Die meisten hatten es befürchtet: Das Regierungspräsidium Freiburg hat den Markelfinger Winkel unter Naturschutz gestellt. Unter dem Namen Naturschutzgebiet „Markelfinger Winkel und westlicher Gnadensee“ sind künftig weite Teile des Uferbereichs für eine Freizeitnutzung gesperrt. Die nun von Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer und Landesverkehrsminister Winfried Hermann unterzeichnete Verordnung unterscheidet sich nur in wenigen Punkten von dem eigentlichen Vorschlag des RP, welcher im vergangenen Herbst vorgestellt wurde. Die Verordnung tritt am 30. September in Kraft.
Nur wenig Änderungen am ursprünglichen Plan
Die meisten der Einwände der Anwohner, Angelfischer und Wassersportler, die Sorge hatten, diesen Teil des Sees nicht mehr nutzen zu können, seien zwar geprüft worden, wurden aber nicht in der Verordnung berücksichtigt. Die wenigen Ausnahmen sind schnell aufgezählt: Der zum Baden nutzbare Bereich beim Strandbad Markelfingen wurde im Flachwasserbereich vergrößert, schreibt die Pressestelle des RPs am Freitagvormittag in einer Presseinformation. Das Segeljugendtraining des Markelfinger Wassersportclubs im inneren Markelfinger Winkel bleibe weiterhin uneingeschränkt möglich. Die Betriebe der Werft und der Yachttechnik würden nicht eingeschränkt.
Auch die Berufsfischerei sei im Rahmen der Abwägung berücksichtigt worden und bleibe weiterhin möglich. Allerdings sei für die Reusenfischerei in den naturschutzfachlich besonders sensiblen Bereichen im inneren Markelfinger Winkel die Beantragung einer Erlaubnis erforderlich, die unter Einbeziehung der Fischereiverwaltung erteilt werde, schreibt das RP weiter. Berufsfischer, die bereits in der Vergangenheit in diesen Bereichen die Reusenfischerei ausgeübt hätten, können diese auch zukünftig im bisherigen Umfang betreiben.
Kein Angeln, kein Baden oder Tauchen, kein SUP
In die Röhre gucken Angelfischer, die weder vom Ufer noch vom Boot künftig in dem Bereich fischen dürfen. Denn die Regeln der Freizeitnutzung sind laut Verordnung klar: In Uferbereichen am inneren Winkel und auf der Mettnau-Seite (Zonen II.1 und II.2) ist das Fahren mit Wasserfahrzeugen aller Art untersagt. Explizit erwähnt werden Segelsurf- und Stand-Up-Paddle-Bretter sowie Modellboote und sonstige unbemannte Wasserfahrzeuge. Ausgenommen sei das Anlanden beim Mettnauturm mit nicht motorbetriebenen Booten, wenn dabei der kürzeste Weg genommen werde. Ebenfalls darf in diesen Bereichen nicht gebadet und auch nicht getaucht werden.
Von Herbst bis Frühjahr dürfen keine Boote auf den See
Im Zeitraum vom 15. Oktober bis 15. März darf der gesamte Markelfinger Winkel nicht von Wasserfahrzeugen aller Art befahren werden. Hier hatte der Ortschaftsrat Markelfingen eigentlich um eine Verkürzung dieser Sperrzeit vom 1. November bis zum 28. Februar gebeten, damit den Angelfischern der Vereine die Zufahrt und das Angeln auch im Winter ermöglicht werden kann. Doch hält das RP an der längeren Sperrzeit fest. Wenn dann mal Boote fahren dürfen, müssen sie sich im gesamten Schutzgebiet an eine maximalen Geschwindigkeit von zehn Stundenkilometern halten.
Gegen die Verordnung formiert sich bereits Widerstand. Der Markelfinger Ortsvorsteher Lorenz Thum hat eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen und möchte bis zur nächsten Ortschaftsratssitzung am Mittwoch, 27. September, so viele Unterschriften wie möglich sammeln und diese dann Oberbürgermeister Simon Gröger überreichen. „Vielleicht kann der OB ja noch etwas erreichen und Einspruch erheben“, so Lorenz Thum.
Privatpersonen können keinen Einspruch einlegen
Die Einwände von Privatpersonen, die während der Öffentlichkeitsbeteiligung eingereicht wurden, sind bereits beantwortet worden, hatte das Regierungspräsidium im Vorfeld mitgeteilt. Eines dieser Schreiben liegt der Redaktion vor, in dem darüber informiert wurde, dass ein Einspruch gegen die Unterschutzstellung als Rechtsmittel gegen eine Rechtsverordnung des RP nicht möglich sei. Man könne jedoch eine Normenkontrolle innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe der Verordnung beim zuständigen Verwaltungsgericht durchführen lassen. Eine Normenkontrolle ist eine richterliche Überprüfung von Rechtssätzen mit höherrangigem Recht.
Die Verordnung ist am Freitag, 15. September, im Gesetzblatt verkündet worden. Sie wird am 30. September in Kraft treten, informiert das Regierungspräsidium. Da sich die Ausweisung auch auf die Schifffahrt auswirke, handele es sich um eine gemeinsame Verordnung des RP mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg. Das rund 257 Hektar große Naturschutzgebiet befindet sich auf Gemarkung Markelfingen der Stadt Radolfzell sowie auf dem Gebiet der Gemeinden Allensbach und Reichenau.
Regierungspräsidentin sieht guten Kompromiss
„Mit der Ausweisung des Naturschutzgebiets sorgen wir für den langfristigen Erhalt dieses international bedeutsames Brut- und Rastgebiets für Wasservögel auf dem Bodensee“, wird Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer in der Presseinformation zitiert. Sie betonte die großen Herausforderungen, die das Verfahren mit sich brachte: „Es ist nicht immer leicht, alle Einzelinteressen zu berücksichtigen und dem Schutz der Natur im Sinne des Gemeinwohls gerecht zu werden.“
Die Beteiligung der Nutzergruppen bewertet die Regierungspräsidentin etwas anders als die Vereine und Wassersportler es wohl selbst sehen werden: Der offene und konstruktive Austausch mit den verschiedenen Nutzergruppen bereits im frühen Planungsstadium habe zu der nun vorliegenden Verordnung geführt, die den unterschiedlichen Interessen vom Naturschutz über die Freizeitnutzung bis zur Fischerei möglichst weitgehend gerecht werde, schreibt das RP.