Wie so oft schon erstellt die Gemeinde Reichenau einen Bebauungsplan aufgrund eines Bauantrags, der den Zielen des Entwicklungskonzepts widerspricht. Diesmal geht es um ein circa 3,74 Hektar großes Gebiet im Südwesten der Insel, das bisher nur landwirtschaftlich genutzt worden ist. Und das soll nach dem Willen des Gemeinderats auch so bleiben.

Der Bebauungsplan Melcherleshorn III ist nun beschlossen worden. Er sieht keinerlei Bebauung vor – auch keine mit landwirtschaftlicher Privilegierung. Der Plan setzt für fast den ganzen Geltungsbereich ein Sondergebiet für „Freilandanbau und Gewächshäuser“ fest.

Die bestehenden Gewächshäuser können auch erweitert oder durch neue ersetzt werden. Wobei ausdrücklich auch Weinbau möglich sein soll. Die Gemeinde wolle damit die Landwirtschaft grundsätzlich stützen, so Planerin Stephanie Witulski. Bürgermeister Wolfgang Zoll sagte: „Der Bauantrag war nur der Auslöser. Wir beschäftigen uns damit, was möglich sein soll.“

Allerdings machen diese Festsetzungen das beantragte Bauvorhaben eines Gärtners unmöglich, der dort einen Teil eines Gewächshauses abreißen und ein Betriebsgebäude zum Waschen, Sortieren, Verpacken und Lagern von Gemüse mit vier Ferienwohnungen errichten will. Dessen Anwalt schrieb an die Gemeinde, das wäre existenzbedrohend für seinen Mandanten.

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Bedeutung für das Landschaftsbild

Witulski sagte dazu: „Das können wir ohne Unterlagen schwer bewerten.“ Vielleicht ließe sich in den angrenzenden Bebauungsplangebieten ein alternativer Standort finden, aber das sei nicht Thema des vorliegenden Plans. Begründbar sei dieser mit den Aussagen des Entwicklungskonzepts. In diesem steht, dass gerade der Süden der Insel noch den historisch gewachsenen Streusiedlungscharakter aufweise, der möglichst erhalten werden soll.

Durch das Bauvorhaben würde aber ein neuer Siedlungsansatz entstehen, meinen die Planer. Zudem gehe es um Sichtbeziehungen zum See oder in die freie Landschaft, was in diesem Bereich ohnehin schon durch Gewächshäuser eingeschränkt sei, heißt es in der Planbegründung. Es seien teils Flächen mit besonderer Bedeutung für das Landschaftsbild. Und es sei ein Bereich auf der Insel, in dem auch moderne, größere Gewächshäuser entstehen könnten, so Witulski.

Planerin Stephanie Witulski hat im Auftrag der Gemeinde den Bebauungsplan Melcherleshorn III erarbeitet.
Planerin Stephanie Witulski hat im Auftrag der Gemeinde den Bebauungsplan Melcherleshorn III erarbeitet. | Bild: Zoch, Thomas

Das würde durch das Bauvorhaben ebenfalls beeinträchtigt. „Es gibt viele öffentliche Belange, die gegen solch ein Vorhaben sprechen.“ Das Gebäude würde zudem wegen der Größe nicht hierher passen. Es solle 29,5 Meter lang, 14,5 Meter breit und neun Meter hoch werden, zudem seien elf Autostellplätze vorgesehen. Die Ferienwohnungen würden überwiegen. Zudem könnte das Gebäude zum Zusammenwachsen von Siedlungssplittern führen, was die Gemeinde nicht wolle.

Der Anwalt des Gärtners verweist in seiner Stellungnahme nicht nur auf die Notwendigkeit des Bauvorhabens für die wirtschaftliche Existenz. Er habe auch keine alternativen Flächen. Die Belange seines Mandanten würden nicht ausreichend berücksichtigt. Es handele sich um eine Verhinderungsplanung. Es würden durch das geplante Gebäude auch keine Sichtbeziehungen behindert. Nach der Offenlage des Planentwurfs waren zudem vier weitere private Stellungnahmen – teils mehrfach unterschrieben – eingegangen, in denen Einspruch eingelegt wird, allerdings ohne Begründung.

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Kritik äußerte auch das Landwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme. „Zum Erhalt der Agrarstruktur ist die grundsätzliche Zulassung von betriebsdienlichen privilegierten Gebäuden unverzichtbar“, heißt es dort. Und für den konkret betroffenen Betrieb „resultiert daraus eine Existenzgefährdung“, meint auch das Amt. Zudem sollten moderne Gewächshäuser mindestens einen Hektar groß sein und auf ebener Fläche stehen, um wirtschaftlich sinnvoll zu sein. Das sei in diesem Sondergebiet mit abfallendem Gelände kaum möglich. Planerin Witulski räumte ein: „Der Standort ist sicher nicht 100-prozentig ideal für großen Gewächshausbau.“ Aber das sei insgesamt auf der Reichenau so.

Ausdrücklich begrüßt wird der Bebauungsplan und die Festsetzungen dagegen von dem Internationalen Rat für Denkmalpflege ICOMOS, der das Unesco-Welterbekomitee berät. ICOMOS schreibt, es wäre außerordentlich schlecht, wenn „in diesem landschaftlich sehr sensiblen Bereich“ ein solches Gebäude errichtet würde: „Eine solche Neubebauung (…) würde namentlich in Höhe und Volumen und zudem in ihrer Nutzungsänderung eine erhebliche Beeinträchtigung des Weltkulturerbes darstellen.“

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Frage der Abwägung

Gabriel Henkes (Freie Liste Natur/Grüne) wollte wissen, warum die Verarbeitung und das Lagern von Gemüse in einem Sondergebiet nicht möglich sei. Der Rechtsbeistand der Gemeinde, Torsten Heilshorn, erklärte, es gehe hier um eine Einzelfallentscheidung und um die planerischen Ziele. „Das ist keine juristische Frage, das ist Abwägung.“

Ralf Blum (CDU) stimmte zwar für die Zurückweisung der Einwände, aber insgesamt gegen den Bebauungsplan. Er habe kein Problem mit den Gewächshäusern im Bestand in diesem Plangebiet. Aber er sehe es problematisch, dass hier in Seenähe ein modernes Gewächshaus mit bis zu acht Metern Höhe errichtet werden könnte. „Wir planen hier monströse Dinge in dieser Lage.“

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