Es ist eines der wichtigsten Projekte der Welterben-Gemeinde Reichenau. In den nächsten Wochen sollte der Umbau und die Neugestaltung der Klostergärten auf der Insel beginnen. Doch jetzt verzögert sich der Start. Wahrscheinlich wird er erst im Herbst möglich sein. Die Gemeinde muss das Projekt neu ausschreiben.
Dort, wo die neuen Gärten wachsen sollen, ist derzeit vor allem Wiese zu sehen. Das heutige Kräutergärtlein nach dem Plan des früheren Abts Walahfrid Strabo, der von 809 bis 849 lebte, soll an anderer Stelle neu angelegt werden. Unter anderem soll der frühere Kreuzgang des Klosters mit Bäumen nachgezeichnet werden.

Doch vorerst stocken die Pläne. „Für den ersten Bauabschnitt im Bereich des Kreuzgangs hat nach der Ausschreibung nur eine Firma ein Angebot abgegeben“, erklärte Bürgermeister Zoll. Doch dieses liege mit 328.000 Euro sehr viel höher als die vom Planer berechneten Kosten von 278.000 Euro. In der zuletzt genannten niedrigeren Summe seien auch noch die Planungskosten enthalten gewesen, betont der Bürgermeister.
Nun werde die Ausschreibung aufgehoben und neu durchgeführt – in der Hoffnung auf ein besseres Angebot. Bisher sei nur die Finanzierung der 278.000 Euro gesichert, davon 159.000 durch Landeszuschuss und Spenden, der Rest durch Mittel der Gemeinde.
Umgestaltung soll 2024 fertig sein
Zoll rechnet damit, dass der erste Bauabschnitt nicht im Frühjahr, sondern wahrscheinlich erst im Herbst möglich sein wird. Er falle dann zusammen mit dem zweiten Bauabschnitt, den eigentlichen Gärten im Norden und Osten des Areals. Ein dritter Bauabschnitt im Bereich östlich des Münsters soll 2023 folgen. Trotz der Verzögerung geht Zoll davon aus, dass das Projekt bis zum Jubiläumsjahr 2024 abgeschlossen sein wird.
Als Grundlage für die geplante Neugestaltung dienen zwei einmalige Dokumente aus dem frühen Mittelalter: Der St. Galler Klosterplan, mit dem die Reichenauer Mönche damals das Ideal eines Klosters festhielten, die Anordnung der Gebäude skizzierten, der Gärten und sonstigen Bereiche.
Vom Wanderbischof zum Welterbe
Und das berühmte Hortulus-Gedicht des Reichenauer Abts Walahfrid Strabo, der 24 ausgewählte Heil- und Zierpflanzen beschrieb, ihren Wachstum und ihre Wirksamkeit, und diese Pflanzen in Bezug setzte zum Kaiserhaus, der Kirche und auch dem profanen Leben. Das Gedicht gilt als ältestes Werk der Pflanzen- und Gartenkunde in Nord- und Westeuropa. Beides entstand um das Jahr 820.
Gemüse, Kräuter, Heilpflanzen
Geplant ist, den Geist des Welterbes in den neuen Klostergärten mit allen Sinnen erfahrbar zu machen. Wer durchs Tor der historischen Klostermauer auf der Insel Reichenau geht, sieht nach der Neugestaltung rechts im Hintergrund das imposante Münster und im Vordergrund einen vielfältigen Klostergarten. Linkerhand gibt es einen von Bäumen beschatteten kleinen Platz mit Bänken und Brunnen.
Gleich nebenan, auf der anderen Seite des Wegs, wachsen in Hochbeeten Gemüse, Kräuter und Heilpflanzen. In einem extra Gärtlein, Hortulus genannt, sind 24 Pflanzen vereint. Auf dem Weg Richtung Münster strahlt ein Geviert aus beschnittenen Bäumen um einen Platz Ruhe aus. Vor rund 1000 Jahren war hier der Kreuzgang des ursprünglichen Benediktinerklosters. Wie damals die Mönche können Besucher hier in sich gehen, wandeln, sich zurückziehen.
Vom historischen Pirminbrunnen aus können sie das ganze Ensemble auf sich wirken lassen. Schließlich führt der Weg in den südöstlichen Teil der neuen Klostergärten, beim gotischen Chor des Münsters. Dort wurden einst die Körper der verstorbenen Mönche beerdigt. Obstbäume machen daraus einen heutigen Platz der Ruhe – und sie sind zugleich ein Zeichen des Lebens.