Es war ein Prozess mit einer ungewöhnlichen Rollenverteilung, bei dem noch Fragen offen blieben. Denn vor dem Amtsgericht Radolfzell musste sich eine heute 37-Jährige verantworten, weil sie im Sommer 2023 einem Mann in die Hose und an den unbedeckten Hintern gefasst hatte. Die Berührung räumte sie von Beginn an ein – verurteilt wurde sie aber dennoch nicht.

Wie die Angeklagte schilderte, sei sie damals mit Freunden in einem Club feiern gegangen. Zuvor habe sie auch den Geschädigten, den sie zuvor bereits flüchtig kennengelernt hatte, eingeladen, dazuzukommen. „Er war gleich sehr flirtend drauf“, schilderte sie. Sie hätten sich viel unterhalten, auch über tiefgründige Themen, und miteinander angestoßen.

Als Richterin Ulrike Steiner nachhakte, dass das für sie noch nicht unbedingt Flirten sei, erklärte die 37-Jährige, er sei ihr gegenüber „sehr offenherzig“ gewesen und habe geschäkert. Zwar habe er einige Wochen zuvor erwähnt, dass er eine Freundin habe, zum Zeitpunkt des Clubbesuchs habe sie aber nicht gewusst, ob diese Beziehung noch bestand.

„Für mich war das alles einvernehmlich“

Schließlich seien sie gemeinsam an der Bar gewesen und hätten Schnäpse getrunken. „Für mich war das alles einvernehmlich“, erklärte die Angeklagte. Sie habe ihn attraktiv gefunden und gedacht, irgendjemand müsse nun „den nächsten Schritt machen“. Daraufhin habe sie ihm die Hand auf den Rücken gelegt, sie langsam hinuntergleiten lassen und ihm von hinten in die Hose gegriffen.

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Dabei habe er nichts gesagt und sie auch nicht angesehen. Weil sie sich allerdings nicht sicher gewesen sei, ob für ihn die Berührung angenehm gewesen sei, habe sie sich zurückgezogen. Daraufhin sei er aufgestanden und gegangen. Gesagt habe er an dem Abend nichts, erst am nächsten Tag habe sie über einen der anwesenden Freunde erfahren, dass sie für den Geschädigten eine Grenze überschritten habe. Sie habe sich daraufhin per Chatnachricht bei ihm entschuldigt.

Der Geschädigte widerspricht

Eine Zeugin, die mit der Angeklagten an diesem Abend den Club besucht hatte, bestätigte, die Angeklagte und der Geschädigte hätten miteinander geflirtet. Die Angeklagte habe ihre Hand für längere Zeit auf den Rücken des Mannes gelegt, bevor sie ihm in die Hose gefasst habe – Zweiteres habe sie selbst aber nicht gesehen, sie sei zuvor gegangen.

Die Schilderungen des Geschädigten klangen in einigen Punkten jedoch ganz anders. So stritt er etwa ab, mehrere Schnäpse getrunken zu haben, er habe an dem Abend allgemein nur wenig Alkohol konsumiert. Einen Met, den die Angeklagte ihm angeboten habe, habe er sogar abgelehnt. Die Angeklagte habe ihn „auf einmal“ direkt am unteren Rücken berührt. Als sie ihm in die Hose gefasst habe, sei er erstarrt und habe nicht gewusst, wie er reagieren solle. Eine solche Reaktion sei bei ihm üblich, wenn er „komisch angefasst“ werde, aus diesem Grund habe er bereits eine Therapie gemacht. Aufgehört habe die Angeklagte, als er sie angesehen und ihr so klargemacht habe, dass er das nicht wolle.

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Der Mann bestritt außerdem, geflirtet zu haben. Er sei lediglich generell ein offener Mensch und erkenne womöglich nicht, wenn sein Gegenüber Interesse zeige. Auch habe er an diesem Abend noch einmal erzählt, dass er eine Freundin habe – eine Tatsache, die die Zeugin bestätigte, auch wenn sie nicht mehr wusste, ob die Angeklagte dies gehört hatte. Zwar habe er gewitzelt, dass dies ja kein Hindernis sei, das sei aber lediglich im Scherz gemeint gewesen. Er könne sich zwar vorstellen, dass von der Angeklagten gewisse Worte „auf die Goldwaage“ gelegt worden seien. Auch könne er sich vorstellen, dass es zu Missverständnissen kam. Allerdings frage er sich, ob ihr das wirklich die Erlaubnis gebe, ihn anzufassen.

Dem widersprach Richterin Ulrike Steiner. „Es geht nicht darum, jemandem eine Erlaubnis zu erteilen“, betonte sie. Aufgabe des Gerichts sei es lediglich, herauszufinden, wie klar der Angeklagten war, dass die Berührung gegen den Willen des Geschädigten geschah – diese Bedingung ist in Paragraf 177, Absatz 1 des Strafgesetzbuchs festgeschrieben.

Warum es einen Freispruch gab

„Wir müssen den entgegenstehenden Willen und die Erkennbarkeit nachweisen“, erklärte Ulrike Steiner in der Verhandlung. Genau das sah sie aber als nicht möglich an. Es handle sich um keine eindeutige Situation, die Angeklagte wurde daher freigesprochen. Auch die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger der Frau hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, die Frau nicht zu bestrafen.