Herr Gröger, sind Sie gut ins neue Jahr gekommen?

Ja, sehr gut. Wir haben die zwei Tage genutzt, um Familienzeit nachzuholen. Seit meinem Amtsbeginn im Rathaus war die Arbeitsintensität und -menge sehr hoch, da war die Pause willkommen. Aufgrund der Corona-Rahmenbedingungen waren wir einfach nur zu Hause.

Fondue oder Raclette?

Meine Kinder wollte gerne Raclette, wir haben uns aber dann für Ofenkäse mit verschiedenen Salaten entschieden.

Gab‘s einen Unfall?

Nein, wir wollten einfach mal was anderes.

Haben Sie schon Häuser oder Wohnungen in Radolfzell angeschaut, wo Sie mit Ihrer Familie einziehen können?

Seit der Wahl waren wir auf Haus- oder Wohnungssuche und haben auch eine Anzeige geschaltet. Wir haben auch ein paar Angebote erhalten und schauen uns aktuell Häuser und Wohnungen an.

Sie sind jetzt seit einem Monat im Amt, wie war Ihr Start im Rathaus?

Es war anstrengend und mit einer hohen Taktung verbunden, weil in den vergangenen Wochen sehr viele Themen aufgelaufen sind und viele Entscheidungen anstanden. Das Team im Rathaus und ich mussten sich erst einmal gegenseitig kennenlernen. Ich habe mich bemüht, in den ersten Wochen in sehr vielen Abteilungen vorbei zu schauen, und mache die Besuchstour, die ich im Wahlkampf angekündigt hatte. Abends arbeite ich mich in die Themen ein und beantworte E-Mails. Aber ich fahre immer mit einem glücklichen Gefühl nach Hause, mir macht die Arbeit Spaß.

Fahren Sie morgens auch mit einem glücklichen Gefühl von Wurmlingen nach Radolfzell und lächeln Sie, wenn Sie das Rathaus betreten?

Auf jeden Fall. Auch weil ich als Oberbürgermeister mit gutem Vorbild vorangehen möchte. Ich lade auch alle im Rathaus ein, das entsprechend mitzumachen. Ich lächle vor allem auch, weil ich ein ganz tolles Team im Rathaus kennengelernt habe, wo viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr erfahren, sehr kompetent und sehr motiviert und auch innovativ sind. Es würde mich freuen, wenn man die neue Verwaltungsphilosophie dazu nutzt, dass auch diese Performance des Rathausteams genutzt werden kann.

Haben Sie überraschende Ergebnisse aus diesen Gesprächen mitgenommen?

Mir wurde oft rückgemeldet, dass es viele Ideen in der Schublade gibt, die man so nicht umsetzen konnte oder durfte. Ich versuche nun, mir für die wichtigen Themen entsprechend Zeit zu nehmen, um zu überlegen, welche Ideen noch mit eingebracht werden können. Mir ist wichtig, dass die Kommunikation in den drei Richtungen von oben nach unten, von unten nach oben, aber auch horizontal zwischen den Fachbereichen gut funktioniert. Ein guter Kommunikationsaustausch ist elementar, damit wir der vielen Herausforderungen – denen wir uns als Team stellen müssen – auch Herr werden.

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Haben Sie noch weitere Rückschlüsse außer der brachliegenden Kreativität aus den Gesprächen gezogen?

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass dem Rathausteam das Vertrauen geschenkt wird und die entsprechenden Kompetenzen übertragen werden, damit die Fachleute in den unterschiedlichen Abteilungen auch wirklich agieren können. Ich will, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich selber einbringen und engagieren. Sie sollen wissen, dass sie die Handbremse herausnehmen können.

Muss es und wird es eine Neuorganisation im Rathaus geben?

Bereits am ersten Tag im Rathaus habe ich angekündigt, dass ich nach meiner Besuchstour und der Einarbeitung in die Themen und Projekte dann reflektieren werde, ob die Organisationsstruktur ausgerichtet an den politischen Zielen und den Erwartungen der Bürgerschaft auch an mich, ob das passend ist. Über die Weihnachtsfeiertage habe ich mir darüber viele Gedanken gemacht und werde in Kürze eine angepasste Organisationsstruktur umsetzen. Bei der Umsetzung dieses Prozesses ist mir die Einbeziehung bzw. gute Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie auch dem Personalrat und dem Gemeinderat wichtig. Die Änderungen sollen anschließend auch in der Öffentlichkeit kommuniziert werden.

Das Grundstück hinter dem Versorgungsamt. Bild: Gerald Jarausch
Das Grundstück hinter dem Versorgungsamt. Bild: Gerald Jarausch | Bild: Jarausch, Gerald

Neben der Neu-Organisation des Rathauses, welche Themen wollen Sie als erstes angehen? Was hat höchste Priorität?

Die höchste Priorität hat eine gute und stilvolle Kommunikation innerhalb des Rathauses, mit dem Gemeinderat, mit den Ortsverwaltungen, den Ortschaftsräten und der Bürgerschaft. Da ist der Aufbau von Vertrauen elementar. Wichtig dafür ist, dass es einen guten Dialog gibt. Auf dieser Basis will ich inhaltlich die Erarbeitung eines Klimaschutzkonzepts angehen, dann will ich neue Akzente in der Wirtschaftsförderung setzen, auch das Thema Partizipation und Integration wird, genauso wie das Thema Schuldigitalisierung und Kita-Plätze, auf die Agenda kommen. Beim Verkauf des Spitalgrundstücks im jetzigen Krankenhausgarten möchte ich die Bürgerschaft mit einbeziehen.

