Wer hat wie viel Recht auf den See? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Und die Antwort fällt auch höchst unterschiedlich aus, je nach dem wen man fragt. Im Markelfinger Winkel prallen aktuell unterschiedliche Vorstellungen von Freizeitgestaltung und Umweltschutz aufeinander. Nachdem die Diskussion im Ortschaftsrat, im Regierungspräsidium (RP), bei den Umweltschutzverbänden und in der Bevölkerung zur geplanten Ausweitung des Naturschutzgebiets geführt wurde, stieg jüngst der Radolfzeller Gemeinderat mit ein.

Ortschaftsrat hat eigene Stellungnahme formuliert

Im Ausschuss für Planung, Umwelt und Technik ist die Stellungnahme des Ortschaftsrates Markelfingen zur Vorlage des RP Freiburg über die Ausweisung eines Naturschutzgebietes vorgestellt worden. Der Ortschaftsrat sieht eine deutliche Verkleinerung der Schutzzonen sowie Verkürzungen der Sperrzeiten zugunsten von Sportaktivitäten, Freizeitnutzung und Hobby-Fischerei im Markelfinger Winkel vor.

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Ortsvorsteher Lorenz Thum (CDU) sah dies als guten Kompromissvorschlag, mit dem auch Wassersportler und Hobby-Angler leben könnten. Auch Oberbürgermeister Simon Gröger war sich des Konflikts zwischen Naturschutz und Nutzung bewusst und betonte die Verantwortung für nachfolgende Generationen. Doch auch er befand den Vorschlag aus Markelfingen für einen guten Kompromiss.

Diese Änderungen hat der Markelfinger Ortschaftsrat vorgeschlagen

Der Markelfinger Winkel aus der Vogelperspektive.
Der Markelfinger Winkel aus der Vogelperspektive. | Bild: Jarausch, Gerald

Freie Grüne Liste sieht Freizeit-Belange zu hoch angesetzt

Dies sahen vor allem anwesende Mitglieder der FGL-Fraktion anders. Gleich zu Beginn polterte Siegfried Lehmann los: „Ich habe einen dicken Hals, wie das abgelaufen ist.“ Er kritisierte die Stadtverwaltung dafür, keine fachliche Stellungnahme zur Vorlage des RP abgegeben zu haben. Auch wurde sich in der Diskussion für seinen Geschmack zu sehr nach den Bedürfnissen des Freizeitsports orientiert, ohne eine wirkliche politische Debatte zu haben.

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Lehmann warf dem Ortschaftsrat vor, die Bedeutung des Markelfinger Winkels für die Vogelwelt nicht richtig einzuschätzen. „Das ist ein Witz, das so einzuschränken, nur weil man weiterhin mit seinem Boot nach Markelfingen will“, sagte Lehmann. Die Frage sei, was einen höheren Wert habe: Der Naturschutz oder das Angeln im Markelfinger Winkel? Und hier sah er den Gemeinderat in der Pflicht, die „darüberliegende Wertigkeit“ zu erkennen. Die Vorlage vom Regierungspräsidium sei schon der Kompromiss, denn das europäische Vogelschutzgesetz gehe sogar noch viel weiter.

„Das ist ein Witz, das so einzuschränken, nur weil man weiterhin mit seinem Boot nach Markelfingen will.“Siegfried Lehmann (FGL)
„Das ist ein Witz, das so einzuschränken, nur weil man weiterhin mit seinem Boot nach Markelfingen will.“Siegfried Lehmann (FGL) | Bild: Jarausch, Gerald

Gemeinderat versteht ökologische Bedeutung nicht

Seine Fraktionskollegin Anja Matuszak mutmaßte, es gebe auch im Gemeinderat einen erheblichen Informationsbedarf, warum der Winkel überhaupt ein Schutzgebiet werden solle. Naturschutz sei auch Selbstschutz, sagte sie. Menschen müssten ihre eigene Lebensgrundlage erhalten und dies gehe nur mit Einschränkungen. Für Lorenz Thum allerdings habe dies auch Grenzen. „Auch der Mensch hat hier ein Recht zu leben“, sagte er.

„Auch der Mensch hat hier ein Recht zu leben.“Ortsvorsteher Lorenz Thum
„Auch der Mensch hat hier ein Recht zu leben.“Ortsvorsteher Lorenz Thum | Bild: Jarausch, Gerald
Der Markelfinger Winkel ist vor allem für Wasservögel ein wichtiger Ort. Aus diesem Grund soll er geschützt werden.
Der Markelfinger Winkel ist vor allem für Wasservögel ein wichtiger Ort. Aus diesem Grund soll er geschützt werden. | Bild: Buchholz, Michael

Ortschaftsrat soll sich noch einmal beraten

Wie immer um einen Ausgleich bemüht, schlug Norbert Lumbe (SPD) vor, der Ortschaftsrat möge doch noch einmal tagen und sich die Pläne erneut anschauen. Er als Gemeinderat fühle sich äußerst schlecht, die Beschlüsse eines Ortschaftsrates zu torpedieren. Doch führe der Entwurf aus Markelfingen die Vorlage aus dem RP „ad absurdum“. Die Verschiebung der Sperrzone sei schon ein „Unding“.

Auch die Frage nach der Kontrolle etwaiger Schonzeiten kam auf. „Die Einheimischen sind weniger das Problem“, ist sich Christof Stadler (CDU) sicher. Für Walter Hiller (Freie Wähler) sind vor allem die vielen SUP-Fahrer die Störenfriede im Winkel. Die Boote selbst, seit vielen Jahren dort unterwegs, hätten die Vögel weniger gestört, sonst hätte sich die Vogelpopulation so nie entwickelt, so Hiller.

Stadt räumt einer Diskussion nun mehr Zeit ein

Stefan Neumeir (CDU), selbst Hobby-Angler, versuchte seine Sichtweise darzulegen: „Wir zahlen die selben Gebühren, deswegen sollte alle auch gleich behandelt werden“, sagte er. Keiner der Hobbyangler würde in den Schutzzonen fischen wollen, aber sie würde gerne weiter in Markelfingen starten.

Letztlich führte die emotionale Diskussion, die mehr als zwei Stunden dauerte, zu einer weiteren Vertagung. Die Stadt Radolfzell werde beim RP eine weitere Fristverlängerung beantragen, bis sie ihre finalen Stellungnahmen zur Vorlage abgeben muss. Und der Ortschaftsrat solle das Thema noch einmal in einer öffentlichen Sitzung beraten. Auch die finale Diskussion im Gemeinderat, die auf Anfang Februar eingeplant war, soll verschoben werden.