Für die Zulassungsstellen scheint es ein Leichtes: Lediglich technische Anpassungen sind dort nötig, um neue Auto-Kennzeichen wie RAZ oder SIN auf die Straßen zu bringen. Genau das hat Professor Ralf Bochert kürzlich vorgeschlagen, er verspricht sich von neuen Kennzeichen die Stärkung der lokalen Identität und des Tourismus. Politisch braucht es hingegen eine Reform auf Bundesebene. Und betroffene Autofahrer aus der Region sind skeptisch, egal ob Bürger oder Bürgermeister. Auch die Ergebnisse der Wiedereinführung des Stockacher Kennzeichens liefern wenig Anreize.
Bisher 3133 Stockacher Kennzeichen
Die Nachfrage sei verhalten gewesen, sagt Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landkreisamtes Konstanz, zu Erfahrungen mit dem Stockacher Kennzeichen STO. Seit der Wiedereinführung im Jahr 2021 wurden 3133 Kennzeichen mit dem Kürzel zugelassen und zugeteilt. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden im ganzen Landkreis 22.665 neue Fahrzeuge zugelassen. Begehren für eigene Kennzeichen der Städte Radolfzell oder Singen haben das Landkreisamt bis heute nicht erreicht, laut Pellhammer. Haben die Städte daran kein Interesse?
Bürgermeister stimmte für Stockacher Kennzeichen
Die Stadt Radolfzell und ihr Oberbürgermeister Simon Gröger können sich Freude und Gefühle der Verbundenheit bei Radolfzeller Bürgern bei Einführung des Kennzeichens RAZ gut vorstellen, wie Julia Theile von der Stadtverwaltung Radolfzell am Donnerstag mitteilt. Ob sie das selber auch anstoßen würden, sagt sie nicht. Gröger ergänzt jedoch: „Wir fühlen uns hier in Radolfzell aber auch dem Landkreis Konstanz zugehörig und können das Kennzeichen ‚KN‘ weiterhin akzeptieren.“
Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler misst dem Thema keine hohe Priorität bei: „Ganz ehrlich, ich glaube, wir haben andere Probleme in unserem Land, als Diskussionen über die Einführung eines eigenen Kennzeichens für die Stadt Singen zu führen.“ Er wolle seine „knappen personellen Ressourcen“ lieber auf wichtigere Themen konzentrieren.

Als die Wiedereinführung des Stockacher Kennzeichens im Kreistag abgestimmt wurde, stimmte allerdings auch Häusler dafür: „Nachdem es die rechtliche Möglichkeit gegeben hat und aus der Raumschaft Stockach der Wunsch geäußert wurde (...), habe ich im Kreistag diesem Wunsch zugestimmt.“
Das sagen Radolfzeller zu der Idee
Wie sehen das Menschen, die bald mit einem RAZ-Kennzeichen durch die Gegend fahren könnten? Lioba Drosdek fände ein eigenes Kennzeichen eigentlich witzig, wie sie sagt. Der Freundeskreis der 27-jährigen Radolfzellerin habe schon über die Möglichkeit geredet, als das Stockacher Kfz-Kennzeichen 2020 wiedereingeführt wurde. Aber eher scherzhaft, wie sie gesteht.

Die Finanzbuchhalterin kann sich nämlich keinen ernsthaften Vorteil für den Tourismus oder die lokale Identität vorstellen: „Es gibt andere Dinge, die wichtiger sind für die Politik.“
Drosdek ist mit dieser Meinung in ihrer Heimatstadt nicht allein. Auch der 79-jährige Peter Ruf kann sich keine positiven Auswirkungen durch ein eigenes Kennzeichen vorstellen: „Das erkennt ja niemand, außer vielleicht die Leute hier.“ Für den gebürtigen Singener sei die Beschäftigung mit dem Thema unnötig.

Dem schließt sich Matthias Eckart aus Radolfzell an. Der 41-Jährige bezeichnet die Idee als „Zeitverschwendung“ und möchte, dass sich Politiker mit Wichtigerem beschäftigen.

Das Paar Jill und Kai Gerber sieht sogar eher einen Nachteil bei neuen Kennzeichen: Schließlich sei es noch schwieriger, Zeichen wiederzuerkennen, wenn es immer mehr werden, so Kai Gerbe. Einen Vorteil habe die Idee allerdings, so Jill Gerber: Durch mehr Kennzeichen sei die Wahrscheinlichkeit größer, das eigene Wunschkürzel zu bekommen. „Die Flexibilität bei der Auswahl ist größer“, sagt die 34-Jährige.

Das Paar Gerber wohnt seit 2020 am Bodensee und fährt selbst noch mit einem Kennzeichen aus Remscheid, Nordrhein-Westfalen, an einem ihrer zwei Autos. Jedoch liege das eher an Bequemlichkeit, wie Kai Gerber gesteht. Ihnen sei das Kennzeichen letztendlich egal, so der Projektleiter im Maschinenbau. In Donaueschingen war das vor wenigen Wochen noch ganz anders: Als dort Anfang September das DS-Kennzeichen wiedereingeführt wurde, war der Ansturm riesig.
Dieser Artikel wurde aktualisiert, nachdem auch die Stadtverwaltung Radolfzell geantwortet hat.