Es ist ein stiller, aber doch auffälliger Protest. An einem Vormittag Ende November stehen sechs junge Männer auf dem Seetorplatz. Sie sind offensichtlich religiös gekleidet, erkennbar an der Takke, einer muslimischen Kopfbedeckung, und halten Schilder hoch, auf denen verschiedene Botschaften stehen. Deren Kern: Der Islam sei eine friedliche Religion und seine Anhänger würden sich Frieden wünschen.

„Wir wollten eine Botschaft, aber auch ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln und einen Dialog anbieten“, sagt Jugendleiter Asem ...
„Wir wollten eine Botschaft, aber auch ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln und einen Dialog anbieten“, sagt Jugendleiter Asem Butt von der Ahmadiyya Muslim Jamaat. | Bild: Mario Wössner

Immer wieder blieben Passanten stehen, nickten den sechs Muslimen freundlich zu, lächelten oder suchten sogar das Gespräch, berichtet Asem Butt gegenüber dem SÜDKURIER im Nachhinein. Er ist Jugendleiter bei der knapp 100 Mitglieder großen Ahmadiyya Muslim Gemeinde in Radolfzell und hat die Aktion organisiert. Gemeinsam mit Imam Shamas Ul-Mulk Choudhery spricht er über die Hintergründe des Protests.

Protest war schon vor Hamas-Terror geplant

Anlass seien die zunehmenden Krisen in der Welt gewesen, berichten die beiden. Bereits vor dem Attentat der Hamas auf israelische Zivilisten und dem folgenden Angriff Israels auf den Gazastreifen sei die Demonstration geplant gewesen. Es habe im Sommer und Herbst auch schon kleinere solcher Aktionen gegeben. „Wir wollten eine Botschaft, aber auch ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln und einen Dialog anbieten“, erklärt Butt. Wer Fragen zum Islam hat oder Ängste oder vielleicht auch Vorurteile gegenüber Muslimen, könne mit den Mitglieder darüber sprechen, erläutert Butt weiter.

Spätestens seit den Anschlägen der Hamas hätten die Vorteile gegenüber Muslimen in Deutschland zugenommen, berichten die beiden. „Unsere Mitglieder sind teilweise unter einem Generalverdacht. Sie erleben das in den sozialen Medien und die Jugendlichen auch in der Schule“, sagt Imam Shamas Ul-Mulk Choudhery. Dabei sei der Islam, wenn man die Schriften des Koran wie die Ahmadiyya Gemeinde wörtlich auslegt, eine friedliche Religion.

„Wir verurteilen ganz klar den brutalen Terror der Hamas, aber kritisieren auch die Reaktion Israels, die auch zu viel Leid an Unschuldigen führt“, erklärt der Imam. Seine Gemeinde wolle aber vor allem Frieden verbreiten. „Wir wollen zeigen, dass der Islam eigentlich eine friedliche Religion und nicht so böse ist, wie er im Nahen Osten instrumentalisiert wird“, sagt er.

„Wir wollen zeigen, dass der Islam eine friedliche Religion und nicht so böse ist, wie er im Nahen Osten instrumentalisiert ...
„Wir wollen zeigen, dass der Islam eine friedliche Religion und nicht so böse ist, wie er im Nahen Osten instrumentalisiert wird“, sagt Imam Shamas Ul-Mulk Choudhery. | Bild: Mario Wössner

Man habe daher auch bewusst die Schilder als stillen Protest gewählt – in Abgrenzung zu gewaltsamen und lautstarken Palästina-Demos in deutschen Großstädten. Die Stadtverwaltung bestätigt auf SÜDKURIER-Nachfrage, dass der Protest ordnungsgemäß angemeldet war und friedlich ohne jegliche Zwischenfälle ablief.

Die Botschaft der Aktion richtet sich laut Butt an Muslime, den gleichen Weg zu gehen, aber auch an Christen und andere Menschen in Deutschland, denen man ein anderes Bild des Islam vermitteln wolle.

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Die Reaktionen auf dem Seetorplatz seien nahezu ausschließlich positiv ausgefallen. „Viele Menschen sind stehengeblieben und haben Fragen zu unserer Religion und Haltung gestellt. Gerade viele ältere Menschen waren positiv überrascht von unseren Antwortet“, berichtet Asem Butt. Er sehe es schon als Erfolg, wenn man auch nur einen einzigen Menschen durch eine solche Aktion etwas Positives mitgeben könne.

Gemeinde plant weitere Aktionen

Für die kommenden Wochen hat die Gemeinde weitere Aktionen geplant. So soll vermutlich Anfang 2024 ein öffentliches Friedensgebiet mit Vertretern verschiedener Religionsgemeinden stattfinden. Und danach wolle man auch noch ein Friedenssymposium organisieren, bei dem Wissenschaftler und bekannte Menschen aus der Region in einer Podiumsdiskussion darüber sprechen sollen, was man selbst lokal und regional für den Frieden kann.

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Butt erklärt: „Wir wollen Frieden in unserer kleinen Gesellschaft hier schaffen, um ihn im Großen zu erreichen.“ Dies richte sich nicht nur an den Konflikt in Palästina, sondern auch in der Ukraine oder anderswo auf der Welt. „Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime, sondern um Frieden“, sagt Butt.