Der Verein Menschen helfen Menschen (MhM) war von Anfang an ein Senkrechtstarter. Seit fast 20 Jahren sammelt er Radolfzeller Bürger um sich, die aus ganz unterschiedlichen Gründen auf der Suche nach Kontakten sind und in einem sozialen Miteinander wachsen oder Krisen durch Aktivitäten oder einen Gedankenaustausch meistern wollen. Nun steht der Radolfzeller Verein selbst vor einer Krise. Er kämpft aktuell an zwei verschiedenen Fronten: Mit den Folgen der Corona-Pandemie sowie mit der Überalterung seiner Mitglieder.
Viel Unterstützung für die Unterstützer
Das Engagement des Vereins ist vielseitig: Patenschaften bringen beispielsweise einsame Menschen in ein soziales Umfeld zurück. Kreative oder sportliche Veranstaltungen wecken die Talente und Fähigkeiten der Mitglieder oder werfen in zweiwöchentlichen Gesprächskreisen und Diskussionsrunden neue Blicke auf gesellschaftlich relevante Themen. Und der im Verein integrierte Freundeskreis Böhringen bietet eine nachbarschaftliche Hilfe an, die im Leben nicht nur eine Stütze bietet, sondern den beteiligten Bürgern auch einen Lebenssinn bringt.
Der Verein hat einen guten Leumund: Er wird für sein kostenfreies Angebot von der Kommune, vom Landkreis und vom Land unterstützt. Die Diakonie stellt ihm im Mehrgenerationenhaus die Räume für die Veranstaltungsreihen zur Verfügung. 2014 erhielt der Verein den Bürgerpreis der Radolfzeller SPD-Ortsgruppe. Zwei großzügige Spenden junger Schüler am lokal ansässigen Berufsschulzentrum erachteten den Verein gleich mehrfach förderungswürdig. Und auch die Leser des SÜDKURIERS votierten bei einem Vereinswettbewerb der Sparkasse 2013 für eine Förderung ihres sozialen Engagements.
Aber in der Pandemie ging kaum noch etwas
Doch nicht nur die Ausgangsbeschränkungen zu Beginn der Pandemie, sondern auch das lang andauernde Veranstaltungsverbot mit Schließung des Mehrgenerationenhauses und der Besuchstopp in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen wirkten sich nicht nur nachteilig, sondern geradezu kontraproduktiv auf den Anspruch des Vereins aus. Dieser will eigentlich die Menschen miteinander in Verbindung zu bringen und sie in ein soziales Umfeld zu integrieren.
Denn von den breit gefächerten Angeboten blieben während der Zeit restriktiver Maßnahmen zunächst nur diejenigen übrig, die sich mit Abstand im Freien und unter der Einhaltung von Hygiene-Regeln bewerkstelligen ließen. Die Vorsitzende des Vereins Barbara Schwilling hielt derweil den Kontakt zu den anderen Mitgliedern mit Telefonanrufen aufrecht.
Oftmals war sie mit ihren Telefonaten während der Zeit stärkster Isolierung der einzige soziale Kontakt für Menschen, weil viele der Mitglieder alleine leben. Die Besuche in Alten- und Pflegeheimen blieben für eine sehr lange Zeit tabu, da nur die Familienangehörigen die Senioren in den Heimen besuchen durften. Und auch die Patenschaften leiden stark unter den Folgen der Maßnahmen und dem Rückzug der Mitglieder ins Private. Die Zahl der Mitglieder sank seit Ausbruch der Pandemie um ein Viertel auf nunmehr 90 Personen.
Neue Mitglieder gesucht
Und dem Verein fehlt es deutlich an jüngeren Mitgliedern. Wer neu nach Radolfzell gezogen ist und einen Anschluss mit Lebenssinn sucht oder jüngst in den Ruhestand ging und sich noch fit fühlt, könne sich gerne melden. Denn es gebe einige junge Senioren, die nach ihrem Berufsleben in ein tiefes Loch fallen würden, weil sie plötzlich keine Aufgabe mehr haben, so der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Alf Kral.
Damit beschreibt er indirekt den Sinn und die Absicht bei der Vereinsgründung von Menschen helfen Menschen: Die Integration von Menschen in die Gesellschaft, indem sie sich eine Aufgabe geben und damit auch eine Lebensaufgabe oder einen Lebenssinn. Und dass auch diese im Verein eine Heimat finden, wo sie selbst ihre Sorgen und Nöte loswerden können.