Was machen Sie während Ihres FÖF in Italien?

Ich arbeite im Kinder- und Jugendzentrum Casa Mia Emilio Nitti in Neapel. Am Vormittag erledige ich hausmeisterliche Aufgaben, damit das Zentrum ein freundlicher Ort bleibt. Am Nachmittag kommen dann Schüler in die Einrichtung, die ich bei den Hausaufgaben und beim Lernen unterstütze. Meist bleibt danach noch Zeit zum gemeinsamen Spielen. Da die Schule im letzten Jahr wegen Corona oft nur online stattfand ist dieses Jahr Bewegung besonders wichtig für die Kinder. Die meisten Familien leben nämlich in sehr beengten Verhältnissen, zu Hause haben die Kinder also keine Möglichkeit sich auszutoben. Auch pflegen wir gemeinsam einen Gemüsegarten, für viele ist dies eine völlig neue Erfahrung. Die Kinder der Einrichtung werden außerdem von einer Sozialarbeiterin begleitet. Viele von den von uns betreuten Kindern müssen leider erst lernen, wie man richtig mit Gefühlen umgeht. Ein besonderes Müllprojekt wird in den Sommerferien mit den Kindern angegangen. Viele wissen gar nicht, wie schädlich Müll für unsere Umwelt ist. Sie werfen diesen einfach auf den Boden anstatt in die Mülltonne. Entsprechend vermüllt sind die Straßen von Ponticelli. Dieses Thema möchten wir mit den Kindern angehen.

Und wo leben Sie?

Ich wohne direkt an meiner Arbeitsstelle in Neapel, im Stadtteil Ponticelli. Das ist ein ärmerer Teil der Stadt, ein sozialer Brennpunkt, in dem viele sozial benachteiligte Familien leben.

Was versteht man eigentlich unter einem Freiwilligen Ökumenischen Friedensdienst (FÖF)?

Der FÖF wird von der Arbeitsstelle Frieden, einem Teil des Evangelischen Kinder- und Jugendwerks Baden der Evangelischen Landeskirche Baden und anerkannten Trägerorganisation angeboten. Man kann einen FÖF beispielsweise in sozialen und entwicklungspolitischen Einrichtungen, Kulturzentren oder Begegnungsstätten absolvieren.

Warum haben Sie sich für einen FÖF entschieden?

Dadurch lerne ich sowohl meine eigene Kultur und eine neue Kultur besser kennen. So kann ich mehr Verständnis für andere Kulturen entwickeln und kann damit einen Beitrag zum Frieden leisten. Ich hätte niemals gedacht, dass ich innerhalb Europas, nur etwa 1000 Kilometer südlich von meinem Zuhause in Arlen entfernt, eine komplett andere Kultur erlebe. Nie hätte ich gedacht, dass es in Hinsicht auf Bildung und Chancengleichheit innerhalb der EU so große Unterschiede gibt.

Wer trägt die Kosten für Ihren Auslandsaufenthalt?

Für mein Auslandsjahr entstehen für mich keine Kosten. Mit gesammelten Spenden unterstütze ich meine Arbeitsstelle und die Organisation. Ich helfe dafür hier mit und gebe den Leuten durch mich die Möglichkeit, meine Kultur kennenzulernen.

Was hat Sie in Ihrer Zeit in Italien bisher am meisten berührt?

Als ein Kind nach vielen Wochen des Übens endlich lesen konnte und jetzt immer ganz stolz vorliest, wenn wir alle gemeinsam eine Geschichte lesen. Weil sich keiner Zeit für die Kinder nimmt, können viele in der dritten Klasse noch nicht lesen. Oder ein anderes Kind, welches am Schuljahresende endlich das kleine Einmaleins perfekt kann. Es hat monatelang nicht aufgegeben und mit mir auf allen möglichen Arten geübt. Solch kleine Dinge freuen mich sehr, weil es den Kindern weiterhelfen wird in ihrem Leben. Manche der Eltern der Kinder im Casa Mia Emilio Nitti können diese Dinge selbst nicht und mit Unterstützung der Freiwilligen haben die Kinder zumindest eine kleine Chance auf ein besseres Leben.

Hat die Arbeit mit Kindern in Neapel Sie verändert?

Ja, sehr sogar. Ich sammelte viele neue Erfahrungen und wuchs immer wieder über mich hinaus. Ich habe angefangen viel über mein bisheriges Leben nachzudenken und es mit dem Leben hier zu vergleichen. Mir war nicht klar, dass man in der EU noch so viel tun muss, um allen dieselben Chancen zu geben. Und dieses Jahr lehrte mich auch, wie schwer es ist, als Ausländer in einem anderen Land Fuß zu fassen. Auf jeden Fall wurde ich aufmerksamer und dankbarer gegenüber Dingen, die bisher selbstverständlich für mich waren. Und ich wurde selbstbewusster, lernte mich selbst besser kennen und ich lernte mein eigenes Handeln zu reflektieren.

Fragen: Sandra Bossenmaier