Energiepolitische Unabhängigkeit und Sparen bei hohen Gaspreisen: Im vergangenen Winter gab es gleich mehrere aktuelle Anlässe, die Heizung nicht ganz so weit aufzudrehen wie zuvor. Regierung, Rathäuser und Unternehmen riefen sogar zum Energiesparen auf. Kein Wunder also, dass laut einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom neun von zehn Deutschen angaben, bewusst Energie beim Heizen gespart zu haben.

Auch in Radolfzell macht sich das bemerkbar: Wie die Stadtwerke Radolfzell auf Nachfrage mitteilen, ist im vergangenen Winter ein geringerer Gasverbrauch ihrer Kunden zu bemerken.

Auch milder Winter hat einen Einfluss

Zwar weist Stadtwerke-Geschäftsführer Tobias Hagenmeyer darauf hin, dass eine solche Entwicklung nicht zwingend bedeuten muss, dass bewusst aufgrund der preislichen und politischen Entwicklungen Gas gespart wurde. „Ein milder Winter trägt auch bei, dass es weniger Verbrauch gibt als in einem harten Winter“, erklärt er.

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Aber Radolfzeller haben offenbar bewusst weniger geheizt. Zwar liegen die finalen Zahlen laut Vertriebsleiter Joachim Kania noch nicht vor. Dennoch zeige sich, dass auch „nach einer Temperaturbereinigung“ – also wenn Umstände wie ein milder Winter außer Acht gelassen werden – in Deutschland im Vergleich zu den vergangenen Jahren etwa 10 bis 13 Prozent weniger Gas verbraucht wurde. „Und das kann man auch gut in Radolfzell sehen“, so Kania. Und zwar nicht erst in den jüngsten Monaten. Auch schon im letzten Quartal 2022 sei die Entwicklung zu bemerken gewesen.

Am Umsatz ist die Einsparung nicht zu sehen

Was bedeutet das für die Stadtwerke? „Das schmerzt natürlich auf der einen Seite“, sagt Tobias Hagenmeyer. „Eines unserer größten Geschäftsfelder ist die Gasversorgung.“ Allerdings haben die Stadtwerke selbst Tipps zum Energiesparen veröffentlicht. Und weil man mit Einsparungen gerechnet habe, habe man schon vorab weniger Gas eingekauft.

Stadtwerke-Geschäftsführer Tobias Hagenmeyer (links) und Vertriebsleiter Joachim Kania.
Stadtwerke-Geschäftsführer Tobias Hagenmeyer (links) und Vertriebsleiter Joachim Kania. | Bild: Marinovic, Laura

„Und auf der anderen Seite sind ja die Preise explodiert“, gibt Tobias Hagenmeyer zu bedenken. Die Menge an verbrauchtem Gas habe damit zwar abgenommen, dafür musste aber von den Kunden mehr bezahlt werden. „Am Umsatz sieht man nicht, dass die Leute gespart haben“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke deshalb.

Bleibt das so teuer? Wie es weiter geht

Ob auch im nächsten Winter Gas bewusst gespart wird, muss sich noch zeigen. Tobias Hagenmeyer und Joachim Kania gehen aber derzeit davon aus, dass die Gaseinsparung dauerhaft zu beobachten sein wird. „Was ja auch gut ist“, so Hagenmeyer. Als Gründe sieht er zum einen die zu erwartende Preisentwicklung beim Gas. Experten würden von einem Preis von 30 bis 50 Euro pro Megawattstunde ausgehen. „Das ist immer noch ein hohes Niveau“, sagt Joachim Kania. Zum Vergleich: Wie das Handelsblatt berichtet, hatte sich der Gaspreis in den vergangenen Jahrzehnten in der Regel bei etwa 10 bis 20 Euro pro Megawattstunde eingependelt.

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Aber noch aus einem anderen Grund geht Tobias Hagenmeyer künftig von einem niedrigeren Gasverbrauch aus als früher: „Ganz viele Menschen gehen ja auch weg vom Gas.“ Sie würden etwa auf Wärmepumpen setzen. Gas sei ein „verschwindender Markt“.

Wärmeerzeugung soll nachhaltiger werden

Auch bei den Stadtwerken Radolfzell sollen die Versorgung mit nachhaltiger Energie für die Heizung ausgebaut werden. „Fernwärmenetzwerke werden ein Zukunftsgeschäftsfeld sein“, sagt Tobias Hagenmeyer. Ein großes geplantes Projekt sei etwa die Nutzung von Abwärme aus dem geklärten Wasser der Radolfzeller Kläranlage.

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Im Oktober 2022 sei das Projekt im Aufsichtsrat verabschiedet worden, derzeit laufen Machbarkeitsstudien. Man erwarte, dass zum dritten Quartal dieses Jahres Ergebnisse vorliegen, so Hagenmeyer. Mit potenziellen Kunden aus der Industrie sei man schon im Austausch. „Das ist für uns ein Novum“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke. Es gebe intern noch keine Erfahrungswerte zu einem solchen Vorhaben. „Aber das ist eine Wärmequelle, die sicher perspektivisch eine größere Rolle spielen wird.“