Kinder und Jugendlichen haben massiv unter den Belastungen der Corona-Pandemie gelitten. Vor allem die psychischen Auswirkungen sind immens. So zeigen laut der Psychologischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern des Landkreises deutlich mehr Kinder und Jugendliche Auffälligkeiten wie depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden. Bemerkbar macht sich das auch bei der Kinder- und Jugendarbeit bei der Stadt Radolfzell. Die Sozialarbeiter in den Einrichtungen und Schulen verzeichnen nicht nur einen spürbaren Anstieg von Hilfesuchenden, sondern auch eine langfristige Veränderung ihrer Arbeit.

Radolfzeller Umfrage zeichnet düsteres Bild

Die Erkenntnisse werden durch eine bundesweit durchgeführte COPSY-Studie zu Corona und Psyche (daher Copsy) und eine Befragung unter Radolfzeller Kindern und Jugendlichen gestützt. Beide haben einen dramatischen Anstieg von psychisch auffälligen Heranwachsenden erkennen lassen. „Fast jedes dritte Kind leidet seit der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten“, gibt Eva-Maria Beller, Leiterin der Abteilung Kinder und Jugend bei der Stadt Radolfzell, die Erkenntnis der Studie wieder. „Das deckt sich mit unserer Befragung unter 500 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen acht und 14 Jahren.“

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Generell sei die Ressourcenlage in den Familien entscheidend. Dort, wo die Eltern Zeit für die Kinder haben und die finanziellen Möglichkeiten besser sind, haben die Kinder weniger unter der Pandemie gelitten. Insgesamt habe laut der Umfrage der Streit in den Familien zugenommen, sagt Eva-Maria Beller.

Mehr Arbeit für Schulsozialarbeiter

Dieser Umstand wirkt sich in den unterschiedlichen Betätigungsfeldern der Abteilung Kinder und Jugend entsprechend aus. In der Schulsozialarbeit beobachten die Mitarbeiter bei den Kindern und Jugendlichen zahlreiche Nachwirkungen. „Das Sozialverhalten hat sich verändert. Vor allem die Jüngsten sind mit den Kontakten hinterher. Den Kindern fehlen zwei Jahre“, berichtet Schulsozialarbeiterin Dagmar Beck.

Aufgrund des Lockdowns konnten bestehende Freundschaften teilweise nicht mehr gehalten werden oder sind gar nicht entstanden.

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Bei den älteren Schülern ab der fünften Klasse sind ebenfalls viele Verhaltensauffälligkeiten zu erkennen. „Unlust, soziale Ängste und psychosomatische Erkrankungen haben deutlich zugenommen“, sagt Kai Metten, der an der Ratoldusschule als Schulsozialarbeiter tätig ist. Aber auch Magersucht und sinkende Belastbarkeit sind nach seiner Aussage durch die Pandemie häufiger zu beobachten.

Die Folge ist ein erheblich höheres Arbeitsaufkommen: „Seit dem letzten Lockdown können wir uns vor Arbeit nicht mehr retten“, berichtet er. Das ist jedoch ein bundesweites Problem. Daher gibt es auch Fördermittel für die Aufstockung von Personal in diesem Bereich. Allerdings herrscht auch ein massiver Fachkräftemangel, weshalb die Kommunen und Städte kaum Sozialarbeiter rekrutieren können.

Ausfall von Freizeitangeboten problematisch

Im Freizeitbereich müssen die Mitarbeiter der Abteilung Kinder und Jugend teilweise wieder von vorne beginnen. Durch den Lockdown ist der Kontakt zu den Kindern teilweise abgerissen. Der Ausfall zahlreicher Freizeitangebote hat bei den Kindern „zu einer Perspektivlosigkeit geführt und sie zutiefst verunsichert“, sagt Elena Magarinos vom Kinderkulturzentrum Lollipop. Deshalb halten die Sozialarbeiter den Schritt, die Einrichtungen zu schließen, mittlerweile für einen Fehler.

Einrichtungen wie die Jugendhütte in Böhringen sind in der Zeit nach der Pandemie-Hochzeit besonders wichtig für die Entwicklung der ...
Einrichtungen wie die Jugendhütte in Böhringen sind in der Zeit nach der Pandemie-Hochzeit besonders wichtig für die Entwicklung der Jugendlichen. | Bild: Jarausch, Gerald

In der offenen Kinder- und Jugendarbeit, zu der auch das Café Connect oder die Freizeithütte in Böhringen gehören, hat man ebenfalls unter der vorübergehenden Schließung gelitten. Wie dort berichtet wird, mussten mitunter die Jugendlichen nach Hause geschickt werden, weil damals nur eine geringe Anzahl von Personen gleichzeitig die Räumlichkeiten nutzen durfte. Teilweise hätten sich die Jugendlichen dann andere Alternativen gesucht. Weil zum Beispiel selbst die Grillstellen und der Skateplatz im Herzen-Areal geschlossen wurden, wichen die Jugendlichen nach Singen aus. Dort seien die Sperrungen nicht so rigoros gewesen.

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Jugend nutzt die Treffpunkte wieder rege

Seitdem dies Anlaufpunkte wieder geöffnet sind, findet „ein regelrechter Run darauf statt“, berichtet Wolf Weisshaupt von der mobilen Jugendarbeit. Insgesamt belegen Studien, dass sich die Jugendlichen während der Pandemie sehr verständnisvoll und zurückhaltend verhalten haben, betont Eva-Maria Beller. Eines ist aus ihrer Sicht jedoch klar: „Die Jugendlichen wurden mit ihren Problemen alleine gelassen“, sagt sie.