Beim großen Gemeindejubiläum 1300 Jahre Reichenau spielt natürlich die Klostergeschichte eine wichtige Rolle. Denn hier liegen schließlich die Wurzeln für das Entstehen der Gemeinde und für die Ernennung zum Unesco-Weltkulturerbe der Insel.
Doch warum war das Benediktiner-Kloster im frühen Mittelalter so bedeutend? Wer waren die wichtigen Persönlichkeiten in der Blütezeit von 800 bis 1100 und was passierte in diesen 300 Jahren? Antworten auf diese und weitere Fragen soll die Landesausstellung vom 20. April bis 20. Oktober im Archäologischen Landesmuseum Konstanz geben.
Parallel dazu gibt es auf der Reichenau selbst im Museum eine neue Ausstellung. Und eine Vortragsreihe zur Geschichte des Klosters lädt zu einer spannenden Zeitreise ein. „Die Geschichte soll populär vermittelt werden, aber die Vortragenden sind alle Fachleute“, erklärt der Freiburger Professor im Ruhestand Thomas Zotz, der die Reihe zusammen mit dem Konstanzer Professor Harald Derschka organisiert hat. „Es soll ein Angebot sein zur Begleitung der Ausstellung.“
In den Vorträgen gehe es um wichtige Persönlichkeiten, die die Reichenauer Geschichte geprägt haben – und die heute noch in Straßennamen präsent sind. Und es werde dabei jeweils auch um das Umfeld in der damaligen Zeit gehen. Dabei gehen die Vorträge nicht nur auf die Blütezeit des Klosters ein, sondern im September auch auf die Spätzeit und den Untergang der Abtei.

- Heiliger Markus: Die Vortragsreihe beginnt am Markusfest am 25. April, einem der drei besonderen Inselfeiertage, die auf die große Klosterzeit zurückgehen. „Der Evangelist Markus ist für die Reichenau ein zentraler Heiliger geworden“, erklärt Zotz. Dies vor allem, weil der Wanderbischof Pirmin bereits einige Jahre nach der Klostergründung 724 die Reichenau wieder verließ. Und so wurde Markus der Inselpatron. Dabei sei die Reliquie des Markus verdeckt auf die Reichenau gekommen. „Das war richtig undercover“, meint Zotz.
Der Bischof Ratold von Verona, der spätere Gründer von Radolfzell, erwarb die Reliquie um das Jahr 830 sozusagen illegal in Venedig. Denn die Venezianer hätten natürlich kein Interesse daran gehabt, dass die Reliquie ihres Heiligen verschwindet. Und so hieß es zunächst, die Reliquie auf der Reichenau sei von einem Heiligen namens Valens. „Die wahre Identität des hochrangigen Heiligen ist erst Jahrzehnte später offenbar geworden“, so Zotz. Noch in der Spätzeit des Klosters im 14. und 15. Jahrhundert seien Könige, Fürsten und einfache Leute wegen der Markusreliquie auf die Reichenau gepilgert, was auch wirtschaftlich wichtig gewesen sei. „Das füllte die Kasse.“ - Abt Heito: Den Beginn der Blütezeit prägte Abt Heito in den Jahren 806 bis 823, um den es am 8. Mai geht, so Zotz. Er sei zudem der Bischof von Basel gewesen, was die Bedeutung des Reichenauer Klosters zeige, und übernahm zudem politische Aufträge im Dienst von Kaiser Karl dem Großen. So reiste er unter anderem in den Jahren 811/812 an den Hof des oströmischen Kaisers in Konstantinopel. Und dort wurde er vom Anblick einer Kreuzbasilika dazu inspiriert, eine solche Kirche auch auf der Reichenau bauen zu lassen. Die 816 geweihte Basilika war der Urbau des heutigen Münsters, die Querhäuser stammen noch aus dieser Zeit.
- Walahfrid Strabo: In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts war der noch heute berühmte Reichenauer Mönch einer der bedeutendsten Dichter. Sein Hortulus-Gedicht über den Gartenbau wirkte nachhaltig für spätere Generationen und wird auch wichtiger Bestandteil der neuen Klostergärten sein. Sein Werk „Visio Wettini“, die Jenseitsvision seines Lehrers Wetti, soll später den Dichter Dante zu dessen „Göttlicher Komödie“ inspiriert haben. Schon als junger Mann war Walahfrid einige Jahre Hofdichter bei Kaiser Ludwig dem Frommen in Aachen. Von 842 bis zu seinem Tod durch Ertrinken auf einer Reise 849 war er zudem Abt der Reichenau. Am 5. Juni ist ihm ein Vortrag gewidmet.
- Abt Hatto: Die St. Georgs-Kirche ist bis heute das eindrucksvolle Erbe des Abts Hatto (Amtszeit von 888 bis 913), um den es am 19. Juni geht. Er hatte bei einer Reise nach Rom im Jahr 896 vom Papst die Schädel-Reliquie des Heiligen Georg erhalten und ließ dann um das Jahr 900 zu deren Verehrung die Kirche in Oberzell bauen.
Nicht ganz klar sei es, wann die bedeutenden Wandmalereien über Wundertaten Jesu entstanden, so Zotz: „Da geht die Meinung in der Forschung auseinander.“ Vorherrschende Ansicht sei, dass die Malereien erst um das Jahr 1000 entstanden seien. Das könnte aber auch schon zur Bauzeit gewesen sein, so Zotz. Wichtig sei zudem, dass Abt Hatto auch ab 891 der Erzbischof von Mainz war. Das zeige einmal mehr, welche wichtigen Verbindungen das Reichenauer Kloster hatte.
- Abt Wittigowo: In die Zeit des Abts Wittigowo (985 bis 997) fällt der Beginn der Hochblüte der Reichenauer Buchmalerei. Einige wertvolle Werke, die damals entstanden sind, sollen bei der Landesausstellung zu sehen sein. Im Vortrag am 3. Juli gehe es aber vor allem darum, dass Wittigowo häufiger Begleiter von Kaiser Otto III. war.
Und dass er als Bauherr recht aktiv war. So ließ er das Münster umbauen und mehrere Kirchen errichten sowie eine noble Unterkunft für den Kaiser etwas nördlich des später danach benannten Gasthauses Kaiserpfalz, das vor 25 Jahren der Sparkasse weichen musste. Allerdings wurden auch die meisten von Wittigowos Bauten nach dem Klosterende abgerissen. - Abt Berno: Als Gelehrter und Förderer des Mittelalter-Genies Hermann der Lahme gilt Abt Berno (1008 bis 1048), um den es am 28. August geht. Er verfasste Werke auf den Gebieten der Theologie, Liturgie, Musik und geistlicher Dichtung. Zudem war Berno – auch Bern genannt – in seiner ungewöhnlich langen Amtszeit in engem Kontakt zu den Kaisern Heinrich II. und III. sowie Konrad II. Und er ließ zu Ehren des Heiligen Markus das Westwerk des Münsters errichten.