diesen hatte der Täter mit einer Hand im Schulterbereich gepackt, während er in der anderen Hand das Messer hielt.

In der Nordendstraße, hier im Bild ist die Ecke Nordendstraße/Eschenwinkel zu sehen, ließ der heute 24-Jährige von dem Taxifahrer absetzen.
In der Nordendstraße, hier im Bild ist die Ecke Nordendstraße/Eschenwinkel zu sehen, ließ der heute 24-Jährige von dem Taxifahrer absetzen. | Bild: Jarausch, Gerald

Die Spurenanalyse konnte in diesem Fall nur erfolgreich sein, weil der Tatverdächtige einschlägig vorbestraft ist und seine Fingerabdrücke sowie sein DNA-Profil bereits im Polizei-System vorhanden waren. Der Angeklagte stand bereits mehrfach wegen schweren Raubes, Körperverletzung und räuberischer Erpressung vor Gericht stand, damals noch als Jugendlicher. Bereits 2017 sollen er und Freunde unter anderem einen Taxifahrer ausgeraubt haben. Als Zeugen waren mehrere Beamte der Kriminalpolizei geladen, die von der Spurensicherung und Analyse der gefundenen Spuren berichteten.

Entschuldigung an den Kiosk-Mitarbeiter

Den Überfall auf den Kiosk gab der Angeklagte vor Gericht ohne Umschweif zu. Bereits während der Tat hatte er sich beim Mitarbeiter entschuldigt. Nachdem der Täter den Mitarbeiter rund 1300 Euro aus der Kasse in einen Stoffbeutel packen ließ, soll er kurz vor der Flucht noch gesagt haben: „Es tut mir leid. Du kannst jetzt die Polizei rufen“.

Vor Gericht wiederholte er seine Entschuldigung gegenüber dem Geschädigten, der im Zeugenstand aussagte. Er versicherte ihm, er habe ihn mit dem Messer nie verletzten wollen. Seine Taten seien nicht zu rechtfertigen, aber er bot Schadensersatz und Schmerzensgeld an, welches der Kiosk-Mitarbeiter allerdings ablehnte. Die Entschuldigung nahm er an.

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Beim Überfall auf den Taxi-Fahrer beharrte der 24-Jährige allerdings darauf, dass er mit der Tat nichts zu tun hatte. Dort soll der Umgangston auch etwas rauer gewesen sein als bei dem Vorfall im Kiosk. Der 51 Jahre alte Taxifahrer sagte aus, er habe bereits bei Fahrtantritt ein komisches Gefühl gehabt.

Der Angeklagte habe nämlich beim Einsteigen erst die rechte Tür auf der Beifahrerseite hinten geöffnet, um einen kleinen grauen Turnbeutel auf die Rückbank zu legen. Dann erst sei er ums Auto herumgegangen und hinter dem Fahrer auf der linken Seite eingestiegen. „So steigt kein normaler Mensch mit so einer kleinen Tasche ein“, so der Taxifahrer. Während der Fahrt habe er auch so gesessen, dass der Fahrer den Fahrgast nicht habe im Spiegel sehen können. „Er hatte den Überfall von Anfang an geplant“, ist sich der 51-Jährige sicher.

Taxifahrer leidet noch nach dem Überfall

Er sei nach dem Vorfall sechs Wochen lang krankgeschrieben gewesen und befinde sich noch immer in psychologischer Behandlung, berichtete der Taxifahrer vor Gericht. Außer Stammkunden dürfe kein Fahrgast mehr auf dem Sitz hinter ihm Platz nehmen. Auch Fahrten außerhalb von Konstanz mache er erst jetzt wieder, er habe lange Zeit zu große Angst gehabt. Ihm soll der Angeklagte nicht nur ein Messer an den Hals gedrückt haben, auch soll er ihm vor der Flucht mit rund 400 Euro gedroht haben: „Wenn du mir folgst, stech ich dich ab.“

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Doch diese Tat will der 24-Jährige nicht begangen haben. Wie die Fingerabdrücke an die rechte Autotür gekommen sein sollen, dafür habe er lediglich Wahrscheinlichkeitserklärungen, wie er sagte. Und auch sonst spricht wenig für den Angeklagten, was für mildernde Umstände sorgen könnte.

Geboren wurde er in Addis Abeba in Äthiopien. Weil seine Mutter einen Deutschen geheiratet hatte, kam er im Alter von acht Jahren nach Deutschland, er lernte schnell Deutsch und spricht akzentfrei. Schulisch und beruflich hatte sich der heute 24-Jährige allerdings nicht hervorgetan. Mehrfach sei er von der Schule geflogen und brach Ausbildungen ab. Seitdem er ein Teenager ist, raucht er täglich und mittlerweile sehr viel Cannabis. An den Wochenenden habe er auch Kokain konsumiert. Bisher hatte er eine Drogentherapie abgelehnt, doch äußerte er jetzt vor Gericht den Wunsch, seinen Drogenkonsum in den Griff bekommen zu wollen. Dafür könnte er in Haft viel Zeit haben. Im Raum steht für den Angeklagten eine Haftstrafe von sieben Jahren oder mehr.