Können neue Reaktoren der vierten Generation die Atomkraft doch noch sicher, umweltfreundlich und kostengünstig machen? Geht es nach dem Physiker Michael Thorwart, so könnte man die Frage mit einem Ja beantworten. Der Professor am Institut für theoretische Physik der Universität Hamburg folgte der Einladung der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) und des CDU-Kreisverbands im Radolfzeller Innovationszentrum.

In seinem Vortrag vor rund 200 Gästen sprach er über moderne Formen der Kernenergie. Dabei plädierte er für die Beendigung des deutschen Sonderwegs und für den Anschluss an europäische Initiativen. Seine Thesen lauten: Klimaschutz und Wohlstand werde nur mit Kernenergie funktionieren. Dafür bräuchte es die Kernenergie der Generation vier.

Zudem gebe es Probleme marktwirtschaftlicher Natur. Setzen europäische Nachbarn auf diese Konzepte, so würde der Markt die Zukunft des deutschen Sonderwegs von selbst regeln und ihn abschaffen.

Diskussion um Kernenergie zu emotional geführt?

Die Energiepolitik stehe für die Mittelstands- und Wirtschaftsunion ganz oben auf der Agenda, so dessen Kreisvorsitzender, Jürgen Beirer, bei der Vorstellung des Referenten. Für viele Unternehmen seien wettbewerbsfähige Energiepreise von existenzieller Bedeutung, sagte das Mitglied des größten parteipolitischen und CDU-nahen Wirtschaftsverbands. Für den Verband sei es inakzeptabel, sollte die Stromversorgung unzuverlässig werden, steckte Beirer die wirtschaftspolitischen Interessen ab.

Aus seiner Warte werde die Diskussion über Kernenergie unsachgemäß geführt – sie sei extrem emotionalisiert. Der Vortrag solle nun Klarheit geben, was Atomenergie als Energiequelle attraktiv mache und wie sie sich in den vergangenen 50 Jahren technologisch entwickelt habe.

Physiker sieht Probleme bei Energiewende mit Erneuerbaren

Aus Sicht von Michael Thorwart gebe es Probleme bei der Energiewende mit erneuerbaren Energien: Mit ihr sei keine Versorgungssicherheit gegeben. Zudem würde die Versorgung durch die geringen Energiedichten an Grenzen stoßen. Würde zum Beispiel bei einem Stromverbrauch von jährlich 535 Terrawattstunden der Bedarf allein aus Windenergie gedeckt, so bräuchte es eine Vervierfachung des Ausbaus von Windrädern auf 120.000 Stück und somit ein Windrad mit Abständen von zwei Kilometern.

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Sorge bereitet ihm auch die Unbeständigkeit erneuerbarer Energien: Häufig wehe kein Wind, und nachts scheine keine Sonne, so Michael Thorwart.

Wie sicher ist Atomkraft?

Als „nachhaltige Alternative zu Sonne und Wind“ und „als neue Perspektiven in der Energiewende“ – so der Titel des Vortrags – stellte Michael Thorwart das Internationale Forum Generation IV vor. Der 2001 von neun Nationen gegründete und mittlerweile um fünf Länder sowie Mitgliedern der Euratom angewachsene Forschungsverbund verschreibt sich der Entwicklung künftiger Kernkraftwerke mit dem Ziel, Atomkraft sicherer und militärisch uninteressant zu machen.

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Bei hoher Wirtschaftlichkeit soll zudem das Problem der Entsorgung gelöst werden. Weltweit gebe es hierfür etwa 50 Start-Ups. Zwei von ihnen stellte Thorwart in seinem Vortrag vor.

Atommüll als Brennstoff

Beim Dual Fluid Reaktor (DRF) gibt es keine Brennstäbe, sondern zwei zirkulierende Flüssigkeiten. Eine trägt den Brennstoff, die andere (flüssiges Blei) führt die Wärme ab. Der Brennstoff könne auch aus Atommüll bestehen. Dabei sollen nur noch Spaltprodukte übrig bleiben, die innerhalb von 300 Jahren die Radiotoxität von Natururan haben oder sich in seltene Erden verwandeln. Allein die Nutzung des bisher in Deutschland angefallenen Atommülls könnte das Land über 20 Jahre lang mit Strom versorgen, so Thorwald.

Der Reaktor erfülle die Kriterien für die Generation vier und könne das Problem der Endlagerung von Atommüll lösen. Er sei durch den Aufbau inhärent sicher und könne nie überkritisch werden – für 0,6 Cent pro Kilowattstunde.

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Nicht nur auf dem Papier stehend, sondern sich bald auch in einer Testphase befindend, sei der Salzschmelze-Reaktor der Firma copenhagen atomics. Modular aufgebaut in Containergröße liefert der Reaktor auf Basis von geschmolzenem Thoriumsalz thermische Leistungen von 100 Megawatt mit Stromkosten von rund zwei Cent pro Kilowattstunde. Das Modul wird Vorort aufgebaut.

Gemischte Reaktionen im Publikum

Bei der Diskussion zeigten sich Gäste in unterschiedlicher Weise überrascht. Der Eigeltinger Bürgermeister Alois Fritschi fragte irritiert, weshalb Windräder als sexy verkauft werden. Als bekennender Windkraftgegner wusste Thorwart keine Antwort und verwies auf die Beantwortung der Frage durch Bundes- und Landtagsabgeordnete.

Rund 200 Gäste lauschten dem Vortrag des Physikers Michael Thorwart im Radolfzeller Innovationszentrum.
Rund 200 Gäste lauschten dem Vortrag des Physikers Michael Thorwart im Radolfzeller Innovationszentrum. | Bild: Georg Lange

Christian Neuer zeigte sich zwar interessiert am Stand der Forschung, doch könne er sich nur einen Mix aus verschiedenen Energiequellen sowie einen europäischen Energieverbund vorstellen, wenn es Schwierigkeiten bei der Versorgung durch Kernkraftwerke geben würde.

Ein Gast zeigte sich ob Thorwarts Optimismus überrascht, dass Reaktoren der Generation IV in zwei bis fünf Jahren realisierbar seien. Thorwart korrigierte die Annahme auf die „technische Verfügbarkeit“ und verwies auf den politischen Willen, der Betriebsgenehmigungen – wie bei den Flüssiggasterminals – innert kurzer Zeit möglich machen könnten.

Mathematik-Professor widerspricht

Der Kassier beim CDU-Kreisvorstand und Professor für Mathematik an der Universität Konstanz, Reinhard Racke, widersprach der Annahme Thorwalds, dass es bei den regenerativen Energien unlösbare Probleme geben würde, die durch die Physik vorgegeben sei. Seiner Sicht nach habe er keinen Beweis, sondern nur einen Kostenvergleich von unterschiedlichen Energiedichten vorgelegt und den einen für besser und den anderen für schlechter genommen.

Die Nutzung erneuerbarer Energien gegenüber der Kernkraft brauche durch kleinere Energiedichten mehr Platz und Material, so Thorwald: Dies sei aufgrund der Physik nicht zu ändern.