Über das Radolfzeller Biotop Streuhau wurde in der Vergangenheit viel diskutiert, Bürger und Stadt beschäftigte eine mögliche Bebauung des Gebiets am westlichen Stadtrand. Es wurde sogar eine Petition gestartet, um diese zu verhindern. 2022 hatten die Kritiker Erfolg, der Gemeinderat sprach sich mit einer Mehrheit dafür aus, den Bereich als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen. Diskutiert und protestiert wurde bis dahin schon seit Jahren.

Bei all der Präsenz im Stadtgespräch bleibt die Frage: Warum heißt das Streuhau eigentlich so? Im Rahmen der SÜDKURIER-Serie „Dem Namen auf der Spur“ kann Historiker Christof Stadler das beantworten.

Hinweis auf frühere Nutzung

Erstmals sei die Bezeichnung Streuhau im Jahr 1870 im Katasterplan aufgetaucht, Flurnamen seien „das kollektive Gedächtnis einer Landschaft und Kultur“. Kein Wunder also, dass das Streuhau einen Hinweis darauf gibt, wofür das Gebiet am Bora-Hotel zu früheren Zeiten einmal genutzt wurde.

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Ursprünglich habe das Gewann die Uferzone vom heutigen Yachtclub bis zur Mooser Grenze im Aachried umfasst, so Stadler. „Diese Überschwemmungszone war wirtschaftlich kaum nutzbar“, erklärt der Historiker. Das Ufer sei nicht befestigt gewesen und alte Bilder zeigen, dass das Schilfgebiet nahe an die Stadt herangereicht habe. „Das gesamte Gelände zum See war Sumpfwiese und im Gegensatz zu heute gab es fast keine Bäume“, so Stadler weiter.

Grund dafür sei, dass das Schilf gemäht – auch „gehauen“ genannt – wurde und dann als Einstreu in Ställen diente. Streuhau wies also auf die Ernte des Einstreumaterials hin. Um das möglich zu machen, sei darauf geachtet worden, dass die Sumpfwiesen nicht versteppten oder mit Bäumen zuwuchsen.

Das Bild eines unbekannten Fotografen um 1904 vom erhöhten Münsterturm zeigt die westliche Altstadt mit dem Spitalquartier. Im ...
Das Bild eines unbekannten Fotografen um 1904 vom erhöhten Münsterturm zeigt die westliche Altstadt mit dem Spitalquartier. Im Hintergrund ist zu sehen, dass damals im Streuhau kaum Bäume standen. | Bild: Bildarchiv C. Stadler

Wann kamen die Bäume?

Wann aber entwickelte sich das damalige Streuhau zum heutigen üppig bewachsenen Biotop? Auch dazu kann Christof Stadler Informationen liefern. Infolge der Industrialisierung habe die Landwirtschaft an Bedeutung verloren, das Gelände sei dadurch in Vergessenheit geraten.

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Um 1910 sei das Streuhau erst für militärische Zwecke und schließlich für den aufstrebenden Wassersport entdeckt worden. „Hierfür begann man das Gelände aufzuschütten und die Uferlinie zu festigen, teilweise mit Faschinen und später mit Ufermauern“, so Christof Stadler. Seit 40 Jahren sei nun im ehemals waldlosen Streuhau ein junger Auenwald zu finden.

Katasterplan von Radolfzell um 1870 mit den westlichen Gewannen. Links liegen ganz am See das Streuhau und Streuland.
Katasterplan von Radolfzell um 1870 mit den westlichen Gewannen. Links liegen ganz am See das Streuhau und Streuland. | Bild: Vermessungsamt, Landkreis Konstanz, C. Stadler