Der ganz große Ärger konnte abgewandt werden, doch es ist etwas haften geblieben: „Ich war ganz überrascht, wie oft ich von Leuten auf diese Sache angesprochen wurde“, erzählt Sandra Fuchs, Vorständin des BSV Nordstern. Die Sache, das ist eine Reservierung der Initiative „Demo für alle“ in der BSV-Vereinsgaststätte für Mitte Juli.

Die christlich-fundamentalistische Initiative organisiert seit ihrer Gründung 2014 vor allem Proteste, die sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare einsetzt. Ins Leben gerufen wurde die Initiative unter anderem von der AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Das ist die erzkonservative Politikerin, die immer wieder in der Kritik steht. Unter anderem forderte sie 2016 den Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze, auch gegen Frauen.

Erst durch Dritte wurde klar, wer da eigentlich reserviert hat

Nicht gerade die Gesellschaft, in der sich der BSV Nordstern selbst verorten würde. Sie hätten erst durch Dritte erfahren, dass die in ihrem Vereinsheim getätigte Reservierung in einschlägigen Telegram-Kanälen beworben werde, so Sandra Fuchs.

Ohne den Grund der Reservierung transparent zu machen, haben Mitglieder der christlich-fundamentalistischen Initiative „Demo für ...
Ohne den Grund der Reservierung transparent zu machen, haben Mitglieder der christlich-fundamentalistischen Initiative „Demo für alle“ versucht, den Nebenraum der BSV Nordstern für eine Veranstaltung zu buchen. Der Verein hat diese Reservierung storniert. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Der BSV und auch der Pächter der Gaststätte hätten bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung gehabt, wer da eigentlich für was gebucht hat. „Es wurde ganz normal der Nebenraum für 20 Personen gebucht. Dass es sich um eine politisch motivierte Veranstaltung handelt, wurde bei der Reservierung nicht gesagt“, so die Vorständin.

Reservierung wurde wieder storniert

Nachdem klar geworden sei, dass sich dort eine Initiative treffen wolle, deren Agenda nicht mit den Werten des BSV Nordstern vereinbar sei, habe man diese Reservierung wieder gekündigt. „Wir haben eine Vorstandssitzung einberufen und uns war allen klar, wir wollen solche Leute nicht in unserem Vereinsheim haben“, macht Sandra Fuchs klar. Der BSV sei offen für alle, die Lust am Fußball und am Vereinsleben hätten, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung. Und diese Werte lebe man aktiv, das seien nicht nur Lippenbekenntnisse. „Wir haben Mitglieder aus aller Welt bei uns“, so die Vorständin.

„Wie schnell man in eine bestimmte Ecke gestellt wird, damit hätte ich nie gerechnet.“Sandra Fuchs, Vorständin des BSV Nordstern
„Wie schnell man in eine bestimmte Ecke gestellt wird, damit hätte ich nie gerechnet.“Sandra Fuchs, Vorständin des BSV Nordstern | Bild: Schneider, Anna-Maria

Dass die Initiative „Demo für alle“ versucht hat, sich die Reservierung zu erschleichen, ärgert die Vorständin. In der Gaststätte würden sich immer wieder mal Vertreter von Parteien oder politischen Fraktionen aus dem Radolfzeller Gemeinderat treffen, doch diese würden ihre Reservierung transparent machen.

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Jetzt ein Verbot auszusprechen, gar keine politischen Vereinigungen mehr willkommen zu heißen, hält Sandra Fuchs allerdings für übertrieben: „Das trifft doch am Ende nur die Falschen und unser Pächter freut sich über die Reservierungen eigentlich.“ Aber klar sei auch: Es solle keine politische Diskussion stattfinden, die nicht mit den Inhalten und Werten des Verein übereinstimme.

In Zukunft wird genauer nachgefragt

Man habe mit dem Wirt vereinbart, dass in Zukunft genau nach Zweck und Anlass der Reservierung gefragt werde. Das sei allerdings keine Garantie dafür, nicht doch getäuscht und angelogen zu werden, räumt sie ein. Es sei nachvollziehbar, dass es für solche Gruppierungen schwer sei, einen Veranstaltungsort anzumieten. Aber die Identität zu verschleiern, halte sie für Betrug. Mit einem Beitrag auf der Internetseite des BSV Nordstern hat sich der Verein auch schriftlich klar von der Initiative „Demo für alle“ distanziert.

Eine Anfrage des SÜDKURIER bei der Pressestelle der Initiative „Demo für alle“, wie aus ihrer Sicht die Reservierung abgelaufen ist, blieb bislang unbeantwortet.

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Auch wenn die Veranstaltung in dem Vereinsheim nie stattgefunden hat, die Auswirkungen der Einladung haben Sandra Fuchs doch erschüttert, wie sie sagt. „Wie schnell man in eine bestimmte Ecke gestellt wird, damit hätte ich nie gerechnet“, sagt die BSV-Vorsitzende. Es habe besorgte Anrufe der Stadtverwaltung und des Südbadischen Fußballverbandes in dieser Sache gegeben.

Facebook-Freunde von der AfD

Und eine E-Mail des Offenen Antifaschistischen Treffens, kurz OAT, Konstanz habe sie und auch die SÜDKURIER-Redaktion erreicht, in der ihr persönlich eine besondere Nähe zum AfD-Gemeinderat Axel Politz aus Rielasingen-Worblingen unterstellt wurde. Der Grund: Sie und Politz sind Facebook-Freunde. „Ich kenne Axel schon sehr mehr als 20 Jahren, das bedeutet aber nicht, dass ich mit den Werten seiner Partei einverstanden bin“, stellt Sandra Fuchs klar. Wer übrigens auch mit Axel Politz auf Facebook befreundet ist, ist der Radolfzeller Oberbürgermeister Simon Gröger.

Nachträgliche Ergänzung der Redaktion: Nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels am Samstag, 5. August, hat sich OB Simon Gröger über seine persönliche Referentin zu Wort gemeldet. Er kenne Axel Politz nicht, habe keine persönliche oder berufliche Verbindung zu ihm, und habe dessen Account auf Facebook mittlerweile auch blockiert, teilt seine Sprecherin Julia Theile mit. „OB Gröger distanziert sich deutlich sowohl von der Gruppe „Demo für alle“, der AfD sowie ihr nahestehenden Organisationen und Gruppierungen“, schreibt sie abschließend.

Weitere nachträgliche Ergänzung der Redaktion: Die Redaktion hat Hedwig von Beverfoerde, Pressesprecherin der „Demo für alle“, am 2. August 2023 um Stellungnahme zu den Sachverhalten gebeten. Darauf reagierte sie trotz angemessener Frist erst am 7. August 2023, also zwei Tage nach der ersten Publikation. Frau von Beverfoerde legt Wert auf die Feststellung, dass sie oder der von ihr vertretende Verein „Demo für alle“ keine Anfrage zur Raummiete beim BSV Nordstern vorgenommen hat oder vornehmen wollte. Der BSV Nordstern stellt es anders dar.