Es ist als Unterstützung für den Handel und die Gastronomie zur umsatzstärksten Jahreszeit gedacht: Seit 2021 können Besucher der Stadt an den Adventswochenenden sowie an den Feiertagen darüber hinaus in Radolfzell vergünstigt parken – die erste Stunde ist gratis – und kostenlos mit dem Stadtbus fahren. Der Gemeinderat hatte sich angesichts der Krisen wie Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg dazu entschieden, diese Regelung einzuführen, um Kunden und somit auch Kaufkraft in die Stadt zu locken.
Auch in diesem Jahr wollte die Verwaltung diese Regelung wieder im Gemeinderat beschließen lassen, um die Stadt im Advent zu beleben. Eine ganz andere Meinung hatte allerdings die Freie Grüne Liste, die dieses Entgegenkommen für klimaschädlich hält. Erfolg hatte der Vorstoß der FGL allerdings so gar nicht, denn statt dem eigentlich angestrebten Absetzen der vergünstigten Parkzeit wurde diese mehrheitlich im Rat mal eben verdoppelt. Statt einer können Besucher im nächsten Advent dann zwei Stunden kostenfrei parken.
Günstige Parkgebühren führen zu mehr Autos in der Stadt
Das hatte sich FGL-Stadträtin Mona Kramer eingangs ganz anders vorgestellt. Sie informierte im Gremium über eine Studie des Kompetenznetzwerks Klimamobil, in der der Zusammenhang zwischen Parkgebühren, Parkflächen und die Auswirkungen auf den Klimaschutz erforscht wurde.
Das wenig überraschende Fazit: Kostenloses Parken habe eine negative Auswirkung auf den Klimaschutz. Je bequemer und günstiger es Autofahrern gemacht wird, desto eher werden auch kurze Strecken mit dem Auto gefahren. Erhöht man die Parkgebühren und reduziert die Parkflächen, wechseln auch mehr Menschen auf nachhaltige Verkehrsmittel wie den öffentlichen Personennahverkehr, das Fahrrad oder zu Fuß. Und so wäre man dem Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden, einen wichtigen Schritt näher.
Für Mona Kramer Grund genug, die kostenlose Stunde Parken in der Vorweihnachtszeit kippen zu wollen. „Die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung können wir auch gut gebrauchen und in den ÖPNV investieren“, so die FGL-Stadträtin. Zudem würden Kundinnen und Kunden, die mit dem Fahrrad oder Bus anreisen, länger in der Stadt verweilen und so auch mehr Zeit haben, Geld auszugeben.
Lehmann zieht Vergleich zu Singen und Konstanz
Ihr Fraktionskollege Siegfried Lehmann machte nach den ersten verhaltenen Reaktionen seiner Ratskollegen die Diskussion auf, welche Rolle der Radolfzeller Einzelhandel zwischen Konstanz und Singen überhaupt spiele. „Konstanz ruft Parkgebühren auf, die würden wir uns hier nie überlegen“, so Lehmann. Radolfzell werde es sich langfristig nicht leisten können, auf Parkgebühren zu verzichten.
Regina Brüsewitz, Geschäftsführerin der Tourismus und Stadtmarketing GmbH warb für die Regelung mit der Gratis-Stunde Parken. Die Ankündigung im April, nun auch sonntags Parkgebühren zu erheben, habe für Aufruhr im Einzelhandel und der Gastronomie gesorgt, berichtete sie.
Diese Regelung, im Advents etwas günstiger parken zu können, sei ein Zeichen für die Gastronomie, dass man sie unterstützen wolle. Auch gebe es andere Studien, die belegen würden, dass die Erreichbarkeit mit dem Auto beim Thema Einkaufen noch immer zu den wichtigsten Kriterien für einen Einkaufsbummel gehören würde, so Brüsewitz.
In dieser Debatte schaltete sich Oberbürgermeister Simon Gröger ein, der eine Grundsatzdebatte über Parkraumbewirtschaftung und Förderung von Handel und Gastronomie unterbinden wollte. „Es geht um ein paar Wochenenden im Jahr“, erinnerte er den Gemeinderat.
Freie Wähler schlagen zwei statt nur einer Stunde kostenloses Parken vor
Einen ganz pragmatischen Ansatz fand Martin Aichem (Freie Wähler), der kurzum vorschlug, statt einer gleich zwei Stunden kostenloses Parken anzubieten. „Eine Stunde ist für Weihnachtseinkäufe ziemlich knapp, da braucht man schon mehr Zeit“, so seine Begründung. Damit konnte er einen großen Teil des Gemeinderates auf seine Seite ziehen: Es stimmten zwölf Räte dafür, neun dagegen, bei zwei Enthaltungen. Auch das Busfahren wird an den Adventwochenenden kostenlos bleiben.

Die Aktionsgemeinschaft ist mit dem Ausgang dieser Debatte mehr als zufrieden. „Ein großes Lob der Aktionsgemeinschaft für diese Aktion der Stadt“, so Vorsitzende Lisa Tägtmeier auf Nachfrage. Besonders in der Weihnachtszeit böte sich Radolfzell an, um Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Dafür brauche es Zeit. „Daher findet es die Aktionsgemeinschaft klasse, dass sogar auf zwei Stunden erhöht wurde. Das lässt genug Zeit, ganz entspannt durch die Geschäfte zu bummeln – ohne Hetze“, so Lisa Tägtmeier. Vor allem, dass der Sonntag in die Regelung einbezogen sei, sei toll für die Gastronomie.
Die Vorsitzende ergänzt: „Da auch wir im Wettbewerb um die Kunden stehen, sehen wir es als einen von vielen Vorteilen, um auch von außerhalb nach Radolfzell zum Einkaufen zu kommen. Es ist quasi ein Dankeschön und ein kleines Weihnachtspräsent der Stadt an alle, die sie besuchen.“