Es ist eine lange Polizeikarriere, auf die Willi Streit blicken kann: Im Herbst 1976 trat er in den Dienst ein, fast 46 Jahre lang durchschritt er danach verschiedene Stationen und Aufgabengebiete, bis er zuletzt ab September 2015 das Polizeirevier in Radolfzell leitete. Mittlerweile hat er seine Uniform abgelegt – seit April gibt es einen neuen Revierleiter, Willi Streit verabschiedete sich in seinen wohlverdienten Ruhestand.
Und an den müsse er sich erst einmal gewöhnen: „Es ist schon so, dass im Augenblick etwas fehlt.“ Er sei mit Leib und Seele bei der Polizei gewesen, es habe wenige Tage gegeben, an denen er nicht gerne zur Arbeit gegangen sei. „Das war mein Traumberuf. Auch, wenn es durchaus auch herausfordernde Momente gegeben habe.
Schwerer Unfall bleibt ewig haften
Als junger Beamter sei er so etwa zu einem Verkehrsunfall in Konstanz gerufen worden, bei dem ein kleines Mädchen von einem Lastwagen überfahren worden sei. „Das war wirklich furchtbar“, erinnert sich Willi Streit. Vor allem, als die Mutter der Verunglückten hinzugekommen sei. „Das ist etwas, das bleibt mir noch ewig haften. Das war das Schlimmste, was ich erlebt habe.“ Erschwerend hinzu kam damals, dass ihm als junger Mann die Erfahrung im Umgang mit solchen Situationen gefehlt habe.
Von einer Polizeikarriere abbringen ließ Willi Streit sich von solchen Erlebnissen dennoch nicht. Es sei seine Überzeugung: „Wenn ich kann, versuche ich, im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen.“
Viel innerhalb der Polizei erlebt
Und es gibt auch viele positive Erinnerungen an die vergangenen Jahrzehnte. Besonders viel Spaß bereitet habe ihm die Vielfältigkeit seiner Karriere. In deren Verlauf war Willi Streit unter anderem bei der Verkehrspolizei, wurde Leiter des Wirtschaftskontrolldienstes bei der Polizeidirektion Konstanz, wurde 1987 zum Polizeikommissar ernannt, nahm mehrere Tätigkeiten bei der Landespolizeidirektion Freiburg und der Polizeidirektion Konstanz wahr und leitete zwei Arbeitsgruppen.
Von Anfang 2001 bis Anfang 2005 war er Leiter des Polizeireviers Tuttlingen und dann bis August 2015 Revierleiter in Stockach, ehe er nach Radolfzell kam. Wohl gefühlt habe er sich trotz der vielen Wechsel überall, dennoch habe er nicht auf Dauer in einer Position verharren wollen: „Ich wollte viel innerhalb der Polizei erleben.“
Hausexplosion, Brand und Besuch der Kanzlerin
Das hat Willi Streit in der Tat. Nicht nur, was die verschiedenen Aufgaben in seiner Laufbahn angeht. In Erinnerung geblieben sind ihm auch zahlreiche Einsätze, etwa eine Hausexplosion in Tuttlingen, bei welcher ein Ehemann bewusst die Gasleitung manipuliert habe und seine Ehefrau und das gemeinsame Kind getötet worden seien. Oder der Brand im Gasthaus Alt Stocken in Stockach, als die Sorge insbesondere den umliegenden Gebäuden gegolten habe, damit diese nicht ebenfalls Feuer fingen.
In Radolfzell habe ihn unter anderem der Besuch der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Milchwerk anlässlich einer Veranstaltung zur Landtagswahl 2016 gefordert – und zuletzt auch die Corona-Pandemie. Nicht nur musste viel intern im Polizeirevier umgestellt und angepasst werden. Um Durchmischungen zu vermeiden, sei man so zum Fünf-Schichten-Dienst zurückgekehrt, nachdem das Revier in Radolfzell davor ein Modell genutzt habe, bei dem es keine festen Dienstgruppen gab. „Das hat gut geklappt“, bilanziert Willi Streit zwar, „aber es brauchte Zeit.“ Hinzu kam ein regelmäßiger Austausch mit den Behörden, und die ständigen Änderungen bei den Corona-Regeln, über die er zwischenzeitlich den Überblick verloren habe. „Das sind so Dinge, die beschäftigen einen schon“, erinnert sich Streit. „Das war wirklich eine stressige Zeit.“
Und noch in einer anderen Hinsicht sorgte Corona für Probleme: Der Abschied in den Ruhestand musste in sehr kleiner Runde stattfinden. Dabei hätte Willi Streit sich gerne im größeren Rahmen von den Kolleginnen und Kollegen, Ansprechpartnern zum Beispiel aus der Verwaltung und Gruppen wie dem THW und dem Deutschen Roten Kreuz verabschiedet. „Ich habe sehr bedauert, dass das nicht möglich war.“ Dennoch habe er Verständnis, dass durch die Pandemie Einschränkungen gemacht werden mussten.
Er hat noch viel zu tun
Und nun? Wird dem ehemaligen Revierleiter langweilig, wenn nicht mehr jeden Tag der Polizeidienst ansteht? Nein, sagt Willi Streit. Zum einen sei er bereits mit einem neuen Projekt beschäftigt: Gemeinsam mit weiteren Helfern will er den Ehrenfriedhof in seinem Heimatort Steißlingen herrichten, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Dazu sollen 206 Betonkreuze gereinigt werden. Zudem sei die Erstellung einer Präsentation zur Geschichte des Friedhofs sowie den beiden Weltkriegen angedacht.
Ebenfalls für Beschäftigung sorgen die Ehrenämter, die Willi Streit innehat. In der Vergangenheit übte er schon viele Funktionen aus, unter anderem in der Vorstandschaft des FC Steißlingen, und auch heute hat er noch zahlreiche Aufgaben: So gehört er seit 1994 als Mitglied der CDU-Fraktion dem Gemeinderat Steißlingen an, zudem ist er im Kreistag, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Konstanz und Vizepräsident der Landesverkehrswacht. Es sei nicht immer einfach gewesen, die ehrenamtlichen Tätigkeiten mit dem Berufsalltag zu vereinbaren, gibt Streit zu – um seine Ehrenämter habe er sich abends und an den Wochenenden gekümmert, was sehr herausfordernd gewesen sei. Dennoch wollte Willi Streit seine Aufgaben nicht missen: „Die Ehrenämter haben mir immer Freude bereitet.“
Mehr Zeit für Sport und Bücher
Ob er auch in Zukunft wieder für den Gemeinderat kandidieren will, weiß Willi Streit noch nicht. Seinen Posten als Kreisverbandsvorsitzender wird er aber abgeben. Und dann will der ehemalige Revierleiter seinen Ruhestand dafür nutzen, seine freie Zeit mehr zu genießen. So treibe er zum Beispiel gerne Sport, habe schon früher versucht, seine Mittagspause zum Joggen oder zum Trainieren im Fitnessstudio zu nutzen. „Und ich lese sehr gerne.“ Außerdem werde er nun nicht mehr ganz so früh aufstehen wie zu Berufszeiten, da sei er schon um 5.15 Uhr aufgewacht, um Zeit für ein Frühstück, die morgendliche Zeitung und die Absprache mit Kollegen aus dem Nachtdienst zu haben. Bis zum Mittag im Bett bleiben, das wird Willi Streit vermutlich aber nicht: „Ich werde sicherlich ein Frühaufsteher bleiben“, sagt er schmunzelnd.