Es ist ein Ort der Geschichte, ein Mahnmal am Rand der Stadt: Der ehemalige SS-Schießstand im Altbohlwald. Gebaut wurde er von KZ-Häftlingen aus Dachau, bis 1945 diente er als Ausbildungsstätte. Seit 2013 ist er in Besitz der Stadt, dank einer Bürgerinitiative wurde er zur Gedenkstätte, die 2014 sogar gemeinsam mit der ehemaligen SS-Kaserne in die Liste der Gedenkorte von Baden-Württemberg aufgenommen wurde. Doch nun könnte der ehemalige Schießstand seine Bezeichnung „Gedenkstätte“ verlieren – wenn sich die Stadt nicht für ihren Erhalt einsetzt.
Teile werden weiterhin gesperrt bleiben
„Die Jahre gingen ins Land und die Bauwerke und das Gelände haben davon nicht unbedingt profitiert“, erläuterte Hildegard Bibby, Historikerin und Leiterin des Stadtarchivs, jüngst im Kulturausschuss. 2019 mussten Bereiche des Geländes wegen der Einsturzgefahr einzelner Bauwerke abgesperrt werden, zudem wuchert die Natur.
Um gegenzusteuern und die Gedenkstätte als solche zu erhalten, hat der Arbeitskreis Erinnerungskultur einige Vorschläge erarbeitet, die Bibby dem Gremium vorstellte. Demnach soll der weitere Verfallsprozess durch Baumaßnahmen aufgehalten werden.
Von einer umfangreichen Sanierung und Instandsetzung solle aber aufgrund der hohen Kosten abgesehen werden. „Das Gelände bleibt daher weiterhin in Teilen abgesperrt“, erklärte Hildegard Bibby. Das sei aus Sicherheitsgründen nötig.
Pflegemaßnahmen und neue Informationstafel
Ebenfalls soll die Grünfläche gepflegt werden. Wie in der Sitzungsvorlage aufgeführt wird, behindern derzeit umgestürzte Bäume die Sicht auf die Gedenkstätte und zerstören die Wälle zwischen den Langbahnen. Auch entstünden Gefahrenstellen für Besucher und Spaziergänger. „Das ist jetzt in einem Zustand, in dem Pflege dringend nötig ist“, schilderte die Leiterin des Stadtarchivs – und zwar nicht nur einmalig, sondern regelmäßig.
Weitere Maßnahmen werden bei der Vermittlungsarbeit vorgeschlagen. Zwar gebe es am Schießstand eine Informationstafel, diese wurde laut Bibby aber immer wieder beschädigt und beschmiert. Die Tafel solle daher erneuert und textlich überarbeitet werden. Und: „Wir wollen da auch einen zusätzlichen Schutz an der Tafel anbringen.“
Jugend soll anderes Verhältnis bekommen
Zusätzlich werde vorgeschlagen, die Präsentation der NS-Geschichte im Stadtmuseum zu überarbeiten und den Schießstand einzubinden: „Angedacht ist ein virtueller Rundgang über das Gelände.“ Auch wolle der Arbeitskreis eine Wanderung oder thematische Tour entwerfen, die den Schießstand und die ehemalige SS-Kaserne einbezieht.
Laut Hildegard Bibby könnte eine bessere Vermittlungsarbeit auch dazu beitragen, dass Jugendliche ein anderes Verhältnis zur Gedenkstätte bekommen. Denn aktuell werde der ehemalige Schießstand zum Beispiel für Partys genutzt, auch seien dort Graffitis angebracht worden. „Das ganze Gelände ist ein Abenteuerspielplatz“, sagte sie. „Ich denke, man kann das nicht verhindern, aber es darf natürlich nicht ausarten und man muss versuchen, das einzudämmen.“
So sieht der Zeitplan aus
Für die Bestandserhaltung und die Grünbereichspflege soll 2023 ein Konzept mit Kostenkalkulation erstellt werden, die Umsetzung ist laut den Sitzungsvorlagen für die folgenden Haushaltsjahre vorgesehen. Auch solle geprüft werden, inwieweit Fördermittel beantragt werden können.
Wie Hildegard Bibby im Ausschuss erklärte, sei bezüglich der Pflegearbeiten auch ein Vor-Ort-Termin mit den Technischen Betrieben Radolfzell geplant. Denn eine Kostenschätzung sei nicht möglich, solange nicht bekannt sei, was tatsächlich gemacht werden müsse. Das sei möglichst noch in diesem Jahr geplant.
Für Vermittlungsarbeit sollen schon 2023 Haushaltsmittel in Höhe von 5000 Euro zuzüglich Kosten der Technischen Betriebe in Höhe von 200 Euro eingestellt werden. Auch in diesem Bereich sollen Fördermöglichkeiten geprüft werden.
Gremium stimmt geschlossen zu
Bürgermeisterin Monika Laule sprach die Möglichkeit an, sich bezüglich der Bestandserhaltung mit der Landeszentrale für politische Bildung oder der Landesregierung in Verbindung zu setzen. „Da fehlt uns einfach auch die Expertise“, sagte sie.
Das Ausschussgremium zeigte sich von den Vorschlägen des Arbeitskreises überzeugt und stimmte geschlossen dafür, den Schießstand in seinem Bestand und als Gedenkstätte zu erhalten sowie die nötigen Mittel für die Vermittlungsarbeit im Haushalt 2023 anzumelden.
Das sagen die Räte
„Die Schießanlage muss erhalten bleiben“, forderte CDU-Stadtrat Hermann Leiz. Und auch Reinhard Rabanser (SPD) betonte, man dürfe nicht zulassen, dass die Gedenkstätte zerfällt. Leiz‘ Fraktionskollege Bernhard Diehl fand es wichtig, bei der Erneuerung der Informationstafel auch auf digitale Formate, also etwa einen aufgedruckten QR-Code, zu achten, um auch die junge Generation zu erreichen. Er schlug auch eine Kooperation mit Schulen vor.
Dem stimmte Gabriel Deufel (Freie Wähler) zu. Womöglich könnten Klassen Ausflüge zum Schießstand unternehmen. Er sprach außerdem eine bessere Sicherung der einsturzgefährdeten Bereiche an: „Bauzäune können recht schnell weggenommen werden“, sagte er. Möglicherweise könnten diese durch Gitter ersetzt werden.
In einer früheren Version des Artikels hieß es, auch künftig sei eine Beweidung als Pflegemaßnahme des Geländes vorgesehen. Diese Information wurde korrigiert.