Wer derzeit an den Ufern des Bodensees unterwegs ist, dem fällt auf: Der Wasserstand ist derzeit deutlich niedriger, als man es sonst zu dieser Jahreszeit gewohnt ist. Im vergangenen Jahr – als es im Gegensatz zu 2022 besonders viele Niederschläge gegeben hatte – war der Pegel zur gleichen Zeit rund zwei Meter höher.
Um die Fische im Untersee muss man sich aber trotz des aktuell niedrigen Wasserstandes und der mitunter sehr hohen Temperaturen noch keine Sorgen machen, berichtet Fischer Wilhelm Böhler aus Hemmenhofen. Wenn er derzeit seine Netze auf dem Untersee ausbringt, dann fängt er mit etwas Glück genau so viele Fische, wie in anderen Jahren während des Hochsommers. „Die Felchen gehen einfach ein bisschen tiefer, wenn es richtig heiß ist“, erklärt der Fischer.
Wassererwärmung kann problematisch werden
Dennoch: Zu heiß werden sollte es nicht. Denn nicht alle Fische kommen gleich gut mit der Erwärmung des Wassers zurecht. Grundsätzlich mögen es alle Salmoniden, also forellen- und lachsartige Fische, zu denen die Felchen und zum Beispiel die Äsche zählen, kühler und sauerstoffreich. Ihre maximale Wassertemperatur liegt bei etwa 27 bis 28 Grad Celsius.
Je wärmer das Wasser im See wird, desto weniger Sauerstoff kann es aufnehmen. Ist die Temperatur zu hoch, ersticken die Fische. So etwas kam 2018 einmal im Rhein zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen vor, als es dort im Spätsommer zur einem starken Anstieg der Wassertemperatur kam.
Auf dem Untersee fangen Fischer und Angler derzeit noch fast alles, was der See beherbergt. Lediglich in den flachen Uferzonen wird es aufgrund des niedrigen Wasserstandes allmählich unmöglich, zum Beispiel mit Reusen auf Aalfang zu gehen. „Aber Aale gibt es sowieso immer weniger“, sagt Wilhelm Böhler.
Wärme treibt Fische ins tiefere Wasser
Die Mitglieder des Angelsportvereins ASV Radolfzell spüren den niedrigen Wasserstand, wie Vereinsvorstand Uwe Gessendorfer berichtet. Es fehlen derzeit nur wenige Zentimeter, dann muss die erste Reihe im Bojenfeld geräumt werden. Sonst würden die Boote aufsetzen. Schon jetzt können die Angler rund dreißig Meter in das Wasser gehen, um zu ihren Booten zu kommen, ohne dabei über der Hüfte nass zu werden.
Zudem beißen die Fische auf dem See zwar auch bei ihnen noch. Aber: „Die Beißzeiten werden ein bisschen kürzer“, so Gessendorfer. Auch hier spielt die Temperatur eine Rolle: Je wärmer der See ist, desto mehr bewegen sich die Fische in die Bereiche des Sees, wo die Wassertiefe größer ist. Aus dem Radolfzeller See wandern sie daher in Richtung Horn und Seerhein, wo die Wassertiefe bis zu 70 Meter beträgt.
Die Mitglieder des ASV dürfen jedoch nicht unterhalb von Wangen fischen, denn dort beginnt bereits der Bereich eines anderen Erlaubnisscheins. Netze dürfen die Angler übrigens auch nicht auslegen, das ist den Berufsfischern vorbehalten.
Gefahr im Bereich der Hegauer Aach
Angesichts der weiterhin vorhandenen Fische macht sich Uwe Gessendorfer dennoch keine Sorgen am See, wie er sagt. Allerdings sieht er die Gefahr im Bereich der Hegauer Aach größer werden: „Wenn es noch drei Wochen wärmer bleibt, dann sterben die Fische dort“, ist er sich sicher.
Es könnte sogar mehr Fische geben
Paradoxerweise kann die starke Erwärmung des Sees in den Folgejahren scheinbar aber auch durchaus für ein größeres Fischaufkommen sorgen. So hat Wilhelm Böhler nach den Hitzejahren 2003 und 2018 deutlich mehr Karpfen und Zander im See wahrgenommen. Offenbar reagieren diese nicht so empfindlich auf höhere Wassertemperaturen, wie zum Beispiel die Salmoniden.