Die Beschäftigten bei der Firma Hügli Nahrungsmittel in Radolfzell wollen einen höheren Lohn – und setzten am Freitag mit einem Warnstreik ein deutliches Zeichen: Sie wollen sich von den Tarifentwicklungen in der Lebensmittel-Industrie nicht abkoppeln lassen. Wie es in einer Mitteilung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die zu dem Streik aufgerufen hatte, heißt, stand die Produktion an dem Tag komplett still, dem Aufruf der Gewerkschaft seien rund 200 Mitarbeiter der Hügli gefolgt – aus Früh- und Spätschicht. Beide Schichten seien somit komplett bestreikt worden.
Bereits am Montag, 21. August, war die zweite Verhandlung in der laufenden Lohntarifrunde mit der Arbeitgeberseite gescheitert. Laut Mitteilung hatte der Arbeitgeber am frühen Nachmittag ein Angebot unterbreitet. Dieses sah demnach eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 250 Euro ab dem 1. November 2023 sowie für ein weiteres Jahr 2,5 Prozent vor. Es sei in großer Runde gegenüber den neun Mitgliedern der NGG-Tarifkommission ausgesprochen worden. Dazu heißt es in der Mitteilung: „Das Angebot lag noch sehr weit unter den Tarifabschlüssen, die NGG in allen einschlägigen Tarifgebieten erzielen konnte.“ Beispielsweise habe die NGG bei Maggi in Singen im Juli acht Prozent mehr Lohn plus 1500 Euro Inflations-Prämie bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten vereinbart. Somit verdienten die Facharbeiter im zehn Kilometer nahen Singen aktuell 832 Euro oder 26 Prozent mehr im Monat als die Arbeiter bei Hügli – bei einer Stunde Arbeitszeit weniger pro Woche, rechnet die NGG in ihrer Mitteilung vor.
Trotzdem habe die NGG versucht, auf einen Kompromiss hinzuarbeiten. Zwei Stunden später erklärte jedoch die Arbeitgeberseite, man habe nicht 250, sondern nur 200 Euro angeboten, so die Mitteilung. Es gäbe da wohl eine „Kommunikationspanne“, habe es von Arbeitgeberseite geheißen. Das sei aus Sicht der NGG ein Eklat: „Das ist ein Vorgang, den habe ich in 30 Jahren Tarifverhandlung noch nicht erlebt“, wird Burkhard Siebert, Verhandlungsleiter der NGG-Tarifkommission, in der Mitteilung zitiert. „So führt man keine Tarifverhandlungen, das ist unseriös!“, so Siebert weiter. Die Folge: die NGG habe die Verhandlungen abgebrochen. Sie seien nun auf den 17. Oktober vertagt.
„Angebot ist eine Enttäuschung“
„Für die nächsten Verhandlungen ist nach dem zwölfstündigen Warnstreik klar: Die Beschäftigten bei Hügli werden sich von der Tarifentwicklung der Branche der Ernährungsindustrie nicht abhängen lassen“, so Siebert weiter. Das bisherige Angebot von Hügli sei völlig unzureichend und enttäuschend für die Belegschaft, die seit eineinhalb Jahren permanente Zusatzschichten an Samstagen leiste. „Ich bin gespannt, wie lange diese Motivation bei Belegschaft und Betriebsrat noch anhält“, so Siebert in der Mitteilung abschließend.