Sehen Sie da eine Alternative zum Verkauf? Oder könnte der Neubau des Pflegeheims anders finanziert werden?

Ich denke, dass das Grundstück verkauft werden muss, ist finanziell notwendig. Dass dort eine Bebauung kommen wird, ist in der Folge klar. Es ist jetzt entscheidend, welche Art der Bebauung und welche Nutzungen dort direkt neben dem Krankenhaus platziert werden. Hier ist es mir wichtig, die Bürgerschaft mitzunehmen und auch die Interessen des Klinikums im Auge zu behalten, dass man etwas Passendes etabliert.

Theoretisch könnte man auch einen Bürgerfonds aufsetzen: Jeder, der will, dass hier nichts gebaut wird, soll einen Beitrag einzahlen, und am Ende schaut man, ob die Summe zur Finanzierung des neuen Pflegeheims reicht – vielleicht kommen so die 3,5 Millionen Euro zusammen?

Den Wunsch des Gemeinderats, zu prüfen, ob alternative Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten bestehen, haben wir aufgenommen. Es wird zusammen mit dem Regierungspräsidium geprüft, welche Alternativen es gibt. Wenn diese juristisch möglich sind, werden wir die auch gerne angehen.

Wie läuft es denn so mit dem Gemeinderat, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?

Bis jetzt sehr gut. Ich habe in der Dezember-Sitzungsrunde einen konstruktiven und sympathischen Gemeinderat erlebt, ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

Rechnen Sie mit einer Fundamentalopposition der Freien Wähler?

Nein. Ich glaube, dass die Freien Wähler ihren Grundprinzipien treu bleiben. Die Freien Wähler werden wie jede andere Fraktion auch sehr genau schauen, was in der Verwaltung, was im Rathaus, was ich als Oberbürgermeister mache, und entsprechend kritisch bewerten. Das ist für mich gelebte Demokratie. Ich werde eine Politik der Offenheit und Transparenz leben.

Corona ist nach wie vor das alles beherrschende Thema. Als OB sind Sie die Ortspolizeibehörde und damit der oberste Polizist der Stadt. Wie wollen Sie das Thema angehen?

Man muss wahrnehmen, dass Corona uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Die Omikron-Variante wird wohl nicht die letzte Variante sein, die uns betrifft. Daher muss das Krisenmanagement auf eine kurzfristige Reaktion von Vorgaben in einen mittelfristigen Prozess überlaufen. Zuerst geht es darum, Infektionen zu verhindern und die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern. Dafür gehört für mich ganz klar an erster Stelle das Impfen, da fordere ich die Radolfzellerinnen und Radolfzeller weiterhin auf, diese Möglichkeit und auch das Boostern zu nutzen.

Weiterhin werden regelmäßige Tests entscheidend sein. Da freue ich mich, dass in Radolfzell private Teststationen eingerichtet worden sind. Es wird eine große Herausforderung sein, wenn es um die Vermeidung von Kontakten geht, wie wir trotzdem noch Gemeinschaft leben können. Da ist die Stadtverwaltung in ihrer Vorbildfunktion gefragt, aber auch die Kirchen und die Vereine. Sie haben alle bereits ein großes Engagement an den Tag gelegt, wofür ich mich bei ihnen sehr bedanke. Ich bin offen für neue Ideen, wie wir diese Situation meistern können.

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Wie gehen Sie damit um, wenn montags 200 Leute bei einer nicht angemeldeten Demo durch die Stadt spazieren, ohne Maske, ohne Abstand? Für diese Spaziergänger gelten offensichtlich andere Regeln, das lässt sich mit der Vorbildfunktion der Stadtverwaltung nur schwer in Einklang bringen.

Wir haben jeden Montag einen Krisenstab in Radolfzell. Ich habe die Sitzung von Dienstag auf Montag verlegt und die Leitung übernommen. Dort haben wir auch die Montagsdemonstrationen intensiv diskutiert. Auch die Polizei hat die Haltung vertreten, solange es grundsätzlich im Rahmen verläuft, sollte man nicht einschreiten oder verbieten. Natürlich haben wir ein Auge auf diese Art der Demonstration oder Spaziergänge. Wenn sich das in eine falsche Richtung entwickelt, muss man entsprechend reagieren.

Wir alle haben das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber wir müssen schon sehen, dass die Pandemie die ganze Gesellschaft betrifft. Jeder hat nicht nur Verantwortung für sich selber, sondern auch für den nächsten. Diese Spaziergänge betreffen nicht nur die Stadt Radolfzell. Das sollte einheitlich gehandhabt werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn Nachbarkommunen diese Spaziergänge verbieten, diese Personen sich in anderen Städten ansammeln. Da braucht es eine gemeinschaftliche Haltung auf der Landkreis- oder besser sogar auf der Landesebene.

Gibt es diese gemeinsame Lösung?

Wir haben einen Krisenstab im Landkreis, dort wird dieses Thema auch diskutiert. Da gibt es noch unterschiedliche Meinungen, wie man was wie schnell verbietet. Man muss abwarten, wie sich das entwickelt. Wenn sich die Intensität der Spaziergänge verstärkt, muss es entsprechende Regularien geben.